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Politik: Wahlen in Rumänien: Ein Kopf-an-Kopf-Rennen der alten Kader

Rumänien steht vor einem Comeback des früheren Kommunisten Ion Iliescu an der Spitze des Landes. Bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen am kommenden Sonntag gilt ein Sieg seiner Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) als wahrscheinlich, nachdem die seit vier Jahren regierende bürgerlich-liberale Koalition dramatisch an Popularität verloren hat.

Rumänien steht vor einem Comeback des früheren Kommunisten Ion Iliescu an der Spitze des Landes. Bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen am kommenden Sonntag gilt ein Sieg seiner Partei der Sozialen Demokratie (PDSR) als wahrscheinlich, nachdem die seit vier Jahren regierende bürgerlich-liberale Koalition dramatisch an Popularität verloren hat. Zweitstärkste Kraft könnten die extremen Nationalisten unter der Führung ihres Präsidentenkandidaten Corneliu Vadim Tudor werden. Umfragen zufolge bekämen Ion Iliescu und seine Partei rund 45 Prozent der Stimmen. Tudor und seine Partei Romania Mare (Großrumänien) liegen bei etwa 20 Prozent.

Die derzeitigen Regierungsparteien treten mit je einem Kandidaten für das Präsidentenamt an. Weitere sechs kandidieren als Parteilose oder für sehr kleine Parteien. Außer Iliescu und dem Extremisten Tudor kam keiner der Bewerber bisher auf mehr als 15 Prozent. Deshalb wird damit gerechnet, dass die beiden in einem zweiten Wahlgang am 10. Dezember gegeneinander antreten werden. Bisherige Iliescu-Gegner dürften dabei ihm ihre Stimme geben, nur um den Extremisten Tudor als größeres Übel zu verhindern. Ein kürzlicher Appell namhafter Intellektueller an die vier Kandidaten aus dem bürgerlich-liberalen Lager, sich auf einen einzigen Kandidaten zu einigen, blieb ohne Resonanz.

Die pro-westliche Regierungskoalition gewann 1996 die Wahlen, löste den damaligen Präsidenten Iliescu und seine PDSR ab und leitete damit den ersten demokratischen Machtwechsel in Rumänien seit Kriegsende ein. Dennoch war ihr Scheitern für viele Rumänen vorauszusehen. Ständige Streitereien in der Vier-Parteien-Koalition verhinderten wichtige Wirtschaftsreformen. Der Lebensstandard sank. Derzeit gelten 43 Prozent der Rumänen als arm.

Angewidert von den immer aggressiveren politischen Auseinandersetzungen innerhalb der Regierung verzichtete der christdemokratische Präsident Emil Constantinescu auf eine erneute Kandidatur. An seiner Stelle tritt - mit geringen Chancen - der parteilose Ministerpräsident Mugur Isarescu an, der seit Dezember 1999 die Regierung führt. Es war der dritte Anlauf nach den zwei erfolglosen Ministerpräsidenten Victor Ciorbea und Radu Vasile. Deshalb werden die Christdemokraten bei der Wahl auch am meisten Stimmen einbüßen. Immerhin genoss der ehemalige Notenbankchef Isarescu das Ansehen der internationalen Finanzinstitutionen. Er konnte während seiner zehnmonatigen Amtszeit zwar eine investoren- und exportfreundliche Steuergesetzgebung durchsetzen. Doch diese Maßnahme hatte keine unmittelbaren positiven Folgen. Erst jetzt, kurz vor dem entscheidenden Sonntag, erhöhte Isarescu nahezu alle Sozialleistungen beträchtlich - offenbar unter dem Eindruck des nahenden Wahltermins.

Der Favorit Iliescu wie auch seine Konkurrenten kündigten an, alles dafür tun zu wollen, die in diesem Jahr begonnenen Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union fortzusetzen. Zugleich gab er aber zu verstehen, dass er "keine Privatisierungen um jeden Preis" wolle. Damit sprach er jene Rumänen an, die sich vor den dann drohenden Massenentlassungen fürchten. Dies gilt jedoch als negatives Signal für die Verhandlungen mit der EU. Die Union hatte in ihrem letzten, jüngst veröffentlichten Fortschrittsbericht schlechte Noten an den Beitrittskandidaten Rumänien vergeben. Es werde nur schleppend privatisiert, hieß es darin, noch immer produzierten 63 staatliche Schwerindustrie-Betriebe Defizite in Höhe eines Drittels des rumänischen Staatshaushalts.

Tudors Aufstieg verspricht erst recht nichts Gutes. Der nationalkommunistische Populist präsentierte sich zuletzt am vergangenen Wochenende Massen johlender Sympathisanten in der südrumänischen Industriestadt Ploiesti - im Elvis-Presley-Look mit lilafarbener Sonnebrille. Wenn er an die Macht käme, wolle er den Ausnahmezustand ausrufen, der Mafia den Garaus machen und ein "Komitee zur Verfolgung antirumänischer Aktivitäten" gründen.

Mit Tudor hatte Iliescu bereits zwischen 1992 und 1996 regiert. Eine Neuauflage dieser Koalition erklärten die Sozialen Demokraten für ausgeschlossen. Eher ist möglich, dass Iliescu die Zusammenarbeit mit der Nationalliberalen Partei suchen wird, um nach außen hin eine pro-westliche Haltung zu demonstrieren. Iliescu hatte 1989 nach einer blutigen Revolution, bei der Diktator Nicolae Ceausescu gestürzt wurde, die Macht übernommen. Die genauen Umständen sind noch immer unklar.

Kathrin Lauer

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