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Update

Wahlen in Griechenland: Syriza-Chef Tspiras lehnt große Koalition ab

Der knappe Wahlsieg der konservativen Nea Demokratia bereitet nicht nur den Griechen Kopfzerbrechen. Partei-Chef Samaras wendet sich mit einem verzweifelten Angebot an den politischen Gegner.

Bei der Parlamentswahl in Griechenland ist die konservative Nea Demokratia (ND) laut offiziellen Hochrechnungen stärkste Kraft geworden und kann gemeinsam mit der sozialistischen PASOK eine pro-europäische Koalitionsregierung bilden. „Wir werden unsere Verpflichtungen einhalten, es wird keine Abenteuer mehr geben“, sagte Parteichef Antonis Samaras am späten Abend. „Dies ist ein Sieg für Europa.“ Er rief alle Parteien, die seine Ziele teilten, zur Bildung einer „stabilen Regierung“ auf. Bis Mittwoch hat Samaras dafür Zeit. Es wird erwartet, dass es zu einer Koalition aus Konservativen und Sozialisten kommt.

Einen bittereren Beigeschmack hätte das Bündnis gleichwohl: Schließlich sind ND und PASOK die beiden Parteien, die Griechenland in das Schuldendrama geführt haben. Und alleine könnten sie es nicht schaffen, das Land aus dem Tal herauszuführen. Wie Samaras forderte deswegen auch PASOK-Chef Evangelos Venizelos eine große Koalition mit Tsipras - die der indes ausschlug.

Tsipras kündigte an, er werde die Auflagen aus Berlin und Brüssel schon ab Montag weiter bekämpfen. „Die Zukunft ist nicht mit denen, die sich fürchten“, drohte er. Und das Sparprogramm für Griechenland sei „kein gangbarer Weg“. Sein linksradikales Bündnis Syriza ist mit 26 Prozent als zweitstärkste Kraft aus der Wahl hervor gegangen. Nach Auszählung von rund 40 Prozent der Stimmen kam die ND auf 30,5 Prozent. Die sozialistische PASOK erreichte mit 12,9 Prozent Platz drei.

Entscheidend wird nun, wie stabil die neue Regierung wird. Mit der sozialistischen PASOK käme die ND auf gut 160 der 300 Sitze. Syriza kann auf etwa 70 Sitze hoffen.

Erneut ins Parlament schaffte es auch die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte. Sie bekam 18 Sitze und damit drei weniger als bei der letzten Wahl am 6. Mai. Die Kommunisten kommen auf bis zu 6 Prozent.

Angesichts dieser Machtverhältnisse im Parlament bleibt ein großes Fragezeichen, ob Samaras die von den Europartnern verlangten Reformen wirklich umsetzen kann. Denn durch das starke Abschneiden von Tsipras' Syriza wird der Druck der Straße kaum abnehmen, im Gegenteil. „Er wird die Menschen mobilisieren“, sagt der deutsch-griechische EU-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis der dapd. Tspiras könne eine proeuropäische Koalition deswegen schon nach sechs Monaten wieder zum Scheitern bringen.

Sowohl Antonis Samaras (ND) als auch Alexis Tsipras, haben immer beteuert, im Fall einer Regierungsübernahme den Verbleib Griechenlands in der EU und der Eurozone zu sichern. Das entspricht Umfragen zufolge dem Wunsch der großen Mehrheit der Griechen.

Hätte Syriza den Sieg errungen, dann wäre es womöglich dennoch zur Zerreißprobe für den Euro gekommen. Tspiras hatte die Aufkündigung der Sparauflagen durch die Troika angekündigt. Das hätte aber dazu geführt, dass seinem Land der Geldhahn zugedreht worden wäre. So hatte Kanzlerin Angela Merkel noch am Wochenende klar gestellt: Es könne nicht sein, dass diejenigen, die sich nicht an Abmachungen hielten, jeden anderen „am Nasenring durch die Manege führen“. Ohne Geld hätte Athen den Euro verlassen müssen. Die Zukunft der Einheitswährung hätte auf dem Spiel gestanden.

Die Eurogruppe „die rasche Bildung einer Regierung“ angemahnt, „die das vereinbarte Anpassungsprogramm umsetzt“. So heißt es in einer Erklärung von Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker vom späten Sonntagabend. Sobald die Regierung gebildet sei, solle die Troika aus Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Athen zurückkehren, um die bisherige Umsetzung des zweiten Rettungsprogramms zu überprüfen.

Eine Lockerung der Sparauflagen oder zusätzliche Wachstumsmaßnahmen werden in der Erklärung nicht erwogen. Statt dessen heißt es, die Fortsetzung der Finanz- und Wirtschaftsreformen seien „die beste Garantie für eine Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten und zu einer wohlhabenderen Zukunft Griechenlands in der Eurozone“.

Politiker in Deutschland forderten parteiübergreifend eine Fortsetzung der Sparbemühungen von der künftigen Regierung in Athen. Die Bundesregierung schloss zugleich am Sonntagabend substanzielle Änderungen an den Sparauflagen für Griechenland aus. Außenminister Guido Westerwelle hielt aber eine zeitliche Streckung für denkbar.

Westerwelle machte in ARD und ZDF deutlich, die neue Regierung dürfe europäische Verträge nicht für null und nichtig erklären. Substanzielle Änderungen dürfe es hier nicht geben. Sonst würde man gegenüber vertragstreuen Ländern unglaubwürdig.

Bildergalerie: So scheiterte die Regierungsbildung in der ersten Runde:

Einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone muss auch aus Sicht der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast „dringend“ verhindert werden. Sie hoffe, dass schnell eine handlungsfähige Regierung in Griechenland gebildet werde, die dem Volk auch sage, dass es weitere Strukturreformen gebe. Gleichwohl mahnte Künast Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft an. Der neue Bundesvorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, warnte in Berlin, Griechenland dürfe nicht an den Rand des wirtschaftlichen Ruins getrieben werden.

Insgesamt waren rund 9,9 Millionen Stimmberechtigte Griechen zu den Urnen gerufen. Nach der Wahl am 6. Mai war eine Regierungsbildung gescheitert, weshalb jetzt noch einmal gewählt werden musste.

Am Wahltag kam es in Athen zu mehreren Zwischenfällen. Im Stadtteil Exarchia, einer Hochburg der Linken-Szene haben bewaffnete Männer ein Wahllokal angegriffen und zwei Polizisten verletzt. Zu dem Angriff kam es am Sonntag etwa eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale. Die etwa zehn Männer waren mit Vorschlaghämmern und Holzschlägern bewaffnet. Sie zerschlugen die Wahlurne und zündeten sie an. Zwei Beamte, die das Wahllokal bewachten, erlitten Verletzungen und mussten im Krankenhaus behandelt werden. Die Täter flohen auf Motorrädern. Wähler wurden nicht verletzt. (AFP/rtr/dpa/dapd)

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