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Wahl in Florida: Kampf um den Senioren-Staat

Die Entscheidung bei der US-Wahl könnte wieder in Florida fallen. Dabei kommt den Senioren eine Schlüsselrolle zu. Wie Barack Obama und John McCain Ruheständler umgarnen.

Florida rüstet sich für die Wahlschlacht 2008. Der Sonnenscheinstaat im Süden der USA hat wegen seiner hohen Einwohnerzahl bei der Präsidentschaftswahl am 4. November so viel Gewicht wie kaum ein anderer US-Staat. Wer hier gewinnt, könnte als Gesamtsieger hervorgehen. Wenn der Kurs der Weltmacht USA bei der Wahl am 4. November neu bestimmt wird, haben die Alten ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, denn in Florida leben mehr Senioren als irgendwo sonst im Land. Jeder Dritte hier ist über 60 Jahre alt, und diese Älteren werden von den Kandidaten Barack Obama und John McCain intensiv umworben. Der Weg ins Weiße Haus führt über die Seniorenresidenzen unter Floridas Sonne, die Ruheständler aus kälteren Landesteilen in Massen anzieht.

Längst hat das Wahlkampffieber auch die Seniorenwohnanlage Century Village in Pembroke Pines bei Miami erreicht. "Ich bin bereit, ich mag Veränderung", sagt die 83-jährige Sophie Bock. "Warum soll man immer die ausgetretenen Pfade weitergehen?" Die rüstige New Yorkerin ist Vorsitzende der Demokraten in Century Village, sie macht Werbung für den jungen Kandidaten Barack Obama, von dem sie sich bessere soziale Absicherung für Senioren verspricht. Auf der anderen Seite des künstlichen Ententeichs hegt die 79-jährige Republikanerin Pat McCafferty ganz andere Ansichten: "Ich mag lieber John McCain, er ist ehrlich, und er ist ein Kriegsheld", sagt die Veteranenwitwe.

Senioren als Zünglein an der Waage

Die gegenläufigen Ansichten der rüstigen Rentner von Florida sind mehr als nur eine Fußnote im Wahlkampfgeschehen. In Florida leben drei Millionen Senioren, meist Ruheständler aus dem kälteren Norden. Sie könnten das Zünglein an der Waage werden. Bei der Chaos-Wahl im Jahr 2000 gaben gerade mal 537 Stimmen Vorsprung aus Florida den Ausschlag für den Gesamtsieg von George W. Bush gegen Al Gore. Auch 2004 ging der Staat an die Republikaner. Die Demoskopen sind sich einig: Sollte Obama den Staat diesmal für die Demokraten gewinnen, wäre ihm eine Mehrheit in dem 538 Mitglieder umfassenden Wahlleutegremium und damit die Präsidentschaft so gut wie sicher.

Obama ist deshalb mit beispiellosem Aufwand in Florida präsent: Mehr als 30 Millionen Dollar (22,3 Millionen Euro) will er aus seinem Wahlkampfetat allein dorthin pumpen, das ist ein neuer Rekord. Die älteren Wähler lockt er mit dem Versprechen einer besseren Krankenversicherung und mit Steuernachlässen. McCain stellte seinerseits diese Woche einen neuen Plan vor, der unter anderem eine Senkung der Steuer für Kapitalerträge vorsieht. Das verspricht Erleichterung für Millionen von US-Rentnern, die einen Teil ihrer Altersversicherung in Aktien angelegt haben und nun durch die Kursstürze verängstigt sind.

Finanzkrise verunsichert die Senioren

Die Finanzkrise hat das Rennen in Florida gehörig durcheinander gewirbelt. Zunächst war der 72-jährige Politikveteran McCain dort als großer Favorit ins Rennen gegangen - nicht überraschend, wie die Politikprofessorin Susan McManus von der University of South Florida findet: "Die älteren Wähler haben selbst einige der schwierigsten Zeiten der US-Geschichte miterlebt, etwa die große Depression oder den Zweiten Weltkrieg", sagt sie. Deshalb müsste ein erfahrener Politiker wie McCain in dem eher konservativen Bundesstaat eigentlich Vorteile haben.

Doch der Wind über den Palmenküsten weht plötzlich aus einer anderen Richtung: In den vergangenen Wochen setzte sich überraschend Obama an die Umfragen-Spitze, die Wähler trauen ihm mehr Wirtschaftskompetenz zu als dem Sicherheitspolitiker McCain. In der Seniorenanlage Century Village hat sich Rentnerin Lucy Meyer, die ihr Alter lieber nicht verraten will, gegen McCain entschieden - auch wegen seines Alters. "Je älter man wird, desto wahrscheinlicher ist das Ableben", sagt Meyer. Sie fürchtet, dass in diesem Fall McCains junge Vizekandidatin Sarah Palin ins Präsidentenamt nachrückt. "Sie hat wirklich keine Erfahrung", urteilt die Rentnerin.

Ruth Morris[AFP]

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