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Politik: Wahl ohne Auswahl

Für Dienstag hat Saddam Hussein die irakische Bevölkerung aufgerufen, ihn in einem Referendum für weitere sieben Jahre als Staatschef zu bestätigen

Von Andrea Nüsse, Amman

Während Mitglieder der US-Regierung keinen Hehl daraus machen, dass bei dem möglicherweise bevorstehenden Krieg gegen Irak Präsident Saddam Hussein gestürzt werden soll, plant dieser eine weitere siebenjährige Amtszeit. Am 15. Oktober sind die Iraker aufgefordert, den 65-Jährigen durch ein Referendum im Amt zu bestätigen. Dazu werden nicht nur 2500 ausländische Journalisten ins Land gelassen. Das Regime lädt auch prominente Wahlbeobachter ein, beispielsweise den Führer der populistischen polnischen Bauernpartei Andrzej Lepper. Am Ergebnis des Urnengangs besteht kein Zweifel: Saddam Hussein, seit 30 Jahren an der Macht, wird wohl mit einem ähnlichen Ergebnis wie beim ersten Referendum 1995 wieder gewählt werden: Damals hatte Saddam Hussein 99,96 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können, die Wahlbeteiligung lag bei 99,47.

Nachgeholfen hatte dabei, dass die Namenslisten für Lebensmittelrationen genutzt wurden, um den Irakern ihre Wählerkarten auszuhändigen. Die Botschaft lautete: Wer nicht wählen geht, bekommt keine Lebensmittelrationen mehr, von denen die meisten Iraker heute leben – auch wenn diese nicht ausreichen und Unterernährung heute ein weit verbreitetes Phänomen ist.

Das Wahlergebnis von fast hundert Prozent ist „akkurat“, schrieb ein ausländischer Journalist beim Referendum 1995. In der Tat: Auch wenn es nicht unbedingt den Wählerwillen repräsentiert, so spiegelt es doch korrekt die Machtverhältnisse in Irak wieder. Ein „Who is Who“ in Irak bräuchte nur eine Person zu nennen: Saddam Hussein. Er ist nicht nur formal Präsident, Oberbefehlshaber der Truppen, Vorsitzender des Revolutionsrates und Sekretär des irakischen Arms der Baath-Partei. Er ist der De-facto-Alleinherrscher, der jede Opposition und jeden Ungehorsam im Keim erstickt. So hat Saddam Hussein logischerweise auch keinen Gegenkandidaten. Er stützt sich auf getreue Parteileute, deren Schicksal mit dem seinen verknüpft ist, vor allem aber auf Clan- und Familienbande. So ist Irak in den 80er Jahren zu einem Staat der Takritis mutiert, der Bewohner von Saddam Husseins Heimatstadt, die als loyal gelten. Der einzig denkbare Widerstand gegen das Regime könnte von den Schiiten im Süden des Landes, welche die Bevölkerungsmehrheit stellen, und den Kurden im Norden des Landes kommen. Dieser würde sich wahrscheinlich aber erst rühren, wenn bei einem möglichen Krieg gegen Irak klar wäre, dass Saddam Hussein definitiv besiegt ist. In der Vergangenheit sind beide Volksgruppen vom Westen enttäuscht worden, indem sie nach dem Golfkrieg 1991 zunächst zum Aufstand aufgerufen wurden, dann aber keine Unterstützung vom Westen erhielten und Saddam Husseins Rache ausgeliefert waren. Die Auslandsopposition hat keinen Rückhalt im Land. Nicht umsonst zielen die Hoffnungen westlicher Kriegsplaner daher auf einen Coup hochrangiger irakischer Militärs.

Das erste Referendum 1995 sollte demonstrieren, dass Saddam Hussein innenpolitisch unangefochten ist. Vorausgegangen war im Vorjahr die Flucht seiner beiden Schwiegersöhne, die unter anderem für die Waffenprogramme Iraks zuständig waren. Dies war ein harter Schlag für den irakischen Herrscher, da nicht einmal mehr auf Familienbande Verlass zu sein schien. Die spektakuläre Flucht hatte Spekulationen über die Schwäche seines Regimes ausgelöst, die mit der Rückkehr der beiden Männer in den Irak beendet wurden. Das Referendum sollte endgültig besiegeln, dass Saddam Husseins Macht intern unangefochten ist. Heute ist der irakische Präsident weniger von innen als von außen bedroht. Die zwölfjährigen Sanktionen haben nach Ansicht von Beobachtern dazu geführt, dass die meisten Irakis mit dem täglichen Überleben kämpfen und keine Umsturzpläne schmieden. Zudem ist es dem irakischen Herrscher gelungen, die Wut und den Unmut der Bevölkerung über die Sanktionen gegen den Westen und die Vereinten Nationen zu richten. Für den Rest sorgen riesige Sicherheitsapparate und die Republikanischen Garden, die Elitetruppen des Landes, die für die Sicherheit Saddam Husseins zuständig sind und entsprechend vorteilhaft behandelt werden.

Zu Zeiten, als Irak noch keine Referenden kannte, war der Rückhalt Saddam Husseins in der Bevölkerung tatsächlich sehr groß. In den 70er Jahren, als formal Ahmad Hassan al-Bakr Präsident war, aber sein Stellvertreter Saddam Hussein regierte, modernisierte er das Land in Riesenschritten, erhielt internationale Auszeichnungen für Alphabetisierungskampagnen, stärkte die Stellung der Frau und richtete dank der Einnahmen aus dem Erdöl vorbildliche medizinische Versorgung und Ausbildung für jedermann ein. Mit Anti-Korruptions-Gesetzen, die er auch im engsten Kreis anwenden ließ, gewann er großen Respekt. Seit seiner Amtsübernahme als Präsident 1979 und dem anschließenden Krieg gegen Iran scheint sich Saddam Hussein von diesen Idealen verabschiedet zu haben und setzt auf seine Sicherheitsapparate, er verengte die Führungsschicht auf Familien- und Clan-Mitglieder aus Takrit. Das Referendum am Dienstag soll der Welt zeigen, dass Saddam Hussein trotz dieser Veränderungen populär ist und in Irak niemand an Regimewechsel denkt – oder niemand daran zu denken wagt.

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