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Wahl im Iran: Wer ist Ahmadinedschad?

Bescheiden, fleißig und fromm soll er sein. Manche bezeichnen ihn auch einfach als Lügner. Israel ist für ihn ein „Krebsgeschwulst“. Jetzt hat er die Wahl im Iran gewonnen. Wer ist Ahmadinedschad?

GEBOREN

Mahmud Ahmadinedschad wurde am 28. Oktober 1956 in Aradan, etwa 60 Kilometer nördlich von Teheran, geboren.

AUSBILDUNG

Er ging auf eine Privatschule und absolvierte von 1986 bis 1989 an der „Universität der Wissenschaft und Industrie“ in Teheran ein Studium zum Bauingenieur, wo er 1997 auch promovierte. 2003 wurde er dann Bürgermeister von Teheran. Zwei Jahre später setzte er sich in einer Stichwahl durch und wurde Präsident.

FAMILIE

Ahmadinedschad ist verheiratet und hat drei Kinder.

WAS HAT IHN GEPRÄGT?

Ahmadinedschad stammt aus einfachen Verhältnissen. Zunächst besaß die Familie in dem Provinzstädtchen Aradan einen kleinen Lebensmittelladen. Nach einigen Jahren zog sie nach Teheran und ließ sich im Arbeiterviertel Narmak nieder. Vater Ahmadinedschad verdiente sein Geld als Schmied, Sohn Mahmud, das vierte unter sieben Geschwistern, arbeitete sich mit zähem Fleiß nach oben. Während seines Studiums an der Universität prägte ihn vor allem der Denker Ali Schariati, ein in Paris ausgebildeter iranischer Philosoph, der Marxismus und antikoloniale Rhetorik zu einer Art islamischer Befreiungstheologie verschmolz. Nach Schariatis Tod wurde Ajatollah Chomeini das neue Vorbild des jungen Schahgegners. Mit der Revolution von 1979 begann sein beruflicher Aufstieg. Zunächst bekleidete er mehrere Verwaltungsposten in der Provinz Westaserbaidschan, bevor er 1993 Gouverneur der Provinz Ardabil am Kaspischen Meer wurde. Nach dem Wahlsieg von Reformpräsident Mohammed Chatami verlor er 1997 dieses Amt, kehrte in die iranische Hauptstadt zurück und begann, als Hochschuldozent zu arbeiten. 2003 berief ihn das Stadtparlament zum Bürgermeister von Teheran. Das damit verbundene Gehalt lehnte er ab, er blieb demonstrativ bei seinem bescheidenen Uni-Salär.

Der selbsternannte „Diener des Volkes“ läuft stets in einer Windjacke herum und nicht in feinem Zwirn wie die übrigen Mächtigen des Staates. Bevor er 2005 als erster Nichtkleriker zum Präsidenten gewählt wurde, hatte er noch nichts von der Welt gesehen. Ein einziges Mal war er im Ausland – für ein paar Tage im Nachbarland Irak. Der iranischen Öffentlichkeit präsentierte sich der damals völlig unbekannte neue Staatschef als Besitzer eines betagten Peugeots und Inhaber von zwei Bankkonten – das eine leer und das andere für das Dozentengehalt. Als Präsident beendete er die Praxis, ausländische Staatsgäste in der ehemaligen Prunkresidenz des Schahs im Norden Teherans zu empfangen. Auch die antiken persischen Teppiche im Präsidentenpalast ließ er ins Museum schaffen. Ahmadinedschad gilt als harter Arbeiter, der oft schon vor Sonnenaufgang ins Büro fährt und selten vor Mitternacht heimkommt.

WER SIND SEINE ANHÄNGER?

Den größten Rückhalt hat der iranische Präsident auf dem Land und bei den ärmeren Schichten in den Städten. Kein Staatschef vor ihm ist so oft in die Provinz gereist und hat sich wie ein Landesvater der Sorgen der Armen angenommen. Die Fernsehbilder von Menschen, die ihm Bittbriefe übergeben und sich später mit Tränen und stockender Stimme für das Geld vom Präsidenten bedanken, sind Legion. „Gerechtigkeitsaktien“ nennt Ahmadinedschad diese Sozialschecks in Höhe von umgerechnet 25 bis 50 Euro pro Kopf, die ihn unter den einfachen Leuten zu einem Idol gemacht haben. Für die meisten Bewohner auf dem Lande ist das Staatsfernsehen die einzige Quelle der Information. Satellitenschüsseln sind die Ausnahme, Internet gibt es selten. Wer mit Anhängern von Ahmadinedschad redet, erhält immer die gleichen Antworten: Der Mann ist bescheiden und ehrlich, wirtschaftet nicht in die eigene Tasche und kümmert sich um die kleinen Leute – und ist obendrein noch fromm. Viele Menschen halten ihm zugute, dass er den Iran endlich auf den Platz gebracht hat, der ihrem Land international zusteht. Unter seiner Regie stieg Persien zur regionalen Vormacht auf, steht an der Schwelle zum Atomstaat und gehört seit kurzem dem erlesenen Club jener zwölf Nationen an, die einen Satelliten ins All schießen können.

WAS IST SO PROVOKANT AN

AHMADINEDSCHAD?

An keinem Punkt des Wahlkampfes wurde der Grundsatzkonflikt zwischen Ahmadinedschad und seinem Herausforderer Mir-Hossein Mussawi so deutlich wie bei dem inzwischen legendären Fernsehduell am 3. Juni. Die Straßen in den Städten waren leergefegt, die Bürger erlebten einen Amtsinhaber, der nervös auf seinem Stuhl herumrutschte und verbal um sich schlug. Fast alle Regierungen der vergangenen 24 Jahre seien „korrupt und unfähig“ gewesen, donnerte er, bis ihm sein Kontrahent Mussawi kühl in die Parade fuhr. „Sie haben die Würde der iranischen Nation zerstört. Sie haben Spannungen mit vielen anderen Ländern erzeugt, so dass wir heute nicht einen einzigen Freund mehr in der Region haben.“ Eine solche Kritik hat sich noch nie ein iranischer Präsident öffentlich im Staatsfernsehen anhören müssen. Die Außenpolitik sei „Abenteurerei, Protzerei und Extremismus“, setzte Mussawi nach – Sätze, die Ahmadinedschad mit eisigem Grinsen quittierte.

Nicht nur in moderaten politischen Kreisen des Iran, auch in Europa, Israel und den USA sorgte der Präsident in den vergangenen vier Jahren mit seinen Provokationen immer wieder für Aufsehen. Er trieb das iranische Atomprogramm voran, führte die Kontrolleure der internationalen Atomenergiebehörde immer wieder an der Nase herum. Irans Anstrengungen, den nuklearen Kreislauf zu beherrschen, sei ein „Zug ohne Bremsen und ohne Rückwärtsgang“, pflegte er zu behaupten. Der internationale Verdacht, der Iran bastele insgeheim an einer Atombombe, trug dem Land drei Runden von UN-Sanktionen ein. Doch Ahmadinedschad gab sich stets ungerührt. Mehrfach ließ er zuletzt Mittelstreckenraketen testen, die bis nach Israel und Europa fliegen können. Israel bezeichnete er als „Krebsgeschwür“, was „aus den Annalen der Geschichte verschwinden“ müsse. Immer wieder nannte er den Holocaust einen Mythos. In einer seiner letzten Wahlreden bezichtigte er seine drei Rivalen um das Präsidentenamt, sie benutzten „Propagandataktiken wie Hitler und Goebbels“, um die Öffentlichkeit gegen ihn aufzuwiegeln. Die Herausforderer warfen Ahmadinedschad im Gegenzug vor, das Volk zu belügen und die Wirtschaft ruiniert zu haben. Die Arbeitslosenrate liegt bei 12,5 Prozent und die Inflation bei über 25 Prozent, einem der höchsten Werte der Welt. Viele junge Leute haben nach dem Studium nur noch einen Gedanken – auszuwandern.

WAS KANN DER WESTEN ERWARTEN?

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat seit seiner Amtseinführung im Januar eine ganze Serie positiver Signale an die muslimische Welt gesandt, zuletzt in seiner Grundsatzrede in Kairo. Dem arabischen Sender Al Arabiya sagte er, die USA hätten der Region zu oft ihre Politik diktiert und müssten künftig mehr zuhören. Im März wandte sich der Chef des Weißen Hauses dann mit einer Videobotschaft an das iranische Volk und die iranische Führung und bot einen Neubeginn der Beziehungen in gegenseitigem Respekt an. In einer Rede vor dem türkischen Parlament erklärte Obama, „die Vereinigten Staaten sind nicht im Krieg mit dem Islam – und werden es niemals sein“. In Kairo schließlich räumte er als erster US-Präsident ein, sein Land habe 1953 die demokratisch gewählte Regierung von Mohammad Mossadegh aus dem Amt geputscht.

Vor allem während der turbulenten Schlussphase des iranischen Wahlkampfes erlegte sich das Weiße Haus eisernes Schweigen auf, auch wenn inzwischen angebliche Pläne durchsickerten, man wolle dem Iran eine internationale Kooperation bei der Urananreicherung anbieten. Wie Ahmadinedschad auf künftige Offerten aus Washington reagieren wird, kann heute niemand sagen. Vermutlich wird sich der Iran jedoch flexibler als bisher zeigen, auch weil man in Teheran weiß, dass Obama wegen seines weltweiten Prestiges in der Lage sein wird, wirklich schmerzhafte Sanktionen zu organisieren. Ein Instrument zumindest hat die internationale Staatengemeinschaft gegen Teheran bisher noch nicht eingesetzt – einen Lieferstopp für Benzin. Der viertgrößte Ölexporteur der Welt kann nur zwei Drittel seines Spritbedarfs mit eigenen Raffinerien decken. Den Rest muss er im Ausland zukaufen. Würde dieser Hahn zugedreht, würde das im Iran alle treffen.

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