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Politik: Wahl in Jugoslawien: Wenn Milosevic die Wahl "gewinnt", wird Serbien zum Irak mitten in Europa (Kommentar)

Am Tag nach der Schicksalswahl wird es in Serbien zwei Sieger geben: Die Belgrader Staatsmedien werden in der Nacht auf Montag den "überwältigenden Triumph" von Slobodan Milosevic feiern. Und auch der oppositionelle Herausforderer Vojislav Kostunica und seine Anhänger werden den Sieg erklären.

Am Tag nach der Schicksalswahl wird es in Serbien zwei Sieger geben: Die Belgrader Staatsmedien werden in der Nacht auf Montag den "überwältigenden Triumph" von Slobodan Milosevic feiern. Und auch der oppositionelle Herausforderer Vojislav Kostunica und seine Anhänger werden den Sieg erklären. Kostunica dürfte an der Urne zwar die meisten Stimmen bekommen. Doch bei der Auszählung der Stimmen werden keine unabhängigen Beobachter und möglicherweise auch keine Vertreter der Opposition dabei sein. So wird der Autokrat im ersten Wahlgang "gewinnen".

Die wichtigste Frage lautet daher: Wie wird sich die Opposition nach dem absehbaren Wahlbetrug verhalten? Vojislav Kostunica erschien bisher nicht als der Politiker, der die Massen auf die Straße führen kann. Vielleicht wächst er in dieser schwierigen Situation, vielleicht wird ihn die Straße auch einfach in die Führungsrolle zwingen.

Ob es zu solchen Massenprotesten gegen die Wahlfälschung kommen wird, ist allerdings offen. Nach vier Kriegen und zehn Jahren Sanktionen ist die Apathie groß. Für Serbien steht jedoch alles auf dem Spiel. Siegt der Autokrat, bleibt das Land noch lange in seiner Geiselhaft. Jahr für Jahr wird weiter Substanz verloren gehen, die Wirtschaft noch desolater werden, und noch mehr Jüngere emigrieren. Serbien wird dann zu einer Art Irak in Europa, und die ganze Region destabilisieren.

Im günstigsten Fall setzen sich Kostunica und die Straße durch. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Wahlbetrug diesmal zu dreist ausfallen und im Umfeld des Autokraten eine Absetzbewegung beginnen wird. Bisher reichten kleinere Betrügereien, um den Schein der Popularität des Regimes zu wahren. Doch heute steht der Kaiser ohne Kleider da. Einige am Hof könnten unter diesen Umständen die Angst vor dem lange unangefochtenen Herrscher verlieren. Milosevic müsste dann seine Niederlage eingestehen und sich zurückziehen.

Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein. Deshalb glaubt derzeit in Serbien kaum jemand an einen kampflosen, gewaltfreien Abgang des Autokraten. Denn das würde das "Prinzip Milosevic" aufheben: den Machterhalt um jeden Preis. Milosevic kann sich zudem auf einen harten Kern treu ergebener Anhänger stützen, die durch Privilegien und Mitverantwortung an sein Schicksal gebunden sind.

Sollte trotzdem Kostunica dank des Drucks von der Strasse das Präsidentenamt übernehmen können - er wäre nicht viel mehr als eine Übergangsfigur. Kostunica würde die Rückkehr Serbiens in die Staatengemeinschaft einleiten. Die Vertreter der EU haben mit ihrem Angebot, nach einem Wahlsieg der Opposition die Sanktionen aufzuheben, die Hand bereits ausgestreckt. Auf dem schmerzlichen Weg zurück nach Europa werden allerdings neue Kräfte in Erscheinung treten müssen. Unbekannte, die nicht durch die nationalistischen Sünden der heutigen Politikergeneration Serbiens belastet sind.

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