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Der republikanische Kandidat in Alabama, Roy Moore.

© Joe Raedle/Getty Images/AFP

Wahl in Alabama: "Die Nationalisten gewinnen in der republikanischen Partei an Einfluss"

Avik Roy ist ein Kenner der republikanischen Partei. Im Interview erklärt er, warum Ultra-Rechte wie Roy Moore derzeit stark sind - aber nur kurzfristig.

Von Anna Sauerbrey

Herr Roy, in den Vereinigten Staaten läuft gerade eine Serie von Vorwahlkämpfen für den Senat, am Dienstag wird in Alabama ein neuer Senator gewählt. Dort tritt der ultra-konservative Roy Moore an, gegen den mehrere Frauen Missbrauchsvorwürfe erheben. In vielen dieser Vorwahlkämpfe setzen sich Trumpisten oder ultra-konservative gegen moderate Republikaner durch. Was heißt das für die Partei?

Ich würde gern zunächst einen Schritt zurücktreten und ein paar Worte sagen zu der ideologischen Spaltung, mit der wir es hier innerhalb der republikanischen Partei zutun haben. Ich glaube, es ist nicht richtig, diese Spaltung als Spaltung zwischen dem Trumpismus und dem republikanischen Establishment zu beschreiben. Es gibt mindestens drei Gruppen, wenn nicht vier: Da sind die Liberalen, die Moderaten und die Nationalisten. Die Republikaner waren eigentlich in der Vergangenheit keine nationalistische Partei. Der Nationalismus kam als ökonomischer Nationalismus eher bei den Demokraten vor. Trump aber hat sich dieses Konzept zu Eigenen gemach. Er wird ja oft belächelt, weil er eine, sagen wir, eher spontane Art zu sprechen hat. Aber seine Ideologie ist durchaus kohärent.

Und was wäre die vierte Gruppe?

Die Pragmatiker. Sie verhalten sich loyal zu jenen Kandidaten, die in einem bestimmten Staat eine Chance gegen die Demokraten hätten.

Wie gravierend ist die Lage für die republikanische Partei?

Was wir beobachten ist, eine Entwicklung hin zu eher europäischen Verhältnissen politischer Spaltung: In Europa ist bereits sehr deutlich, dass sich das Links-Rechts-Schema zugunsten einer Spaltung zwischen Nationalisten und global orientierten Wählern auflöst. Diese Spaltung betrifft nicht nur die Republikaner, sie berührt auch die demokratische Partei in ihrem Kern. Der Vorwahlkampf Clinton gegen Sanders hat diese Unterschiede ziemlich genau abgebildet. Und wenn es in den nächsten Jahren keinen klaren Kandidaten gibt, wird diese Debatte kommen, das ist sicher. Beide Parteien müssen sich mit den Nationalisten in ihren Reihen auseinandersetzen.

Warum sind die Nationalisten gerade jetzt so stark?

Die Menschen in den Vereinigten Staaten spüren die Kräfte der globalen Märkte sehr stark. Das ist nicht neu, die Spaltung wird aber jetzt besonders sichtbar, weil die Wahlkämpfe, nach denen Sie fragen, größtenteils in südlichen Staaten stattfinden, in Alabama, Arizona, Tennessee. In den USA ist die Zugehörigkeit zur demokratischen oder republikanischen Partei eigentlich ein Artefakt. Sie wurde zunächst regional bestimmt, dann, seit Reagan, ging es eher um ideologische Zugehörigkeit. Jetzt dreht sich das gerade wieder und die regionale Zugehörigkeit spielt wieder eine größere Rolle. Die Republikaner setzen wieder auf Themen, die in den Südstaaten besonders wichtig sind – wie zum Beispiel die Frage, ob konföderierte Flaggen verboten werden sollten.

Was meinen Sie, wer hat derzeit die Oberhand in der republikanischen Partei?

Das ist schwer zu sagen. In den Staaten, die jetzt gerade relevant sind, scheinen Nationalisten die Oberhand zu haben. Allerdings gehören sie auch zu den besonders engagierten Wählern – und an den Vorwahlen beteiligen sich vor allem die besonders Engagierten. Das verzerrt das Bild etwas. Aber man muss auch feststellen, dass moderate Kandidaten wie Jeff Flake in Arizona oder Bob Corker in Tennessee ihren Wahlkampf aufgeben – weil sie wissen, dass sie keine Chance haben.

Übernehmen die Nationalisten auf längere Sicht die republikanische Partei?

Sie haben im Moment Erfolg – aber ich glaube nicht, dass das so bleiben wird. Die Wähler, die jetzt besonderen Einfluss haben und besonders zahlreich sind, sind in den 40er, 50er und 60er Jahren aufgewachsen, in einer ethnisch ziemlich homogenen Gesellschaft, die noch von der Segregation geprägt war, in der alle Leute, die irgendeinen Rang hatten, Weiße waren. Aber in 20 Jahren werden die nächsten Generationen, die Generation X und die Jahrtausendwende-Generation, tonangebend sein. Und die kommen mit der pluralen Gesellschaft, gegen die sich der neue Nationalismus ja auch wendet, bestens klar. Unter ihnen werden auch viel mehr Schwarze, Hispanics und Angehörige anderer Gruppen sein, die heute als Minderheiten gelten – in 20 Jahren werden sie zusammen die Mehrheit sein.

Steven Bannon, Trumps ehemaliger Chefideologe, unterstützt gezielt radikale Kandidaten durch Auftritte und seine Newsseite „Breitbart“. Welchen Anteil hat er an der Kräfteverschiebung?

Bannon ist nicht die Ursache dieser Kräfteverschiebung, aber man muss ihm lassen, dass er die ideologische Spaltung viel früher erkannt hat als viele andere und geschickt damit spielt.

Im Herbst 2018 wird ein neuer Kongress gewählt. Werden die Ultra-Rechten ihn auf der republikanischen Seite dominieren?

Ja, wir werden wohl erleben, dass die Nationalisten im nächsten Kongress im Vergleich zu heute an Gewicht gewinnen. Das heißt aber nicht unbedingt, dass der Nationalismus in den Vereinigten Staaten an sich wächst, eine Subströmung war er schon immer. Aber er gewinnt an Sichtbarkeit und Einfluss. Das eigentlich interessante Jahr aber ist 2020. Wenn Trump die Wahl gewinnt, wird die Partei sich halbwegs hinter ihm vereinen. Wenn er die Wahl verliert, wird der Kampf zwischen den beiden Lagern offen ausbrechen.

Sie gehen davon aus, dass Trump 2020 wieder Kandidat wird?

Er wird wieder Kandidat, ein anderes Szenario ist im Moment unvorstellbar. Es gibt keinen Republikaner, der Trump herausfordern könnte. Das einzige, was ich mir vorstellen könnte, wäre, dass ein moderater Republikaner wie John Kasich 2020 als unabhängiger Kandidat ins Rennen geht.

Herr Roy, herzlichen Dank für das Gespräch.

Avik Roy ist ein Kenner der republikanischen Partei. Als Experte für Gesundheitspolitik hat er unter anderem die Wahlkampfteams von Mitt Romney und Marco Rubio beraten. Heute leitet er die Denkfabrik “Foundation for Research on Equal Opportunity” mit Sitz in Austin, Texas

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