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Olaf Scholz und die SPD sind die Sieger der Wahl in Hamburg.

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Wahl in Hamburg: Olaf Scholz macht es Berlin vor

Der Sieg von Olaf Scholz strahlt über die Stadt hinaus, weil Hamburg unter ihm ein sozialdemokratisches Zukunftslabor wurde. Wie moderne Stadtpolitik und klare Führung zusammengehen, wird in Berlin auch den Regierenden Bürgermeister Michael Müller interessieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Sein Erfolg stand nicht infrage, doch für die erhoffte absolute Mehrheit der Mandate hat es nicht gereicht. Hamburgs Erster Bürgermeister muss mit einem Partner regieren – und in der Bürgerschaft wird es bei sechs Parteien lebhafter. Dennoch bleibt es ein Sieg für Olaf Scholz, der über den Stadtstaat ausstrahlt, weil Hamburg unter ihm ein sozialdemokratisches Zukunftslabor wurde. Von solch einem Ergebnis können die SPD im Bund und ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel nur träumen. Wer selbst eingemauert ist im 25-Prozent-Kerker, dem erwächst mit dem strahlenden Gewinner aus Hamburg eine Konkurrenz. Denn der 2011 aus der Bundespolitik an die Elbe zurückgekehrte Scholz hat durchaus das große Ganze im Blick. Ein Gegenentwurf zum emotionalen Gabriel ist Scholz mit seiner hanseatischen Kühle und faktensicheren Glaubwürdigkeit längst. Zumindest für die Zeit nach Merkel, wenn die SPD wieder Chancen hat.

Für die kommenden fünf Jahre, so hatte es Scholz schon vorab angekündigt, strebt er eine Koalition mit den Grünen an. Das, befürchtet vor allem die Wirtschaft, wird das Regieren schwieriger machen. Entscheidend wird sein, einen Kompromiss über die von der SPD geforderte Elbvertiefung zu finden, um auch den größten Containerschiffen die Anfahrt zu ermöglichen. Das lehnen die Grünen bisher ab.

Desaster mit Ansage für die CDU

Für die Christdemokraten war dieser Wahlsonntag ein Desaster mit Ansage. Das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit zeigt, wie wenig Kompetenz die 1,3 Millionen Wahlberechtigten in Hamburg noch bei der CDU verorten – anders als 2004, als Ole von Beust das Vertrauen von über 47 Prozent der Wähler bekam. Auch das muss die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel beunruhigen, gerade in der Hansestadt mit ihrem starken Bürgertum. Alle deutschen Großstädte verzeichnen starke Bevölkerungszuwächse, doch in keiner der zehn einwohnerstärksten Städte regiert ein Bürgermeister der CDU.

Dass die FDP weiter in der Bürgerschaft vertreten ist, rechnet sich FDP-Chef Christian Lindner als Erfolg seines Erneuerungskurses zu. Der Wiedereinzug ist umso höher einzustufen, als sich die Liberalen in der Hansestadt im vergangenen Jahr gespalten hatten und Spitzenkandidatin Katja Suding weniger mit Inhalten als mit der peinlichen Filmszene aus „Drei Engel für Charlie“ auffiel. Dass die AfD-Populisten als Erben der Schill-Partei erstmalig in ein westdeutsches Landesparlament einziehen, wird allen Parteien zu schaffen machen - auch über Hamburg hinaus.

Das Hamburger Beispiel dürfte auch Michael Müller interessieren

Wie moderne Stadtpolitik und klare Führung zusammengehen, wird in Berlin auch den Regierenden Bürgermeister interessieren. Michael Müller darf sich fragen, was seine seit 25 Jahren regierende SPD falsch macht, dass sie seit langem nicht über 30 Prozent Wählerzustimmung hinauskommt. Denn in den beiden größten deutschen Städten, durchaus im heimlichen Konkurrenzkampf, gleichen sich viele Herausforderungen. Hamburg antwortet auf die wachsende Bevölkerung mit großflächigen Entwicklungskonzepten und dem Bau von jährlich 6000 Wohnungen. Davon sind 2000 Sozialwohnungen – anders als in Berlin, das erst jetzt damit beginnt. Schon seit Jahren gilt dort für Mietwohnungen ein – in Berlin noch nicht verabschiedetes – Umwandlungsverbot, um die heißgelaufenen Mietpreise abzukühlen und Verdrängung zu verringern. Mit einem ehrgeizigen Programm soll der öffentliche Busverkehr schneller und attraktiver werden. Seit 2011 wurden auch 60000 Arbeitsplätze geschaffen, die Stadt wird die Energienetze kaufen und der Haushalt erzielt Überschüsse. Der wirtschaftsnahe Kurs hat Unternehmer und das Bürgertum überzeugt, und mit dem Erwerb des umkämpften Stadtteilzentrums „Rote Flora“ durch die Stadt wurde die linksautonome Szene befriedet. Wenn Hamburg im März auch noch den Zuschlag bei der Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 bekommt, wird Deutschlands heimliche Hauptstadt wohl an der Elbe liegen.

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