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Politik: Wahl ohne Auswahl

Ahmad Kadyrow soll Tschetscheniens Präsident von Russlands Gnaden werden. Konkurrenten hat Putin längst aus dem Weg geräumt

Die Bilder zu den Präsidentenwahlen in Tschetschenien sollen Normalität vorgaukeln: Gewinnend lächelnde Mitglieder der Wahlkommission residieren hinter polierten Tischen, und teilen die mit vierzehn Wasserzeichen gegen Fälschung geschützten Stimmzettel aus. Schöne junge Frauen, ausgesucht elegant gekleidet und mit wallenden langen Haaren, die kein Kopftuch verhüllt, stöckeln in die Wahlkabine und geben vor dem Wahllokal dem russischen Staatssender RTR bereitwillig Interviews. Durch die Bank Zustimmung, die irgendwie so klingt wie früher die eingeübten Dankesworte an Mutter Partei für die glückliche Kindheit.

Bilder, wie sie bei allen russischen Wahlen aufgenommen worden sein könnten. Nur die Totale fehlt. Trümmerwüsten, bewaffnete Soldaten und Polizisten, Scharfschützen auf den Dächern und Schützenpanzer passen nicht dazu, was der Kreml die Welt glauben machen will: Die Wahlen in Tschetschenien als normaler Urnengang, als krönender Abschluss eines Friedensprozesses, mit dem die Rebellenrepublik angesichts nahender gesamtrussischer Wahlen aus den Schlagzeilen verschwinden soll.

Ein Szenario, dass auch schon einmal schief ging. Ebenfalls in Wahlkampfnöten holte schon Boris Jelzin den ehemaligen KP-Chef der Tschetschenenrepublik, Doku Sawgajew, aus der Versenkung. Im Dezember 1995 fuhr er bei ähnlich massiver Präsenz russischer Gewehrläufe ein Ergebnis ein, wie es der jetzige Hoffnungsträger Moskaus, Verwaltungschef Ahmad Kadyrow erwartet: 80 Prozent. Acht Monate später fegten jedoch die Separatisten Sawgajew mit der Rückeroberung Grosnys vom Thron und zwangen Russland zu Friedensverhandlungen, mit denen Tschetschenien de facto in die Unabhängigkeit entlassen wurde.

Ein Ergebnis, das Putin mit der Wiederaufnahme des Tschetschenienkriegs im Oktober 1999 rückgängig machen wollte. Der tobt, mit kurzen Unterbrechungen, mittlerweile fast zehn Jahre. Rund 220 000 Zivilisten und rund 20 000 russische Soldaten starben bislang. Das Ende ist nicht abzusehen, Putin hat den Konflikt nicht entschärfen können. Die Separatisten, nach wie vor eine relevante Größe, lässt er bei allem außen vor.

Entsprechend instabil ist die Sicherheitslage. Tschetschenen-Premier Anatolij Popow, bezeichnenderweise ein ethnischer Russe, sprach nach „nur“ zehn Überfällen auf Wahllokale am Vorabend von „Riesenfortschritten“. Beim Verfassungsreferendum im März seien es noch 38 gewesen.

Einziger Garant, um Wiederholungen des Desasters von 1995 zu vermeiden, ist daher bis auf weiteres Moskaus massive militärische Präsenz in der Republik: Etwa 30 000 Mann, die auch wählen dürfen. Bei insgesamt 562 000 Stimmberechtigten rund sechs Prozent und damit ausreichend als Puffer für den Fall, dass es für Kadyrow wirklich eng werden sollte . Dem hatte Moskau mit allerlei Tricks schon im Vorfeld jeden potenziell erfolgreichen Herausforderer aus dem Weg geräumt. Aus Protest hatten die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Europarat keine Wahlbeobachter entsandt.

Bei seiner Stimmabgabe am Vormittag in seiner Geburtsstadt Tsentoroi wurde der 52-jährige Kadyrow von seinen in Tracht erschienenen Anhängern bereits als Sieger gefeiert. Er sei niemals eine „Puppe“ von Russlands Präsident gewesen, sagte Kadyrow, umringt von etwa fünfzig schwer bewaffneten Leibwächtern. Er erwarte, dass die Anhänger des von Russland nicht anerkannten tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow bald die Seiten wechseln würden.

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