zum Hauptinhalt
Bild der Verwüstung: In der südlichen Hafenmetropole Karachi ist auf einen Kandidaten der pakistanischen Parlamentswahl ist ein Attentat verübt worden - mehrere Menschen sind dabei ums Leben gekommen.

© dpa

Update

Wahl in Pakistan: 17 Tote bei Anschlag auf Parlamentskandidaten

Auf einen Kandidaten der pakistanischen Parlamentswahl ist ein Attentat verübt worden - mehrere Menschen sind dabei ums Leben gekommen.

Die Parlamentswahl in Pakistan wird von Gewalt überschattet. Bei einem Sprengstoffanschlag in der südpakistanischen Wirtschaftsmetropole Karachi wurden nach Krankenhausangaben mindestens 17 Menschen getötet und 36 verletzt. Ziel sei ein Büro der paschtunischen Regionalpartei ANP gewesen, sagte ein Polizeisprecher. In der nordwestpakistanischen Stadt Peshawar seien bei einem Bombenanschlag nahe eines Wahllokals acht Menschen verletzt worden, sagte der Chef des Lady-Redding-Krankenhauses, Iqbal Afridi.

Informationsminister Arif Nizami verurteilte die Gewalt. „Leider ist sie erwartet worden“, sagte er. Die ANP und andere weltliche Parteien waren im Wahlkampf immer wieder von den pakistanischen Taliban (TTP) angegriffen worden. Die TTP hält die Wahl für „unislamisch“. Bei Anschlägen auf Kandidaten und Parteibüros waren in den vergangenen Wochen mehr als 120 Menschen getötet worden.

Pakistan steht vor einem Machtwechsel

Für den Atomstaat mit seinen rund 173 Millionen Einwohnern sind es „historische“ Wahlen, die auch die Taliban mit einer beispiellosen Gewaltwelle nicht stoppen konnten: Erstmals hat eine Regierung eine volle Amtszeit überstanden und eine neue wird gewählt, ohne dass das Militär vorher intervenierte. Mehr als 620000 Sicherheitskräfte, darunter 90000 Soldaten, sollen die Abstimmung vor Anschlägen schützen. Mehr als 86 Millionen Pakistaner sind aufgerufen, über die Vergabe von 272 Sitzen zu entscheiden.

Pakistanische Frauen in Karachi in Pakistan gehen zur Urne.
Pakistanische Frauen in Karachi in Pakistan gehen zur Urne.

© afp

Wer könnte die Wahlen gewinnen?

Als Favorit gilt Oppositionschef Nawaz Sharif. Bei den Wahlen 2008 hatte Sharifs PML-N noch gegen die PPP verloren, die nach dem Tod ihrer Ikone Benazir Bhutto auf einer Sympathiewelle schwamm. Doch die Bhutto-Partei PPP hat dann so miserabel regiert, dass sie nun fast chancenlos ist. Sharif, der bereits zwei Mal den Atomstaat führte, wähnt sich bereits als Sieger. „Am 11. Mai wird der Löwe brüllen und alle anderen werden fliehen”, rief der 63-jährige Industrielle im Wahlkampf seinen Anhängern zu. Doch einige Umfragen sehen den politischen Außenseiter Imran Khan nur noch knapp hinter Sharif.

Wie ernst Sharif den Herausforderer nimmt, zeigt sich daran, dass er dessen Wahlslogans klaut. Auch er verspricht nun ein „neues Pakistan“ und „Wandel“. Doch er kämpft zugleich gegen eine Schmutzkampagne an. Wie ein böses Omen starb jetzt auch noch Sharifs Wahlattraktion, ein lebender weißer Tiger, an den Folgen der extremen Hitze. Tierschützer reichten Klage gegen Sharif ein. Zwar dürfte der alte Wahlkämpfer am Ende wohl die meisten Stimmen holen. Doch Experten glauben, dass keine Partei so viele Mandate bekommt, dass sie alleine regieren kann. Damit droht eine schwache Koalitionsregierung. Und Imran Khan könnte zum Königsmacher aufsteigen.

Was macht die Anziehungskraft des Herausforderers Imran Khan aus?

Khan ist ein Nationalheld, seit er 1992 als Kapitän für den Außenseiter Pakistan den ersten und bisher einzigen Kricket-Weltcup holte. Als er am Dienstag bei einem Wahlauftritt von einer provisorischen Hebebühne 4,5 Meter in die Tiefe gestürzt war, war er nur knapp am Tod vorbeigeschrammt. Drei Wirbel sind gebrochen und eine Rippe, die Ärzte haben strikte Bettruhe verordnet. Der Unfall könnte ihm nun weitere Sympathiepunkte bringen. Pakistan liebt Kämpfer und Märtyrer. Und so versammelten sich am Donnerstag im Zentrum von Islamabad Zehntausende zur Abschlusskundgebung und skandierten immer wieder: „Wir wollen Wandel!“ Als schließlich ihr Hoffnungsträger überlebensgroß von der riesigen Leinwand herabblickte, auf die er von seinem Krankenbett aus per Videoverbindung projiziert wurde, trat schlagartig Ruhe ein. Der 60-Jährige sah blass aus, seine sonst volle Stimme war schwach. „Was immer ich für Pakistan tun konnte, habe ich getan. Nun seid ihr am Zug“, sagte er in seiner Ansprache.

Es gleicht einem Wunder, dass diese Wahlen überhaupt stattfinden.

Unzählige Anschläge, wie hier auf ein Wahlkampfbüro in Quetta, überschatteten die Vorbereitungen der Wahlen in Pakistan.
Unzählige Anschläge, wie hier auf ein Wahlkampfbüro in Quetta, überschatteten die Vorbereitungen der Wahlen in Pakistan.

© Reuters

Kricketidol, Ex-Playboy und nun politischer Popstar: Khan ist ein Phänomen, das Pakistan bereits jetzt verändert hat. Bisher dominierten zwei Parteien das Land. Wenn nicht gerade das Militär regierte, was es fast die Hälfte der 66-jährigen Geschichte tat, wechselten sich die Bhutto-Partei PPP und die Sharif-Partei PML-N an der Regierung ab. Doch nun wirbelt Khan, den die politische Klasse lange verspottet und belächelt hat, alles durcheinander. Seine PTI erstarkt zur dritten Kraft und greift die alten Feudalparteien an.

Khan-Fieber mutet wunderlich an

Sein Wahlkampf ist modern, fast amerikanisch. Mal betet er, mal heizt fetzige Musik der Menge ein. Geschickt stilisiert sich der 60-Jährige als Hoffnungsträger der Jungen, der Mittelschicht, der Enttäuschten, die genug haben von den alten, dekadenten Eliten, die seit Jahrzehnten das Land ausbeuten. Er will Schluss machen mit Korruption, er will die Wirtschaft ankurbeln, die Frauenrechte stärken. Doch er biedert sich auch bei den Religiösen an, was ihm Liberale verübeln. Er will aus dem Anti-Terror-Krieg des Westens aussteigen. Er will mit den Taliban Frieden machen, die er als verirrte „Brüder“ verniedlicht. Seine Fans feiern ihn wie einen Erlöser. Die Menschen sehnen sich nach einem Neubeginn, nach einem Leben ohne Bomben, Stromausfälle und Armut.

Doch das neue Khan-Fieber mutet auch wunderlich an. 17 Jahre krebste seine Partei PTI bei wenigen Mandaten herum, bevor er nun binnen nur 18 Monaten zum Polit-Star aufstieg. Seine Partei scheint in Geld zu schwimmen. Hinter dem Aufstieg werden mächtige Gönner vermutet: Angeblich zieht das Militär die Strippen, das Khan als dritte Kraft aufbaut, um die Platzhirsche PPP und PML-N zu schwächen.

In welchem Umfeld finden die Wahlen statt?

Es gleicht einem Wunder, dass diese Wahlen überhaupt stattfinden. Seit Wochen überziehen die Taliban das Land mit einer beispiellosen Gewaltwelle, um den Urnengang zu torpedieren. Ihr erklärtes Ziel sind die „säkularen“ Parteien PPP, ANP und MQM. Seit Beginn des Wahlkampfes Mitte April starben mehr als 110 Menschen. Das hat den Wahlkampf dieser Parteien stark eingeschränkt. Am Freitag wurden erneut 15 Menschen bei Anschlägen getötet. Für den Wahltag drohten die Extremisten Wählern der „Ungläubigen“ mit Selbstmordanschlägen. Es steht zu befürchten, dass sich viele dieser Wähler nicht an die Urnen trauen. Trotzdem sind die Parteien wild entschlossen, die Wahlen abzuhalten. Die Angst ist zu groß, dass das Militär die Demokratie wieder für Jahre aushebelt und die Macht an sich reißt. (mit DPA)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false