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Politik: Während der Prozeß näher rückt, wartet Garzon in Spanien auf die Möglichkeit einer Anklage

Der chilenische Ex-Diktator Augusto Pinochet und seine Anhänger werden offenbar nervös. Der Mann, der von dem spanischen Untersuchungsrichter Baltasar Garzon wegen Menschenrechtsverbrechen verfolgt wird, sitzt schon seit fast zehn Monaten in seinem Londoner Luxusgefängnis fest und noch immer rückt der Heimflug nach Chile nicht näher.

Der chilenische Ex-Diktator Augusto Pinochet und seine Anhänger werden offenbar nervös. Der Mann, der von dem spanischen Untersuchungsrichter Baltasar Garzon wegen Menschenrechtsverbrechen verfolgt wird, sitzt schon seit fast zehn Monaten in seinem Londoner Luxusgefängnis fest und noch immer rückt der Heimflug nach Chile nicht näher. Im Gegenteil, es mehren sich die Zeichen, dass der frühere Staatschef (1973-1990) tatsächlich auf der Anklagebank in Madrid Platz nehmen muss - sollte dies dem 83jährigen gesundheitlich noch möglich sein. In sieben Wochen soll der Aulieferungsprozess um Pinochet beginnen.

In London hieß es, der Chilene erwäge, sich der spanischen Justiz freiwillig zu stellen, um einem langwierigen Auslieferungsverfahren zu entgehen. Seine Anwälte hätten ihm aber davon abgeraten. In Madrid lauert immer noch Garzon, jener Mann, der Pinochet am 16. Oktober 1998 mit einem internationalen Haftbefehl in London festnehmen ließ. Nach dem britischen Urteil, dass bei einer Auslieferung Pinochet-Untaten vor 1989 nicht geahndet werden dürfen, trug Garzon eine beträchtliche Latte von Folter- und Terrortaten zusammen, die immer noch für eine Anklage reichen könnten.

Die spanische Regierung versuchte bislang vergeblich, den Ermittlungsrichter Garzon zu stoppen. Die konservative Führung, die offiziell verkündet, "die Entscheidung der Justiz zu respektieren", lässt durch ihre Helfer den Untersuchungseifer heftig torpedieren. Die politisch abhängige Staatsanwaltschaft am Nationalen Gerichtshof, in dem auch der Verbrecherjäger Garzon sein Büro hat, legt bei Spaniens höchstem Strafgericht stapelweise Beschwerden gegen Garzon ein. Bisher vergeblich.

Nach Lesart der höchsten Staatsanwälte Spaniens ist Pinochet, dem rund 4000 politische Morde auch an Spaniern zur Last gelegt werden, kein Fall für Garzon und erst recht nicht für Spanien. Pinochet gehöre freigelassen zumal er als Ex-Staatschef und Senator auf Lebenszeit ähnliche Immunität genieße wie der spanische König. Ein Aufschrei der Empörung ging nach diesem Vergleich durch Spaniens Öffentlichkeit: Inakzeptabel, unglücklich sei diese Gleichung, rügte selbst die konservative Regierungspartei.

Der Hohe Gerichtshof Spaniens selbst bescheinigte Garzon dagegen, dass sein Vorgehen gegen Pinochet vom nationalen Gesetz gedeckt ist. Und weil sich Garzon juristisch offenbar nicht ausbremsen lässt, spielen Chiles wie Spaniens Regierung nun mit einer neuen Überlegung: Ein internationales Schiedsgericht, so der Gedanke, könne Garzon den Fall aus den Händen nehmen und über das Schicksal Pinochets entscheiden. Damit Chile über alles auf dem Laufenden ist, ließen spanische Diplomaten ihr diskret Kopien der Ermittlungsakten zukommen. Garzon sieht dadurch "das Prinzip der justiziellen Unabhängigkeit" berührt. Er droht nun wegen dieser Einmischung mit dem Gang zum Verfassungsgericht.

Ralph Schulze

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