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Bildungszentrale als Orakel: Am Montagabend weissagte die Baden-Württembergische Landeszentrale für politische Bildung versehentlich einen Wahlsieg der Regierungskoalition.

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Kurioses aus Baden-Württemberg: Orakelzentrale benennt Wahlsieger

Umfragen sehen eine grün-rote Koalition in Baden-Württemberg vorn. Montag meldete die Landeszentrale für politische Bildung aber einen schwarz-gelben Wahlsieg. Menschliches Versagen, das von den vermeintlichen Verlierern unterschiedlich bewertet wird.

Es ist schnell passiert: ein flüchtiger Klick, und schon erscheint die Falschmeldung auf der Internetseite. Plötzlich ist der Spaß unter Kollegen, das kleine Versehen, die vorbereitete Nachricht für eine spätere Publikation im ganzen Netz sichtbar. Und dieses Netz ist gnadenlos, es vergisst nichts. Peinliche Fehler werden mit Screenshots dokumentiert, das musste auch unsere Redaktion am vergangenen Sonntag erfahren, als ein freundlicher Blogger eine grafische Verwirrung unserer Redaktion publik machte. Statt der Hochrechnungen der gerade in Auszählung begriffenen Sachsen-Anhalt-Wahl war dort das Endergebnis der längst vergangenen Hamburg-Wahl prominent platziert, der Verfasser dieses Artikels hatte gepennt.

Richtig peinlich wird es allerdings, wenn eine öffentliche überparteiliche Bildungseinrichtung den Wahlsieg der derzeitigen Regierungskoalition am kommenden (!) Wahlsonntag bekannt gibt. So geschehen am Montag der Stuttgarter "Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg". "Wahlsieg schwarz-gelb" war da am frühen Abend für eine halbe Stunde auf der Wahl-Sonderseite der Zentrale, www.landtagswahl-bw.de, zu lesen, mehrere hundert Besucher wurden fälschlicherweise darüber informiert, dass die schwarz-gelbe Landesregierung als Siegerin aus den Landtagswahlen hervorgegangen sei. Die schnelle Reaktion der Koalition auf die Katastrophe im japanischen AKW Fukushima habe die Bürger "wohl überzeugt", analysierte die Landeszentrale, um zu dem abschließenden Fazit zu kommen: "Stefan Mappus kann bei seiner ersten Wahl als Ministerpräsident mit der CDU das Ergebnis von 2006 zwar nicht halten, dennoch kann er seine Regierungsarbeit fortführen."

Unter denen, die über die Falschmeldung stolperten und gleich einen Screenshot anfertigten, war am Montag auch der Wahlkampfchef der SPD im Ländle, Daniel Rousta. "Das kann man schon als Zeichen dafür nehmen, was hier im Land in den letzten 50 Jahren alles schief gelaufen ist - dass diese derzeit unwahrscheinlichste aller denkbaren Möglichkeiten auf der Homepage landet", so Rousta. Beunruhigt sei er aber nicht: "Es amüsiert uns eher. Alle Umfragen sprechen eine andere Sprache." Bei den Grünen, deren derzeitiger Höhenflug das vermeldete Szenario tatsächlich immer unwahrscheinlicher erscheinen lässt, ist man noch nachsichtiger: "Böser Wille steckt da bestimmt nicht hinter", sagt Pressesprecher Tilo Berner, der von einer empörten Wählerin auf die Ente aufmerksam gemacht wurde. "Die Zusammenarbeit mit der Landeszentrale war immer gut, deshalb haben wir das auch nicht an die große Glocke gehängt, sondern nur dort angerufen". Die Verantwortlichen seien "beschämt genug" gewesen.

Am Tag danach kann Wolfgang Herterich, Referent für Information und Kommunikation bei der Landeszentrale, schon wieder über den Lapsus lachen: "Nein, wir wollen hier nicht Orakel spielen, und wir geben auch keiner Partei den Vorzug", sagt Herterich. Vielmehr sei die Veröffentlichung der Falschmeldung auf menschliches Versagen zurückzuführen: "Wir haben Texte zu drei Szenarien vorbereitet, durch eine falsche Auswahl hat eine Mitarbeiterin einen dieser Texte dann aktiviert." Aufmerksamere Leser hätten aber bemerken können, dass es sich bei dem Text nicht um eine Endversion handele, immerhin seien an einigen Stellen, etwa bei den genauen Prozentzahlen, noch Platzhalter eingefügt gewesen.

Die beiden anderen Szenarien? "Zweimal Rot-Grün, einmal mit roter und einmal mit grüner Mehrheit." Ein Aufwand, den sich die Landeszentrale nach Ansicht des Grünen-Sprechers Berner durchaus hätte sparen können: "Am Wahlabend muss eh die dritte Variante aktiviert werden." Momentan sieht alles danach aus: Jüngste Umfragen sahen am Sonntag eine Mehrheit für Rot-Grün unter grüner Führung. Der schwarz-gelbe Wahlsieg, den am Montag die Landeszentrale prognostizierte, scheint angesichts der Atomdebatte in weite Ferne gerückt. Weitere Szenarien will die Zentrale laut Herterich im Verlauf der Woche vorbereiten - und nach Möglichkeit nicht vor Sonntag veröffentlichen.

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