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Handarbeit: Wahlhelfer zählen in Glasgow Stimmen aus.

© Robert Perry/dpa

Update

Wahlen in Großbritannien: Labour muss Verluste hinnehmen - aber weniger als erwartet

Bei den britischen Kommunalwahlen, aber auch bei den Regionalwahlen in Schottland und Wales gab es offenbar Einbußen für die Arbeiterpartei. In London gilt indes Sadiq Khan als Favorit.

London könnte als erste Hauptstadt in der EU von einem muslimischen Bürgermeister regiert werden: Sadiq Khan von der Labour-Partei ist am Donnerstag als klarer Favorit vor Tories-Kandidat Zac Goldsmith in die Rathauswahl der Millionenmetropole gegangen. Regionalwahlen fanden in Schottland, Wales und Nordirland statt - ein Stimmungsbarometer vor dem Brexit-Referendum in sieben Wochen. Die Ergebnisse werden erst für Freitagabend erwartet.

Allerdings zeichnen sich insgesamt Einbußen für Labour ab. Nach Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen bei den Kommunalwahlen verlor die angeschlagene Partei Dutzende Mandate in den örtlichen Parlamenten. Auch bei den Regionalwahlen in Schottland und Wales gab es Stimmenverluste. Sollte sich der Trend bestätigen, dürfte dies als Misstrauensvotum gegen den seit acht Monaten amtierenden linksgerichteten Parteichef Jeremy Corbyn gewertet werden.

Das Bild ist jedoch nicht so eindeutig, wie es scheint. Denn die Verluste fallen offenbar geringer aus als erwartet. Selbst im konservativ geprägten Süden des Landes konnte Labour ersten Stimmauszählungen vom Freitag zufolge einige seiner wenigen Hochburgen verteidigen.

Verglichen mit den vergangenen Regional- und Kommunalwahlen in den Jahren 2011 und 2012 muss Labour voraussichtlich zwar heftige Verluste hinnehmen. Im Hinblick auf das desaströse Ergebnis der nationalen Parlamentswahl 2015 gewinnt die Arbeiterpartei aber wohl wieder etwas hinzu. Die Tories dagegen schneiden etwas schlechter ab als im vergangenen Jahr.

In Schottland dürfte die Arbeiterpartei weiter an Boden verlieren - zugunsten der Tories und der linksgerichteten schottischen Nationalpartei SNP. Die Nationalisten können damit ihre Mehrheit wohl weiter ausbauen. Bereits vor der Wahl regierten sie ohne Partner. Die Partei von Regierungschefin Nicola Sturgeon hält bisher 69 der 129 Sitze und will diesen Vorsprung nun weiter ausbauen. Sie tritt für die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien ein. Sollte das Königreich aus der EU aussteigen, will die SNP einen neuen Anlauf zur Abspaltung nehmen. Ob Labour seine Position als bislang zweitstärkste Kraft an die Tories verliert, ist noch ungewiss.

Fraglich ist auch, ob das Abschneiden in Schottland den Labour-Chef unter Druck bringen wird. Corbyn hatte kaum eine Rolle gespielt im schottischen Wahlkampf. "Es könnte sein, dass das Endergebnis für Jeremy Corbyn nicht ganz so schlecht aussieht", sagte John Curtice, Politikprofessor aus Glasgow im BBC-Fernsehen. Überrascht zeigten sich Experten über starke Zuwächse bei den Konservativen in einigen Teilen Schottlands.

Bei den Kommunalwahlen in England scheint auch die euroskeptische Partei Ukip Labour Stimmen abzujagen. Erwartet wird, dass die britischen Nationalisten erstmals in das Parlament von Wales einziehen. Ukip-Chef Nigel Farage sprach deshalb bereits von einem „Durchbruch“ für seine Partei.

Wer folgt Boris Johnson als Bürgermeister nach?

In der Hauptstadt wird ein Nachfolger für den populären Bürgermeister Boris Johnson gesucht, dem Ambitionen auf das Amt des Premierministers nachgesagt werden. Khan, 45-jähriger Sohn eines Busfahrers aus Pakistan, gab am Donnerstagmorgen in seinem Wahlkreis im Multikulti-Stadtteil Tooting seine Stimme ab. Der 41-jährige Goldsmith, Sohn eines milliardenschweren Finanzinvestors, wählte im wohlhabenden Westlondoner Stadtteil Richmond.

Der Wahlkampf war bis zum Schluss hässlich. Die Tories bis hin zu Premier David Cameron hatten versucht, den Menschenrechtsanwalt Khan in die Ecke radikalislamischer Extremisten zu stellen. Khan konterte mit dem Hinweis, dass er moderate Positionen vertrete, sich für die Homoehe stark mache und den Extremismus immer wieder als "Krebsgeschwür" verurteile. "Hoffentlich werde ich der Bürgermeister, der unsere Stadt wieder vereint", sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Goldsmith vertritt seit 2010 einen wohlhabenden Westlondoner Wahlbezirk für die Konservativen im Unterhaus. Dort stimmte er regelmäßig gegen die Parteilinie. Kritiker unterstellen ihm mangelnde Erfahrung. Goldsmith selber argumentiert, als Konservativer könne er London besonders effektiv gegenüber der von Konservativen geführten Regierung vertreten.

Dass er kein treuer Gefolgsmann von Parteichef Cameron ist, demonstriert auch seine Haltung zum Brexit: Goldsmith wirbt dafür, dass die Briten am 23. Juni für den Ausstieg aus der EU stimmen. Sein Gegner Khan dagegen will die Insel in der EU halten - wie Labour-Chef Corbyn.

Sadiq Khan von der Labour-Partei mit seiner Ehefrau Saadiya Khan vor einem Wahllokal in London.
Sadiq Khan von der Labour-Partei mit seiner Ehefrau Saadiya Khan vor einem Wahllokal in London.

© Hannah Mckay/dpa

Mit Blick auf die eigentlichen Herausforderungen für den nächsten Londoner Bürgermeister sind sich Khan und Goldsmith indes einig: die Mieten und Immobilienpreise nicht weiter in den Himmel steigen lassen, die Verschmutzung bekämpfen und den chronisch überlasteten Nahverkehr modernisieren. (dpa, AFP, Reuters)

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