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Blaue Augen. Kurt Becks SPD liegt 0,5 Prozentpunkte vor Julia Klöckners CDU. Er muss jetzt mit den Grünen regieren. Sie freut sich trotzdem über das Ergebnis.

© dapd

Beck und die Grünen: Rheinland-Pfalz: Kurt und gut

Die Grünen in Rheinland-Pfalz stellen Ansprüche für eine Koalition mit der SPD – Ministerpräsident Kurt Beck hat sich darauf vorbereitet.

In der beschaulichen Mainzer Mitternachtsgasse war für die größte Party des Wahlabends alles bereit. Draußen vor dem Haus der Jugend, in Sichtweite zur Staatskanzlei, trommelten grüne Atomkraftgegner, drinnen wurden Couscous, Linsen, marrokanische Zucchini und Rote-Beete-Salat gereicht. Im Vergleich zur getragenen Piefigkeit im rheinland- pfälzischen Landtag, wo die übrigen Parteien mehr oder weniger feierten oder trauerten, demonstrierten die Grünen auch im Feiern eine gewisse Qualität. Zu der sind sie ja auch politisch verpflichtet, nach dem historischen Sieg am Sonntag.

Im poppig geschmückten Saal, ein moderner Funktionsraum, überraschte nur ein einsam von der Decke hängender silberner Kronleuchter, der vielleicht ein wenig politische Getragenheit symbolisieren sollte. Exakt vier Minuten und zwei Sekunden vor 18 Uhr wurde die Leinwand von der Decke heruntergefahren, auf dass man das geschichtliche Ereignis über sich selbst nicht verpasse. Die ersten Prognosen gingen dann schnell unter im tosenden Jubel und den Trommeleinlagen der grünen Jugend. Als dann das Spitzenduo, Eveline Lemke und Daniel Köbler, auf die Bühne kam, war das Grünen-Glück perfekt. „Das fühlt sich gut an“, rief Lemke. Köbler brachte nur „Wahnsinn“ heraus.

Nur ein paar Meter weiter wartete der amtierende Ministerpräsident in seinem Büro geduldig die ersten Hochrechnungen ab. Kurt Beck, 62, der seit knapp 17 Jahren Rheinland-Pfalz regiert, hatte am Sonntagmorgen erst das Grab seiner Mutter besucht wie jedes Jahr am 27. März, ihrem Todestag, und in seinem Heimatort Steinfeld seine Wahlkarte mit dem Satz „Arbeit erledigt“ in die Urne geworfen. Dann fuhr er nach Mainz und musste sich von den Demoskopen früh übermitteln lassen, dass sein Sieg vor der CDU gar nicht mehr so sicher sei. Dementsprechend kam gegen 18 Uhr 45 ein sichtlich enttäuschter Beck heraus, passierte im Eingangsbereich ein verwirrendes Acrylbild mit dem Titel „Tornado“ und stellte sich den ersten Fragen des Abends. Der politische Tornado hatte die SPD nicht verwüstet – aber um zehn Prozentpunkte von der absoluten Mehrheit weg knapp an die 36-Prozentmarke gedrückt. Beck war gestrauchelt. Später gestand er, kurz überlegt zu haben, ob dieses Ergebnis Konsequenzen für ihn nach sich ziehen müsse, er sei aber zu dem Schluss gekommen: „Die Wähler vertrauen der SPD noch.“

Seine Anhänger im zweiten Stock des Abgeordnetenhauses in der Kaiser-Friedrich-Straße 3 mussten allerdings viel Bier trinken und sich bei Kassler und Sauerkraut gedulden, bis ihr Landesvater sich um 21 Uhr 09 unter Jubelgesängen „Dran bleiben, dran bleiben“ seinen Weg auf die Bühne bahnte. „Kurt-und-gut“-Plakate wurden hoch gehalten, manche hatten einen „Hello-Kurt“-Button in Rot am Revers. „König Kurt“ dankte allen, sprach vom „gemeinsamer Arbeit“ und adelte sogleich die Grünen, „deren Kompetenz in der Atompolitik ihnen zugewachsen“ sei – das müsse man respektieren. Er habe gelernt, sagte Beck, wenn der Wähler eine Partei mit einem solch guten Ergebnis ausstatte, dann müsse man auch darauf eingehen. Tatsächlich hatte es schon einige geheime Sondierungsgespräche vor der Wahl gegeben, in denen sich Beck von der Zuverlässigkeit der Grünen überzeugte.

Beck hatte vom ersten Augenblick der Katastrophe in Japan gewusst, dass die Atompolitik die Wahlen überlagern werde. Noch an dem Abend, als in Japan Erdbeben und Tsunami zur Reaktorkatastrophe geführt hatten, stand er im Örtchen Bendorf am Fuße des Taunus und führte die Atompolitik auch in seinen Wahlkampf ein. Die CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner warf Beck bis zum Schluss vor, er mache „Wahlkampf auf dem Rücken von Verletzten und Toten“.

Klöckner trat am Sonntagabend sehr schnell vor ihre Parteibasis. Als hätte eine Visagistin ihr ein Dauerlachen ins Gesicht gemalt, sprach die 38-Jährige von einem „hervorragenden Ergebnis“, mit dem man nie gerechnet hätte. Allerdings war das Ergebnis nach 2006 das zweitschlechteste in der Geschichte der Partei in Rheinland- Pfalz. Gefühlt aber war es ein kleiner Sieg für die Christdemokraten, die nicht müde wurden, von einer neuen Geschlossenheit zu reden. Klöckner wird Berlin, sagt sie, nun endgültig verlassen und als „Chefin“ die CDU im Land weiter führen.

Für die Sozialdemokraten aber wird eine neue Zeitrechnung beginnen, zumal die Liberalen, mit denen man von 1991 bis 2006 koaliert hatte, sich sang- und klanglos aus dem Landtag verabschiedet haben. Die Grünen werden wohl drei Ministerien beanspruchen, und sie werden sich nicht nur mit kleinen Ressorts abspeisen lassen. Ein Sozialdemokrat sagt, es werde sich nun zeigen, wie Beck selbst das Ergebnis verarbeite und ob er bereit sei, Zugeständnisse zu machen, die weh tun.

Der Grünen-Sozialpolitiker Daniel Köbler, 29 Jahre, Politikwissenschaftler, sieht in Beck einen „Sozialpolitiker der alten Schule. Das ist auch okay so.“ Zu moderner Sozialpolitik gehöre aber „auch Nachhaltigkeit. Es kann keine Dauersubvention um jeden Preis geben. Öffentliche Investitionen müssen sinnvoll und bezahlbar sein“, sagte er dem Tagesspiegel. Beck baue die Sozialpolitik auf Schuldenpolitik auf. Rheinland-Pfalz hat rund 33 Milliarden Euro Schulden.

Kurt Beck will auf jeden Fall fünf Jahre im Amt bleiben. „60 Prozent der Menschen finden schließlich, dass der Ministerpräsident ganz ordentlich arbeitet“, rief er. Allerdings werde er nicht den Fehler machen, den man in Berlin mache: „Dort gibt es eine Koalition, in der man sich gegenseitig nichts gönnt, deshalb kann kein gutes Ergebnis heraus kommen.“ Wenn man eine Koalition mache, müsse man sie auch wirklich wollen.

Und in fünf Jahren? Beck selbst könnte es gefallen, wenn ihn seine Partei als Bundespräsidenten nominierte. Sonst, sagen enge Begleiter, brauche der Ministerpräsident, der dann über 20 Jahre regiert haben wird, „auf jeden Fall ein Chill-out-Programm“. Sonst werde er den Übergang ins Rentnerdasein nicht problemlos bewältigen können. Daran dachte Beck am Sonntag nicht. Sein Schlusssatz: „Wenn ihr nichts dagegen habt, dann trinken wir jetzt gemeinsam ein Bierchen.“ Sprachs und ging – rüber zur Fete der Grünen.

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