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Politik: Während für seine Partei derzeit wenig rund läuft, feiert der sächsische Ministerpräsident runden Geburtstag

Kurt Biedenkopf wird 70. In einem politischen Amt.

Kurt Biedenkopf wird 70. In einem politischen Amt. Als Ministerpräsident. Nicht in Nordrhein-Westfalen, wo er das einmal werden wollte, sondern in Sachsen. Dort regiert er seit 1990. Ein Einheitsgewinnler, wenn man so will, einer von denen aus der Reihe der in der bundesrepublikanischen Politik der 80er Jahre Gescheiterten, Gestrauchelten und Deklassierten, die es im Osten noch einmal angingen. Und von ihnen allen hat einzig er es geschafft, souverän die alten Demütigungen wegzustecken und vergessen zu machen, dass seine politische Laufbahn eigentlich schon zu Ende war. Nun erlebt er eine bemerkenswerte Spätkarriere.

Und Kurt Biedenkopf erlebt einen Herbst als Politiker, der beschienen ist von der milden Sonne der Genugtuung. Denn in den vergangenen Monaten und Jahren durfte er erleben, dass Helmut Kohl erst abgewählt worden ist und dann im Sumpf seines innerparteilichen Finanzsystems seine Reputation verlor. Diese Genugtuung aber äußert er nicht, denn sie ist gedämpft durch das Erlebnis der größten Krise in der Geschichte der CDU. So groß ist diese Krise, dass Biedenkopf manchen schon als Retter der Partei erschien, sollte Parteichef Wolfgang Schäuble das Handtuch werfen. Ausgerechnet Biedenkopf, auf dessen raschen Aufstieg in den 70er Jahren ein ebenso rascher Abstieg im Jahrzehnt darauf folgte, als Kohl die Partei zu seinem Instrument machte. Dass Biedenkopf in eine solche Rolle kommen könnte, hängt mit seinen guten Umfragewerten zusammen und mit seinen Rekordwahlergebnissen in Sachsen, den besten in der CDU-Geschichte.

Die politische Karriere des einzelgängerischen Wirtschaftsjuristen Biedenkopf (in den 60er Jahren einer der jüngsten Lehrstuhlinhaber und - in Bochum - der bis dahin jüngste Rektor einer Universität) begann 1973 als Generalsekretär der CDU unter Helmut Kohl. Sie galten als ein Modernisierer-Duo, das die muffige Adenauer-CDU neuen Zeiten entgegenführen würde. Kohl hat das dann bald alleine gemacht. Dem pfälzischen Parteipolitiker Kohl wurde der umtriebige und außergewöhnlich selbstbewusste Ideenproduzent Biedenkopf bald lästig. Zumal Biedenkopf gerne durchblicken ließ, dass er sich für den Kompetenteren hielt. Die weiteren Stationen nach der Klärung dieses Verhältnisses: CDU-Vorsitzender von Westfalen-Lippe, CDU-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, Oppositionsführer im Landtag, Bundestagsabgeordneter. Immer mit dem Zusatz "als solcher gescheitert".

Dass er in Sachsen seine Amstzeit als Ministerpräsident dann auch als Rehabilitierungsunternehmen in eigener Sache gestalten konnte, hing mit der Personalnot in der wendehalber durcheinandergewirbelten Ost-Partei zusammen: ein Funktionär der Blockpartei CDU namens Reichenbach konnte von den Neumitgliedern aus der Bürgerbewegung vereitelt werden, und als Lothar Späth ablehnte (eine Reihe anderer hatte ebenfalls abgewunken), blieb Biedenkopf übrig, damals Gastprofessor in Leipzig. Er hat es auf sich genommen, und die Sachsen haben es ihm gedankt. Die Marketingmaschine namens Sächsische Staatskanzlei hat ihnen das erleichtert. Man denke nur an die Wortschöpfung "König Kurt". Dass er sich für die Petitessen der Landespolitik oft nur wenig interessiert hat, hatte keine Folgen.

Ein großes Thema hat er dagegen mit Verve und Beharrlichkeit verfolgt: die Rentenreform, aus Biedenkopfs Sicht das wichtigste Thema der Zeit (zu allen Zeiten, in denen er es vorbrachte). 1981 war das so, auch 1988, als die Debatten schon einmal von der Rente bestimmt wurden. Mit seiner Forderung nach einem Systemwechsel - weg vom Umlageverfahren der bestehenden Rentenversicherung, hin zu privater Vorsorge mit dem Sicherheitsnetz einer aus Steuern finanzierten Grundrente - konnte und kann er sich nicht durchsetzen. Dass nun ein Mischsystem angepeilt wird, hält er sich dennoch zugute; ohne sein Insistieren, glaubt Biedenkopf, wäre die Debatte anders verlaufen.

Höhepunkt seiner Aufbauhelfer-Karriere nach 1989 soll der Solidarpakt II werden. Als Präsident des Bundesrates in diesem Jahr will er die Weichen stellen für eine günstige Lösung im Interesse der neuen Länder bis ins nächste Jahrzehnt. Deshalb ist Sachsen federführend für den Osten, dessen führender Vertreter Biedenkopf nicht nur nach eigener Ansicht ist. An seinem Jubeltag steht er als einer der wenigen handlungsfähigen CDU-Politiker da. So hat Kohl dem von ihm verachteten Professor ein schönes Geschenk zum 70. Geburtstag an diesem Freitag gemacht. Getrübt wird die Stimmung dadurch, dass die NRW-Flugaffäre nun auch Biedenkopf erfasst hat. Auch er ist mit einem Jet auf Kosten der WestLB mitgeflogen. Ganz am Rande stand Biedenkopf nun doch nicht.

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