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Politik: „Waffengebrauch ist nie auszuschließen“

Unionsfraktionschef Volker Kauder über den Schutz Israels durch Deutsche – und das „C“ im Namen seiner Partei

Was rät Ihr Gewissen, Herr Kauder: Sollen deutsche Soldaten an der Grenzezu Israel stehen?

Deutschland will und wird einen Beitrag zur Lösung der politischen Problemeim Nahen Osten leisten. Zuerst einmal habe ich großen Respekt vor den diplomatischenBemühungen der Bundesregierung. Und wir werden auch darüber zu reden haben, wiewir zum Wiederaufbau des Landes und zur Sicherheit der Region beitragen können.Ich rate dringend dazu, jetzt erst einmal abzuwarten, wie das Uno-Mandat aussehenwird. Der Bundestag wird auf der Grundlage eines Antrages der Bundesregierungentscheiden. Dieser Weg ist richtig und sollte nicht dadurch erschwert werden,dass Einzelne sich oder die Bundesregierung vorab festlegen.

Ihr Gewissen rät abzuwarten?

Ich habe mich immer klar zur Solidarität mit Israel bekannt. Das bedeutet auch, sich für die Sicherheit Israels einzusetzen. Im Augenblick ist die Sicherheit Israels gefährdet. Deshalb sollten wir Deutschen dazu beitragen, dass dauerhaft eine Friedensordnung im Nahen Osten geschaffen wird, die das Existenzrecht Israels sichert, die aber auch die Probleme in der ganzen Region löst. Ich denke etwa auch an einen demokratischen Libanon, der die Souveränität über sein Staatsgebiet ausübt. Deshalb sollten wir Deutschen einen Beitrag im Rahmen des Uno-Mandates leisten.

Auch mit Soldaten auf libanesischem Boden, eventuell sogar mit dem in RichtungIsrael gerichteten Gewehr?

Nein. Unser Beitrag sollte darin bestehen, am Aufbau des Landes mitzuwirken. Ich kann mir gut vorstellen, dass Pioniere helfen, im Libanon Straßen und Brücken instand zu setzen. Allerdings sind auch Pioniere Soldaten, das muss uns klar sein.

Stellen Sie sich kämpfende deutsche Soldaten vor?

Die Bundesregierung sieht keine Bodentruppen mit Kampfauftrag im Südlibanon vor. Wir müssen jetzt abwarten, wie das Mandat der Uno genau formuliert wird.

Die Kanzlerin will den deutschen Beitrag auf Marinebeobachter zu Wasserund auf Hilfsleistungen begrenzen. Ist es nicht naiv zu glauben, dass in einersolch angespannten Lage ausgerechnet unsere Soldaten nicht in Kampfhandlungenverwickelt werden?

Die Auffassung der Kanzlerin unterstütze ich ausdrücklich. Man kann bei dem Einsatz von Soldaten aber den Gebrauch von Waffen nie ganz ausschließen, beispielsweise zum Selbstschutz.

Viele Ihrer Kollegen im Bundestag fürchten sich vor Bildern, auf denen deutscheSoldaten ihre Waffen im Nahen Osten auf Juden richten könnten. Verstehen Sie das?

Natürlich habe ich Verständnis. Auch ich beschäftige mich vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte mit der Frage, wie können wir hilfreich sein. Unsere Entscheidungen werden wir zweifellos vor diesem Hintergrund zu treffen haben. Deshalb ist die Beteiligung Deutscher an einer Friedenssicherung im Nahen Osten eine ganz besonders schwierige, eine äußerst sensible Frage. Deshalb muss auch die Diskussion darüber sehr sensibel geführt werden. Natürlich spielt dabei auch eine Rolle, dass sich die israelische Regierung eine Beteiligung Deutschlands wünscht.

Es besteht die Gefahr, dass den Koalitionsfraktionen nichts anderes übrigbleiben wird, als den Vorschlag der Bundesregierung abzunicken, soll es nichtzur Regierungskrise kommen.

Die Bundeskanzlerin weiß, dass der Bundestag die letzte Entscheidung hat. Die diplomatischen Bemühungen der Regierung zeigen für mich, dass es ein hohes Maß an Aufmerksamkeit für den sensiblen Umgang mit dem Parlament gibt. Die Diskussion in den Fraktionen und im Bundestag wird wie immer bei Auslandseinsätzen auf der Grundlage des Regierungsantrages erfolgen.

Halten Sie eine Sondersitzung des Bundestages für notwendig?

Das werden wir entscheiden, wenn der Fahrplan der Uno feststeht.

Welchen Spielraum werden die Abgeordneten der Fraktionen bei ihrer Entscheidungfür einen Einsatz von der Fraktionsspitze erhalten?

Wir hatten schon bei den bisherigen Entscheidungen über Einsätze der Bundeswehr Kolleginnen und Kollegen, die nicht der Mehrheitsmeinung der Fraktion gefolgt sind. Natürlich werbe ich immer dafür, dass wir in der Koalition geschlossen auftreten. Aber ich weiß, dass es gerade in dieser Frage Kollegen geben wird, die sich sehr schwer tun werden, einem Einsatz zuzustimmen. Das habe ich zu akzeptieren.

Braucht die große Koalition eine eigene Mehrheit in dieser Frage?

Wir brauchen in einer solchen Frage eine breite Mehrheit im Bundestag. Nicht zuletzt, damit die Soldaten sich vom breiten Willen des Parlamentes gestützt fühlen. Und zur Mehrheit der großen Koalition: Ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass wir für alles, worüber wir im Bundestag abstimmen, eine eigene Mehrheit brauchen. Eine Koalition, die 70 Prozent der Stimmen im Bundestag stellt, darf sich nicht von der Zustimmung der Opposition abhängig machen.

Herr Kauder, zur Innenpolitik: Die CDU streitet seit Wochen über ihren Kurs.Können Sie uns erklären, wieso dieses Sommertheater stattfindet?

Die CDU überarbeitet gerade – ebenso wie die CSU – ihr Grundsatzprogramm. Da gibt es natürlich verschiedene Auffassungen, wie die Partei sich ausrichten sollte. Der Grundsatzkongress, der nächste Woche stattfindet, ist der richtige Ort, um über die Fragen zu diskutieren, die uns bewegen. Die Debatten dort finden schließlich öffentlich statt und sollen der Ausgangspunkt sein für eine breite, auch öffentlich geführte Diskussion innerhalb der Partei.

Muss nicht gerade eine Debatte über den Kurs der Partei öffentlich geführtwerden?

Wir führen die Diskussion ja auch öffentlich. Aber die Diskussion muss strukturiert stattfinden und sollte zukunftsgerichtet sein.

Teilen Sie die Einschätzung der CDU in Nordrhein-Westfalen, dass das schlechteWahlergebnis der letzten Bundestagswahl noch nicht aufgearbeitet ist?

Wir haben im letzten Jahr im Bundesvorstand ausführlich über das Wahlergebnis und den Wahlkampf diskutiert. Natürlich fließen die Erkenntnisse daraus in die Grundsatzdiskussion ein.

Es gibt aber keine einheitliche Interpretation. Die einen sagen, die CDUmüsse mehr wirtschaftsliberales Profil zeigen, die anderen, der soziale Charaktersei nicht genügend erkennbar.

Solche Diskussionen sind für eine Volkspartei völlig normal. Wir müssen jetzt im Rahmen der Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm sagen, welche Antworten die Union auf neue Herausforderungen unserer Zeit gibt.

Und?

Eines dürfte eine feste Größe für die Union sein: Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes heißt, davon auszugehen, dass jeder Mensch als Ebenbild Gottes eine einzigartige, unverwechselbare Persönlichkeit ist. In dieser persönlichen Individualität muss er von der Politik geachtet werden. Das heißt, dass ich alle kollektivistischen Lösungen, die den Menschen bedrängen, nicht akzeptieren kann.

Viele Unions-Anhänger fürchten mehr Freiheit. Andere wenden sich enttäuschtab, weil sie finden, dass die CDU zu wenig Freiheit in der Regierung umsetzt.

Für mich ist Freiheit ein zentraler Begriff. Und ich kann nicht erkennen, dass sich Unionsanhänger davor fürchten. Aber man muss in der Politik zwei Ebenen unterscheiden. Erstens: Wie sind unsere Grundsatzpositionen? Und zweitens: Wie setzen wir diese Positionen in konkretes Regierungshandeln um? In einer großen Koalition ist es nicht leicht, unsere Vorstellung von freiheitlicher Politik möglichst weitgehend umzusetzen.

Dass die große Koalition im Bund keine reine CDU-Politik machen kann, istklar. Aber braucht die CDU nicht zumindest ab und zu ein Profilierungsprojekt?

Wenn ich mir anschaue, was die große Koalition bisher erreicht hat, sehe ich die Handschrift der Union deutlich. Wir bringen zum Beispiel endlich den Haushalt in Ordnung und führen die Verschuldung in diesem Land zurück.

Dafür erhöhen Sie die Steuern.

Die Verschuldung ist so groß und dramatisch, dass es nicht ausreicht, auf Wachstum und höhere Steuereinnahmen zu setzen. Deswegen haben wir uns dazu bekannt, dass eine Mehrwertsteuererhöhung notwendig ist.

Die Steuereinnahmen werden in diesem Jahr viel höher ausfallen als erwartet.Können Sie Vorschläge, deshalb auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu verzichtenoder sie zu strecken, mit der Basta-Methode abwürgen?

Natürlich muss man alle Entscheidungen immer wieder kritisch überprüfen. Wir sind aber noch nicht so weit, dass wir den Haushalt ohne neue Schulden finanzieren können. Deshalb bleibe ich dabei: Die Haushaltskonsolidierung macht die Erhöhung der Mehrwertsteuer erforderlich. Ich plädiere dafür: Wenn wir in diesem Jahr mehr Steuern einnehmen, sollten wir die Neuverschuldung weiter senken.

Warum wollen Sie nicht die Arbeitslosenbeiträge stärker senken? Das würdendie Bürger direkt im Portemonnaie spüren.

Die Lohnnebenkosten möglichst stark zu senken, ist ebenfalls ein klares Ziel der Union. Wenn die Bundesagentur für Arbeit weiter so gut wirtschaftet, können wir die Beiträge in dieser Wahlperiode vielleicht um mehr als zwei Prozentpunkte senken.

In Ihrer Partei sind viele mit der Regierungsarbeit nicht sonderlich zufrieden.

Es gibt bei einigen den Wunsch, mehr zu erreichen. Da muss ich aber sagen: Politik beginnt immer mit dem Betrachten der Realität. Und Realität ist, dass unser Regierungsprogramm vom letzten Jahr, das auf eine Koalition mit der FDP abgezielt hat, in einer großen Koalition nicht zu 100 Prozent umsetzbar ist. Das wird auch durch ständiges Vorhalten nicht anders. Wir sollten nicht ständig klein reden, was wir erreicht haben. Ich habe manchmal den Eindruck, als ob jetzt schon Bilanz gezogen wird über die Legislaturperiode, und das nach noch nicht einmal einem Jahr. Wir haben noch drei Jahre vor uns.

Aber die Union ist in den Umfragen nach nicht einmal einem Jahr bei 30 Prozentangekommen.

Das ist keine Zahl, die mich erfreut. Aber ich habe auch schon Phasen erlebt, in denen wir in der Regierung waren, in den Umfragen tolle Ergebnisse hatten, bei nahezu 50 Prozent, und auf einmal waren wir in der Opposition. Wir sollten nicht auf Umfragen starren, sondern erst einmal das anpacken, was notwendig ist. Dann können wir auch die Früchte dieser Arbeit ernten.

Das Gespräch führten Cordula Eubel und Antje Sirleschtov.

ZUR PERSON

FRÜH ÜBT SICH

Volker Kauder wollte als Kind Zirkusdirektor werden, fand aber bald auch den politischen Zirkus spannend. Schon als 16-Jähriger trat der Lehrersohn aus Sinsheim in die CDU ein.

TEUFELS GENERAL

14 Jahre lang diente Kauder dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel als Generalsekretär. Erst als dieser sein Amt aufgab, zog es den Juristen in die Bundespartei. Im Bundestag sitzt er allerdings schon seit 1990 – für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen.

MERKELS HELFER

Im November 2005 beerbte Kauder Angela Merkel beim Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag. Zuvor war er bereits ein Jahr lang Generalsekretär der Bundes- CDU. Der 56-Jährige gilt als Merkels „rechte Hand“. Er pflegt einen straffen Führungsstil.

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