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Von 2005 bis 2018: Angela Merkel Jahr für Jahr im Bundeskabinett.

© dpa

Wahl im Bundestag: Angela Merkels vierte Kanzlerschaft - Rückblick und Ausblick

Am Mittwoch wird Angela Merkel als Bundeskanzlerin vereidigt. Sie steht vor ihrer vierten Amtszeit. Und vor vielen Problemen. Worum es ging - und gehen wird.

Von
  • Antje Sirleschtov
  • Robert Birnbaum

Und wieder wird es auf sie ankommen, zum vierten Mal Angela Merkel. In Deutschland, wo das Parteiengefüge infrage steht, rechte Populisten auf die Bühne drängen und die Bürger nicht wissen, wie weit sie ihrem Staat noch vertrauen können. Aber genauso da draußen, wo die Trumps, die Putins und Erdogans die alte Welt mit ihrer egozentrischen Rücksichtslosigkeit tagtäglich erschrecken und zu verändern suchen. Und natürlich in Europa – Gemeinschaft unserer Werte, des Friedens –, das auf so wackligen Säulen steht.

Die mächtigste Frau der Welt nennt man Angela Merkel gern. Garantin von Verlässlichkeit, Maß und Mitte. Ja, es gibt nicht nur den einen, deutschen, Blick auf diese Frau, den überdrüssigen. An diesem Mittwoch wird sie ihre Hand erneut zum Amtseid erheben, nach zwölf Jahren ganz vorn. Zum letzten Mal vermutlich Kanzlerin.

Doch von dämmernder Abschiedstour kann keine Rede sein. Die Aufgaben sind gewaltig. Die Erwartungen noch größer. Zeiten, in denen politische Verantwortung existenzsichernd ist für das Land, den Kontinent, Freiheit und Menschenwürde insgesamt. Zeiten auf jeden Fall, die das Urteil über ihre gesamte Kanzlerschaft prägen werden. Mutti, die Wurschtelnde? Die Visionslose? Ach, wer weiß das heute schon. Fukushima, die Finanzkrise, Griechenland: Nichts von alledem stand je in einem Koalitionsvertrag. Gutes Regieren, das lehrt die Geschichte, ist zuvorderst die Kunst des Reagierens, verlässlich, überlegt, auch mutig. Wie war das noch, Frau Merkel – wir schaffen das?

Große Koalition für die kleinen Leute

Merkels dritte große Koalition wird zweifellos eine für die „kleinen Leute“ sein, wie Horst Seehofer sagt. Sie muss es auch werden. Denn die verunsicherte Gesellschaft, sie ist im Kern nichts anderes als die Summe dieser kleinen Leute. Nach Jahren der fordernden globalen und europäischen Riesenprojekte leckt der deutsche Tanker im Inland überall und es ist hohe Zeit, dass Bildung, Rente, Familie, Pflege, Integration und die Sicherheit des alltäglichen Lebens auf der politischen Tagesordnung nach vorne rücken.

Es geht darum, das Vertrauen der Menschen darin zu stärken, dass sie gerüstet sind für eine Zukunft, die ihnen viel abverlangen wird und deren Angesicht noch niemand wirklich kennt. Chinas ökonomische Ansprüche bedrohen die hiesigen Unternehmen, globale Multikonzerne die finanziellen Grundlagen des sorgenden Sozialstaates.

Gemeinsam regieren und ein eigenes Profil entwickeln

Es gilt, an vielen Ecken nationale Sicherungssysteme zu stärken, Europa als Gemeinschaftsaufgabe krisenfest zu machen. Und, natürlich, die Brücken zu bauen in ein digitales Zeitalter. Ist das nun sozialdemokratische oder konservative Politikaufgabe? Bestenfalls wird man einst über diese nach sechs Monaten, einer Fehlgeburt in Jamaika und dann doch in der Not geborene Verbindung von CDU, CSU und SPD sagen können: Wie gut, dass gerade diese drei noch einmal zusammengekommen sind.

Denn eines ist auch klar, an diesem Tag der Regierungsbildung: In dreieinhalb Jahren werden die Karten neu gemischt. Die Sozialdemokratie weiß, dass sie bis dahin überzeugend regieren und zur gleichen Zeit eigenes Profil entwickeln muss. 2021, nach 16 Jahren Merkel, muss eine oder einer aus der SPD den Anspruch auf das Kanzleramt anmelden, bei Strafe des Untergangs der traditionsreichen Volkspartei. Ob dann Rot-Grün, Rot-Rot-Grün, sozialliberal oder gar eine neue Groko, mit umgekehrten Vorzeichen, die Wähler überzeugen wird, das hängt natürlich auch davon ab, welchen Weg die CDU, die Union insgesamt, bis dahin gehen wird.

AKK oder Spahn, bayerisches Chaos oder positive Münchner Überraschungen – auch die „CDU nach Merkel“ wird bemessen werden an der Fähigkeit der Partei, sich von ihr zu lösen. Bewahren und Erneuern gleichermaßen: Wie die Aufgaben es vorgeben, so verkörpert auch Angela Merkels Regierung im Nebeneinander von erfahrenen Hasen und jungen Gesichtern diese Spannung. Nun kann das Regieren losgehen.

2005 - 2009: Das Notbündnis zwischen Union und SPD

Im November 2005 wurde Angela Merkel zum ersten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt.
Im November 2005 wurde Angela Merkel zum ersten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt.

© dpa/picture alliance / dpa

Es fing an, wie es oft verlaufen sollte in Angela Merkels politischer Karriere: Knapp geschafft ist auch gewonnen. Der Wahlabend 2005 ging ins kollektive Gedächtnis ein. Die Union war mit weitem Vorsprung in die vorgezogene Neuwahl gegangen, die Gerhard Schröder nach der SPD-Niederlage in der Herzkammer NRW durchgesetzt hatte. Aber am 18.September 2005 blieben der rote und der schwarze Balken der Hochrechnungen auf einer Höhe. Schröder lachte die Herausforderin in der Fernseh-Elefantenrunde aus: Niemals werde sie Kanzlerin.

Zwei Monate später war sie es. Ein Prozentpunkt Vorsprung reicht eben doch, auch wenn Schröder noch versuchte, sich zum gefühlten Sieger zu erklären. SPD-Chef Franz Müntefering brachte ihn davon ab und seine Partei zur großen Koalition mit der ungeliebten Partnerin.

Am Wahlabend wurde die bedächtige Moderatorin Merkel geboren

Aber auch die CDU-Chefin hatte eine Lektion gelernt: Für das radikale Reformprogramm im Steuer- und Gesundheitssystem, für das sie im Wahlkampf geworben hatte, waren die Deutschen nicht zu haben. An dem Wahlabend, an dem die CDU/CSU mit enttäuschenden 35,2 Prozent nach Hause ging, wurde die bedächtige Moderatorin Merkel geboren.

Abgesehen von der überraschenden Berlin-Flucht des designierten Super-Wirtschaftsministers Edmund Stoiber, die ihn dann auch den CSU-Vorsitz kosten sollte, lief die erste Regierung Merkel in ruhigen Bahnen an. Union und SPD gewöhnten sich aneinander, der Rest der Welt gewöhnte sich an die Frau an der Spitze des wichtigsten europäischen Landes, die ein Treffen wie den G-7-Gipfel in Heiligendamm clever managte.

Im Herbst 2008 war es mit der Ruhe schlagartig vorbei. Am 8. Oktober traten die Kanzlerin und ihr Finanzminister Peer Steinbrück vor das Fernsehpublikum und gaben eine Garantie für die deutschen Sparer ab. Kaum ein Zuschauer ahnte, was hinter dem Auftritt steckte: Die Regierung hatte akute Warnsignale dafür, dass Sparer massenweise ihr Geld von den krisengeschüttelten Banken abheben könnten.

Wie handhabt man eine Weltfinanzkrise?

Das hätte den Todesstoß für das wankende Finanzsystem bedeuten können. Aber der Trick funktionierte. Erst viel später gaben Regierungsvertreter zu, dass der Staat die Garantie nie hätte einlösen können. Auch andere Schritte zur Stabilisierung des Finanz- und Bankensystems zeigten Wirkung, nicht zuletzt das Konjunkturpaket per Abwrackprämie. Merkel aber zog wieder zwei wichtige Lehren. Erstens: Wenn es ernst wird, ist alle Theorie nutzlos und auf „Experten“ kein Verlass mehr – die sonst so interviewfreudige Wirtschaftswissenschaft war in kleinlautes Schweigen verfallen, als sie der Regierung raten sollte, wie man eine Weltfinanzkrise handhabt.

Und zweitens: Regieren ist permanente Krisenreaktion. Die Erkenntnis fand nur ein Jahr später gleich die nächste Bestätigung. Der Autobauer Opel rutschte in die Krise. Die Regierung sprang mit Bürgschaften ein, um den Standort Rüsselsheim zu retten.

Nach vier Jahren und zunehmenden Nickeligkeiten ging die große Koalition auseinander im Gefühl, eine Ausnahme gewesen zu sein. Die SPD zog mit ihrem Umfrageliebling in die Wahl: Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

2009 - 2013: Schwarz-Gelb versinkt im Dauerstreit

Der zweite Streich. Im Jahr 2009 beginnt die zweite Kanzlerschaft der Angela Merkel.
Der zweite Streich. Im Jahr 2009 beginnt die zweite Kanzlerschaft der Angela Merkel.

© Julian Stratenschulte/picture-alliance/ dpa

Die Wahl 2009 endet für die Partner der großen Koalition mit historischen Einbrüchen: Die SPD sinkt auf 23, die Union auf nicht mal 34 Prozent. Zusammen mit dem großen Profiteur FDP reicht das Merkel aber knapp zur zweiten Kanzlerschaft. Zusammen mit Guido Westerwelle schien nun der Weg frei für die Reformkoalition, die beide vier Jahre vorher angestrebt hatten.

Stattdessen wurde die Wunsch- zur Chaoskoalition, die monatelang mit „Wildsau-“ und „Gurkentruppen“-Beschimpfungen übereinander herzog. Westerwelle hatte die FDP auf eine große Steuersenkung fokussiert, für die Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble den Spielraum im Haushalt nicht sahen.

Die Bankenrettung hatte den Etat belastet, die Euro-Krise, die der Finanzkrise auf dem Fuß folgte, bürdete den EU-Staaten milliardenschwere Rettungsschirm-Garantien für Portugal, Spanien, Irland und vor allem für Griechenland auf. In der Koalition setzten heftige Debatten darüber ein, ob die Rettungsschirme gegen EU-Haushaltsrecht verstoßen.

Merkels spektakuläre Wende bei Fukushima

Der Spardruck, den diese Weltkrisen auslösten, trug innenpolitisch zu einer spektakulären Politikwende bei: Der neue Star des Kabinetts, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, schaffte mit Merkels Rückendeckung die Wehrpflicht ab. Ein Jahr später musste der CSU-Mann gehen, als herauskam, dass seine Doktorarbeit ein dreistes Plagiat war. Einen zweiten Minister warf Merkel selbst hinaus: Norbert Röttgen hatte die NRW-Wahl so ungeschickt in den Sand gesetzt, dass die CDU-Chefin den Parteikollegen nicht als Umweltminister behalten wollte.

Merkels zweite spektakuläre Wende löste der Super-Gau von Fukushima aus. Als mitten im Landtagswahlkampf um Baden-Württemberg der japanische Atommeiler explodierte, verfügte Merkel das Aus für die deutschen Atommeiler, deren Laufzeit die gleiche Regierung erst ein Jahr vorher verlängert hatte. Das Manöver half dem CDU-Kandidaten in Stuttgart nicht, brachte aber Konservative und Wirtschaftspolitiker in der CDU auf die Palme. Die einen haderten seit Langem mit Merkels gesellschaftspolitischem Modernisierungskurs, die anderen haderten mit den Belastungen, die die Abkehr vom billigen Atomstrom für die Wirtschaft mit sich brachte. Die Energiewende sollte in den nächsten Jahren eine der ökonomisch, technisch und politisch kompliziertesten Herausforderungen werden.

Obama und sie finden trotz Abhör-Affäre zueinander

Außenpolitisch festigte Merkel ihren Ruf als zähe Verhandlerin in Brüssel und gewichtige Stimme in weltpolitischen Fragen. Mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama fand sie nach anfänglicher Distanz zu enger Zusammenarbeit. Daran änderte auch die „Abhören unter Freunden geht gar nicht“-Affäre um den US-Geheimdienst NSA nichts, der selbst das Kanzlerinnen-Handy zum Abhörziel erklärt hatte.

In die Bundestagswahl 2013 ging Amtsinhaberin Merkel als haushohe Favoritin – und erreichte für die CDU/CSU am Wahlabend um ein Haar die absolute Mehrheit. Der Partner FDP dagegen hatte sich zuletzt in Führungskämpfen selbst zerlegt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik flogen die Liberalen aus dem Deutschen Bundestag.

2013 - 2017: Ein Tag im September verändert die Republik

Mit viel Energie in die dritte Amtszeit: Angela Merkel im September 2013.
Mit viel Energie in die dritte Amtszeit: Angela Merkel im September 2013.

© Odd Andersen/AFP

Nach dem Wahltriumph hat Merkel die Wahl. Doch die Grünen schrecken vor der Macht zurück, und die SPD mit dem gedemütigten Kandidaten Peer Steinbrück tut sich schwer. Sigmar Gabriel muss seiner Partei eine Mitgliederabstimmung versprechen, um sie zur nächsten großen Koalition zu bewegen. Einem Koalitionsvertrag, der zahlreiche sozialdemokratische Herzensanliegen wie etwa den Mindestlohn enthält, mag sich die Basis dann nicht verweigern.

Merkel wird zunehmend außenpolitisch beansprucht. In der Krim-Krise wird sie zentrale Ansprechpartnerin des russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit dem sie in Minsk einen Waffenstillstand für die Ost-Ukraine verhandelt. Die Ereignisse, die ihre gesamte Kanzlerschaft prägen werden, kündigen sich da schon an. Über das Mittelmeer und die Ägäis fliehen immer mehr Menschen aus den Armuts- und Kriegsregionen in Afrika und Syrien nach Europa.

Die Flüchtlingspolitik spaltet die Republik

Als Anfang September Zehntausende gestrandete Flüchtlinge von Budapest aus zu Fuß Richtung Österreich und Deutschland aufbrechen, entscheidet Merkel in Absprache mit der Regierung in Wien, die Menschen nach Deutschland einreisen zu lassen. Was als Notmaßnahme gedacht war, wird zum monatelangen Dauerzustand. Durch Europa ziehen Flüchtlingstrecks, in Deutschland werden am Jahresende 2015 etwa 800.000 Menschen Zuflucht gesucht haben.

Die Flüchtlingspolitik führt zu einem tiefen Zerwürfnis innerhalb der Union und des ganzen Landes. Während Merkel auf einem „freundlichen Gesicht“ gegenüber den Flüchtlingen besteht und mehrfach wiederholt: „Wir schaffen das“, fordert CSU-Chef Horst Seehofer eine „Obergrenze“ von 200.000 Menschen im Jahr und eine Schließung der Grenzen.

In den Umfragen unter der Bevölkerung halten sich Willkommenskultur und Skepsis anfangs die Waage. Die Silvesternacht von Köln lässt die Stimmung gegen die Ankömmlinge kippen, auch wenn die sexuellen Übergriffe auf der Domplatte nicht von neuen Flüchtlingen ausgehen.

Erstmals geraten die Volksparteien ins Wanken

Der Konflikt zwischen CDU und CSU steigert sich bis hin zu Seehofers Vorwurf, Merkels Politik sei eine „Herrschaft des Unrechts“. Er erreicht seinen sichtbaren Höhepunkt auf dem CSU- Parteitag 2015, als der CSU-Chef die Gastrednerin Merkel auf offener Bühne abkanzelt. Formal beigelegt wird der Streit erst nach der nächsten Bundestagswahl in einem Kompromisspapier, das mit einigen Abwandlungen heute im neuen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD amtliche Regierungslinie ist.

Die Flüchtlingskrise prägt die Regierungszeit des dritten Kabinetts Merkel so stark, dass andere Probleme und Fragen weit dahinter zurücktreten. Innenpolitisch lässt sie die rechtspopulistische AfD auferstehen. Der Koalitionspartner SPD trägt den Kurs Merkels und der CDU-Mehrheit mit. Bei den wichtigen Landtagswahlen 2016 kommen beide Volksparteien in Schwierigkeiten. Vor allem in Ostdeutschland triumphiert die AfD.

Merkels Ansehen bleibt trotz alledem hoch. Erst als die SPD überraschend den EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten und 100-Prozent-Parteichef kürt, scheinen ihre Tage plötzlich gezählt.

2017 - 2021: Vom Jamaika-Traum zur kleineren großen Koalition

Bundeskanzlerin Angela Merkel, einen Tag bevor sie zum vierten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt wird.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, einen Tag bevor sie zum vierten Mal als Bundeskanzlerin vereidigt wird.

© Florian Gärtner/ imago/photothek

Der „Schulz-Effekt“ erwischt zum Jahresanfang 2017 eine CDU-Chefin, die sich gegen eigene Zweifel zur vierten Kanzlerkandidatur entschlossen hat. Merkel war sich über die Ablehnung im Klaren, die sie bis tief ins eigene Wählerlager hinein auslöste. Sie hatte miterlebt, wie sich Helmut Kohl 1998 in ein aussichtsloses Rennen gestürzt hatte.

Den Ausschlag, es trotzdem noch einmal zu versuchen, gaben die Weltlage, die Lage in der CDU und wahrscheinlich auch ein bisschen Trotz. Der Brexit in Großbritannien, Trump in Washington, Rechtsausleger in Wien, Amsterdam und Paris auf dem Vormarsch – da wirkte die deutsche Dauer-Kanzlerin wie ein Anker im Sturm. In der CDU bot sich kein Nachfolger an. Und als die Flüchtlingskanzlerin abtreten mochte sie nicht.

Was folgte, war eine politische Achterbahnfahrt mit angeschlossener Geisterbahn. Der Wunder-Martin schrumpfte binnen weniger Monate zum Herrn Schulz aus Würselen; drei spektakuläre CDU-Wahlerfolge an der Saar, an Rhein und Ruhr und an der Kieler Förde brachten den SPD-Kandidaten dorthin, wo schon seine beiden Vorgänger gestanden hatten – auf aussichtslosen Posten.

Bei der Wahl gibt es eine herbe Quittung für Merkel

Aber auch Merkels Aufschwung erwies sich als Scheinblüte. In den letzten Wochen dominierte das erledigt geglaubte Flüchtlingsthema plötzlich den Wahlkampf. Merkel bekam eine späte und herbe Quittung: den zweiten Negativ-Rekord für die CDU.

Nur weil Seehofers CSU noch stärker verlor und die SPD fast unter Volksparteiniveau absank, blieben Rücktrittsforderungen aus. Als FDP-Chef Christian Lindner mit viel Wortgetöse aus den Jamaika-Verhandlungen ausstieg, stabilisierte er die CDU-Chefin ungewollt weiter. Schulz’ ansehnliche Liste politischer Stockfehler schließlich trug dazu bei, dass sich in der SPD am Ende doch die Regierungspragmatiker gegen die Oppositionssehnsucht durchsetzten.

Für die Kanzlerin beginnt die vierte Amtsperiode damit fast als Déja-vu der ersten: Noch mal davongekommen wie vor zwölf Jahren, mit einem knurrigen Partner SPD, der zur demonstrativen Selbstbehauptung fest entschlossen ist, und mit einer Schwesterpartei CSU, die im Landtagswahlmodus noch weniger familientauglich auftritt als sonst.

Parteiintern hat sie die Weichen für ihre Nachfolge gestellt

Das lange halbe Jahr Regierungsbildung hat zusätzlich Kraft und Zeit gekostet. Innenpolitisch lässt sich vieles durch zügige Gesetzgebung aufholen, außen- und europapolitisch drängen Termine: EU-Reform bis zum Herbst, Brexit in einem Jahr, Europawahl 2019. In der CDU hat Merkel Weichen für ihre Nachfolge gestellt nach dem Motto, dass jeder bitte selber seines Glückes Schmied sein muss. Konservativen-Liebling Jens Spahn kann sich also im Kabinett bewähren oder auf Durchschnittsmaß stutzen. Annegret Kramp-Karrenbauer hat als Generalsekretärin eine Basis bekommen, von der Merkel aus eigener Erfahrung weiß, welche Chancen der Posten in Zeiten des Übergangs bietet.

Und dann ist da natürlich noch die allfällige Krise. Wie es ihr Wesen ist, kennt sie keiner im Voraus. Doch Merkel rechnet recht fest damit, dass sie kommt. Alles andere würde ja auch zwölf Jahren Regierungserfahrung widersprechen.

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