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Angela Merkel.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Wahl in Mecklenburg-Vorpommern: Das Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels?

AfD-Wähler wissen, dass ihr Votum eigentlich keine Entscheidung für eine politische Alternative ist. Niemand wird mit der Partei koalieren. Es geht um etwas anderes. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

War das nun eine Katastrophe mit Ansage, oder ist es gerade noch einmal gut gegangen, weil SPD und CDU eine Mehrheit für eine Fortsetzung ihrer Koalition bekommen haben? Und war das AfD-Ergebnis in Sachsen-Anhalt mit 24,3 Prozent nicht noch schlimmer? Das ist ein schwacher Trost, das ist letztlich Selbstbetrug. Denn wer AfD wählt, weiß, dass dies eigentlich keine Entscheidung für eine politische Alternative ist – niemand wird mit dieser Gruppierung koalieren. Aber die rechten Parolen funktionieren auch so. Je mehr die etablierten Parteien, in der irrigen Hoffnung, so die AfD klein machen zu können, politische Positionen der Rechten übernehmen, geben sie den Hetzereien der Gaulands, von Storchs und Gefolge ja nach. Und die können sich dann wieder bestätigt fühlen.

Noch einen perversen Nebeneffekt hat dieses Wahlergebnis: Die AfD wurde nur deshalb nicht noch stärker, weil die Wahlbeteiligung lediglich verhalten stieg. Steigende Wahlbeteiligungen, so die politische Theorie, sind aber gut für die Demokratie. Wahlenthaltung hingegen ein Indiz für Bürgerferne der um Mandate werbenden Parteien. Wenn also die Wahlbeteiligung wegen der AfD steigt, ist das eine Ohrfeige für die Volksnähe von CDU, SPD, Linken und Grünen.

Das Ergebnis zeigt: Ressentiments brauchen keinen konkreten Anlass

In Mecklenburg-Vorpommern zeigt sich aber auch wie schon zuvor in Sachsen-Anhalt, dass ein Ressentiment keinen konkreten Anlass brauchte. Dass es reicht, wenn von Populisten eine imaginäre Gefahr zum unmittelbar die eigene kleine Existenz bedrohenden Schreckgespenst aufgeblasen wird. Weder in Sachsen-Anhalt noch an der Ostseeküste gibt es eine nennenswerte Zahl von Ausländern. In Mecklenburg-Vorpommern sind zudem alle wirtschaftlichen Kerndaten positiv. Der Tourismus boomt, der Dienstleistungbereich trägt mit 75 Prozent mehr zur Wirtschaftsleistung bei als in irgendeinem anderen Bundesland. Fremdenfeindlichkeit passt dazu überhaupt nicht. Aber auch dies stimmt: Die prosperierende Küstenregion und der von der Strahlkraft Hamburgs profitierende Westen des Landes sind das eine, die Frustration des vorpommerschen Hinterlandes das andere. Verödende Dörfer, eine die regionale Identität gefährdende Verwaltungsreform, der Wegzug der jungen, gut ausgebildeten Frauen führen bei den Zurückbleibenden zu einem dumpfen Gefühl des Abgehängtseins.

Und dann kommt eine Partei, die verspricht, sie werde Grenzen sichern, Terror stoppen, die „Kanzlerdiktatur“ beenden. Kommt der bieder-bürgerliche Alexander Gauland, der die AfD anpreist als Sargnagel dieser verdammten, dieser elenden Kanzlerin – so redet er. Wen wundert es da noch, dass dieses Land mit solchen Politikern dabei ist, sich aus der zivilisierten Welt zu verabschieden?

Sicher ist, dass auch die Sorge, eine Massenflucht wie 2015 könne erneut über das Land hereinbrechen, die Menschen zur AfD treibt. Natürlich überforderte Wiederholung, mit noch einmal einer Million Schutzsuchender, alle. Aber: Wie weit darf Realpolitik gehen? Ab wann kostet ein Kompromiss mit Recep Tayyip Erdogan die politische Glaubwürdigkeit? Kann die Bundeskanzlerin, kann die Regierung eine Wiederholung verhindern, vor allem: wie? Diese Fragen bleiben, bis zur Bundestagswahl im September 2017. Gelingt das der Regierung nicht, wäre es das Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels – vor der Wahl.

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AfD-Spitzenkandidat Leif-Erik Holm (Mitte) und der AfD-Vizevorsitzende Alexander Gauland (links) feiern das Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern.
AfD-Spitzenkandidat Leif-Erik Holm (Mitte) und der AfD-Vizevorsitzende Alexander Gauland (links) feiern das Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern.

© Reuters

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