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Waffenhandel: „Regierung Merkel bricht Tabus“

Hauke Friederichs über deutsche Panzerdeals mit Saudi-Arabien, die Rolle der Bundesrepublik im globalen Rüstungsgeschäft und warum die Schweiz ein Vorbild sein kann.

Herr Friederichs, braucht die Welt Waffen?

Leider ja. Schon Thomas Hobbes stellte fest, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Damit ein Staat sein Gewaltmonopol durchsetzen kann, brauchen Polizisten Waffen. Und wenn Völkermorde verhindert werden sollen, benötigen auch die Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen dazu Gewehre und Panzer.

Frieden schaffen ohne Waffen ist also nichts als eine schöne Parole?

Staaten brauchen Waffen zur Landesverteidigung. Selbst wenn es in Zukunft eine europäische Armee geben sollte, wird dieses Kriegsgerät benötigt. Auch Island, eines der wenigen Länder ohne eigene Armee, ist auf die Nato angewiesen, wenn es um die Sicherung seines Luftraums geht. Und selbstverständlich braucht auch die Bundeswehr Waffen. Wenn der Bundestag, also die gewählten Volksvertreter, deutsche Soldaten in Auslandseinsätze wie nach Afghanistan schickt, müssen auch die deutschen Soldaten eine gute Ausrüstung bekommen – das fängt bei Schutzwesten an und hört bei Kampfhubschraubern auf. Am Hindukusch fehlen seit Jahren Helikopter.

Haben Rüstungsexport und Waffenhandel also zu Unrecht einen schlechten Ruf?

Nein. Seit Jahren weiten die europäischen Rüstungsfirmen ihre Geschäfte aus und wählen immer bedenklichere Kunden. Vor dem Bürgerkrieg kaufte Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi sein Kriegsgerät in Frankreich und in Deutschland. Auch deutsche Waffenschmieden beliefern Diktaturen und Krisenstaaten. Saudi-Arabien soll Panzer in Deutschland kaufen dürfen, obwohl saudische Truppen in Bahrain beim Niederschlagen des Arabischen Frühlings geholfen haben und Menschenrechte in dem Königreich ein Fremdwort sind. Auch Indonesien will deutsche Panzer – ein Staat, der aus tausenden Inseln besteht und wo bewaffnete Gruppen um Autonomie kämpfen.

Wie verhält sich das beispielsweise bei U-Boot-Deals mit Israel – müssten die, weil sie, historisch begründet, politisch gewollt sind, nur besser erklärt werden?

Israel genießt in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik schon immer einen besonderen Status. Dennoch sollten aus der Bundesrepublik keine Waffensysteme geliefert werden, die Israel bei der nuklearen Aufrüstung helfen. Die von HDW gebauten U-Boote können nach einer Umrüstung anscheinend mit Nuklearwaffen bestückt werden. Israel hat sein Atomprogramm heimlich vorangetrieben und den Nichtverbreitungsvertrag nicht unterzeichnet. Die deutsche Außenpolitik, vor allem Guido Westerwelle, setzt sich für die nukleare Abrüstung ein. Bei den U-Boot-Lieferungen passen Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Rüstungsexportpolitik nicht zusammen.

Welche Rolle spielt Deutschlands Rüstungspolitik im globalen Kontext?

Still und heimlich hat sich die deutsche Rüstungsindustrie auf den dritten Platz der Waffenexporteure vorgearbeitet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Produktion von Panzern, Kriegsschiffen oder Kampfflugzeugen in der Bundesrepublik verboten. Heute sind wir der Rüstungsexportmeister der EU. Nur die Amerikaner und Russen verkaufen noch mehr Waffen. Vor allem im Fahrzeugbau sind die Deutschen stark. Der Leopard-2-Kampfpanzer ist ein Exportschlager.

Saudi-Arabien soll großes Interesse haben …

Saudi-Arabien will mindestens 270 moderne Kampfpanzer in Deutschland kaufen – angeblich besteht sogar Interesse an mehr als doppelt so vielen Leopard 2A7+. Die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel hat eine Voranfrage für die Panzerausfuhr bereits genehmigt. Das geschah im geheim tagenden Bundessicherheitsrat, bestätigen will das Kabinett Merkel die Entscheidung nicht. Saudische Offizielle haben da weniger Scheu und sprechen offen von dem Wunsch, Leoparden in Deutschland zu kaufen. Die Kanzler Schmidt und Kohl hatten das noch abgelehnt. Unter Merkel lässt sich ein Tabubruch in der Rüstungsexportpolitik feststellen. Die Bundeswehr hilft heute den Saudis sogar beim Test eines Leopard-2-Panzers und hat dazu einen Offizier nach Saudi-Arabien entsandt. Sie liefert zudem die nötige Munition.

Stichwort Griechenland …

Ja, von Doppelmoral der Regierung lässt sich auch bei den Rüstungsgeschäften mit Griechenland sprechen. Dem hochverschuldeten Land verkauften deutsche Waffenschmieden ihre Produkte, darunter auch Kampfpanzer. Als die Regierung in Athen das Kriegsgerät made in Germany nicht bezahlen konnte, sollen deutsche Spitzenpolitiker die Zahlungsmoral kritisiert haben. Gleichzeitig ermahnte die Bundesregierung die Griechen zum Sparen. Bedenklich beim Waffenverkauf an Griechenland ist zudem, dass Türken und die Griechen vor allem gegeneinander aufrüsten.

Stellt sich die deutsche Rüstungsindustrie auf neue Formen der Kriegsführung wie Cyberwar, Drohnen und ähnliches irgendwie ein?

Einen Trend hat die deutsche Rüstungsindustrie lange verschlafen: den Bedarf der Armeen nach unbemannten Flugzeugen. Drohnen vom Typ Heron leaste die Bundeswehr in Israel. Die Armee erwägt nun, amerikanische Drohnen anzuschaffen. Lediglich bei kleinen, ferngelenkten Aufklärungsfliegern gibt es einen weltweit erfolgreichen Anbieter aus Süddeutschland. Saudi-Arabien hat bei dem Mittelständler jüngst Drohnen gekauft. Soldaten der Bundeswehr halfen in Saudi-Arabien beim Ausbilden saudischer Feldwebel.

Welche Bedeutung hat die Branche für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Die Rüstungsindustrie behauptet, ohne Exporte seien tausende Arbeitsplätze bedroht, und setzt die Politik unter Druck. Doch insgesamt arbeiten lediglich 80 000 Menschen für die Rüstungsindustrie und davon nicht alle für den Export. Facharbeiter und Ingenieure fehlen in allen Branchen – bei strengeren Exportregeln würde die Arbeitslosenzahl nicht steigen. Die Bedeutung der Rüstungsindustrie für die Volkswirtschaft wird überschätzt. Umso erstaunlicher ist es, welchen Einfluss die Rüstungslobby im politischen Berlin genießt. Deren Vertreter fordern eine stärkere Unterstützung der Bundesregierung bei Waffenexporten. Kanzlerin Merkel hat in Angola für deutsche Patrouillenboote und in Indien für den Eurofighter geworben. Rüstungsexporte machen ungefähr ein Prozent der deutschen Gesamtausfuhr aus. Den Ruf Deutschlands in der Welt kann das Engagement der Regierung für die Waffenbranche schädigen. Die Schweiz hat beschlossen, keine Waffen mehr nach Saudi-Arabien und an andere repressive Regime zu liefern. Das sollte für Deutschland ein Vorbild sein.

Das Gespräch führte Michael Schmidt.

Hauke Friederichs ist

Journalist und Publizist mit dem Themenschwerpunkt

Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik. Sein

besonderes Interesse

gilt dem Terrorismus,

der Bundeswehr und der

Piraterie. Am 11. September erscheint sein Buch:

„Bombengeschäfte.

Tod made in Germany“.

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