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Politik: Wähler ohne Orientierung

Vier Wochen vor den Parlamentswahlen in Italien haben viele Wähler den Überblick verloren. Der Grund: Die Führer der politischen Lager haben die traditionellen Grenzen zwischen rechts und links kurzerhand außer Kraft gesetzt.

Vier Wochen vor den Parlamentswahlen in Italien haben viele Wähler den Überblick verloren. Der Grund: Die Führer der politischen Lager haben die traditionellen Grenzen zwischen rechts und links kurzerhand außer Kraft gesetzt. Um möglichst viele Stimmen zu gewinnen, sympathisieren sie offen mit ehemaligen Gegnern. Und Italiens Bürger wissen nun nicht mehr, wo sie hingehören.

Die Demokratische Partei als stärkste Kraft der Linken hat in Venetien einen Arbeitgeberfunktionär zu ihrem Listenführer gemacht, einen, der sogar im eigenen Lager als „rechter Falke“ gilt und der noch 2007 feierlich erklärt hat, „nie im Leben“ werde er links wählen. Dieser Unternehmer, Massimo Calearo, steht nun auf der Bühne und reicht dem regionalen Chef der ultralinken Gewerkschaft CGIL als neuem Kampfgenossen die Hand. Alle Menschen werden Brüder oder besser Wahlverbündete. So demonstrativ will es Walter Veltroni, der Spitzenkandidat der italienischen Demokratischen Partei.

In den vergangenen beiden Jahren regierten Veltronis Mannen zusammen mit den Kommunisten, heute ist ihr Drang zu einer unideologischen Mitte derart ausgeprägt, dass sich das eigene Wahlvolk verwundert die Augen reibt. 30 Prozent allein der bisherigen Linkswähler wissen nach einer neuen Umfrage nicht mehr, für wen sie stimmen sollen; viele wollen sich nach gegenwärtigem Stand enthalten – ein schwerer Dämpfer für Veltroni, der gegen seinen Hauptkonkurrenten, Silvio Berlusconi, mit einem Rückstand von zehn, in einigen Regionen sogar von 15 Prozentpunkten gestartet ist.

Rechts indes herrscht nicht viel mehr Klarheit. Wie Veltroni die Kommunisten, so hat Berlusconi die Christdemokraten abgestoßen und sich dafür einige Rechtsaußen an Bord geholt, vor denen es sogar den traditionellen Rechtskonservativen in Berlusconis „Volk der Freiheiten“ graust. Berlusconis Vorzeigekandidat in diesem Sinne ist der Verleger Giuseppe Ciarrapico aus der Gegend von Rom, ein erklärter Faschist, der seine Zeitungsredaktionen mit Mussolini-Büsten schmückt. Hat Berlusconi also einen Rechtsruck vollzogen und sich von der Mitte verabschiedet? Das fragen sich verunsichert viele katholisch-bürgerliche Wähler des bisherigen Mitte-Rechts- Bündnisses.

Gegrummel herrscht in beiden Lagern über die Gutsherrenart, mit der die politischen Führer die Wahllisten erstellt haben. Veltronis Partei hatte wiederholt Vorwahlen versprochen. Basisdemokratische Elemente sollten die bisherige Dominanz der italienischen Parteizentralen brechen. Für Vorwahlen aber reichte – nach dem so plötzlichen Ende der Regierung von Romano Prodi – die Zeit nicht. Veltroni wollte diesmal im Gegenteil auf Nummer sicher gehen und so hat in der Parteizentrale sogar ein noch engerer Kreis als früher die Kandidaten ausgewählt. Bei Veltronis Gegnern verlief die Prozedur genauso, nur fiel das nach außen nicht so stark auf, weil im rechten Lager Versprechungen ohnehin nicht so ernst genommen werden.

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