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Die Grünen: Partei der linken Mitte

Die Grünen haben in Baden-Württemberg vor allem wegen der Atompolitik zugelegt – aber sie sind auch immer breiter in der Bevölkerung verankert. Das zeigt die Analyse der Wahlergebnisse und der Umfragen am Wahlsonntag.

Entweder ganz oder gar nicht. Das ist die Devise beim baden-württembergischen Wahlrecht. Es gibt keine Zweitstimme, also ist taktisches Wahlverhalten nicht möglich. Es ist ein geradliniges Wahlrecht. Und insofern ist das Ergebnis der Grünen in Baden-Württemberg ein pures Ergebnis, nichts geliehen, nichts gesplittet. 24,2 Prozent erreichte die Ökopartei mit ihrem Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann, zweitstärkste Partei ist sie nun.

Den grünen Erfolg machen aber vor allem die neun Direktmandate deutlich. Es hätten auch zehn, elf oder zwölf sein können, in den beiden Karlsruher Wahlkreisen etwa war der Vorsprung der CDU nur sehr knapp. Natürlich holten die Grünen in ihren Hochburgen Direktmandate, in den Wahlkreisen mit den Universitätsstädten Heidelberg, Freiburg, Konstanz, Tübingen. In diesen Städten selbst, mit ihrem hohen Akademikeranteil, liegen die Grünen im Südwesten nun teils bei über 40 Prozent. Aber auch ein Mannheimer Wahlkreis fiel an die Ökopartei.

Vor allem aber ergrünte am Sonntag die Landeshauptstadt Stuttgart, wo drei der vier Wahlkreise an Kretschmanns Partei gingen – Stuttgart I gar mit 42,5 Prozent, was früher sogar die CDU dort als achtbares Ergebnis bezeichnet hätte. Natürlich war es hier das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21, das die Wähler in Scharen zu den Grünen trieb – wie zuvor schon bei den Kommunalwahlen 2009, als sie mit 25,3 Prozent stärkste Partei in der Landeshauptstadt wurden. Nun liegen sie als stärkste Kraft in Stuttgart bei 34,5 Prozent.

Der Wahlerfolg hat viel, aber nicht nur mit dem aktuellen Thema Atompolitik zu tun. In Baden-Württemberg sind die Grünen zur Stammpartei eines linksliberalen, akademisch gebildeten Bürgertums geworden, recht breit vernetzt, eher städtisch geprägt, aber auch auf dem Land gut vertreten, eine Partei der linken Mitte mit Ablegern ins linksalternative Milieu wie auch in eher wertkonservative Kreise. Selbst in kleineren Randstädtchen wie Schwäbisch Hall oder Ravensburg kamen sie auf Ergebnisse, die vom Kleinparteienstatus weit entfernt sind. Unter Selbstständigen haben sie jetzt dreimal mehr Wähler als die FDP. Dass sie auch bei Beamten gut ankommen (ein Drittel der Staatsdiener waren am Sonntag Grünen-Wähler) zeigt allerdings ein bekanntes Manko auf: Die Grünen sind in starkem Maße immer noch eine Lehrer-Partei.

Nun regieren sie aber und stellen auch den Ministerpräsidenten, die zentrale Figur der Landespolitik, die auch überregional wahrgenommen wird. Das gibt den Grünen die Chance, das Ergebnis vom Sonntag in den nächsten fünf Jahren zu konsolidieren und sich langfristig als das eigentliche Gegenüber der nach wie vor relativ dominanten CDU zu etablieren.

Dafür spricht auch ein Blick in die Altersstruktur der Wählerschaft. Die CDU profitierte wie immer von ihrem hohen Anteil bei Rentnern, aber bei den Wählern unter 60 Jahren sieht es zunehmend mau aus für die bisherige Staatspartei im Südwesten. In den mittleren Altersgruppen nämlich haben die Grünen am Sonntag mit der CDU gleichgezogen und liegen hier deutlich vor der SPD, wie die Forschungsgruppe Wahlen in ihrer Analyse schreibt.

Vor allem von bisherigen Nichtwählern hat die Partei am Sonntag gewonnen, wie die Wählerwanderungserhebung von Infratest dimap zeigt. Wähler, die nun möglicherweise zu einem Teil gehalten werden können. Aber auch bei Bürgern, die bei der vorigen Wahl andere Parteien bevorzugten, waren die Grünen erfolgreich. Nicht zuletzt von der SPD holten sie sich Stimmen.

Wobei die SPD in Baden-Württemberg ihr Wählerreservoir besser ausschöpfte als vor fünf Jahren; immerhin gewann sie gut 155 000 Stimmen hinzu. Was nicht verhinderte, dass sie angesichts der insgesamt höheren Mobilisierung (übrigens auch bei den Anhängern der CDU) auf das schlechteste SPD-Prozentergebnis seit 1952 abrutschte. Zwar regiert man nun auch – aber eben als Juniorpartner der Grünen.

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