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Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: SPD will keine rot-rote Koalition unter linker Führung

Die SPD in Sachsen-Anhalt könnte Sondierungsgespräche auch mit der Linkspartei führen. Aber sie will gern Juniorpartner der CDU bleiben

Von Matthias Meisner

Der Ton ist belehrend, der Tonfall ein wenig beleidigt: In Sachsen-Anhalt wird es „keine große Koalition“ geben, sagt Dietmar Bartsch voraus, Ex-Bundesgeschäftsführer der Linkspartei und einer ihrer Vize-Fraktionschefs im Bundestag. Bartsch hat im Wahlbüro der sachsen-anhaltinischen Linken mitgeholfen, die Wahl am Sonntag zu einem Erfolg zu machen. „Eine große Koalition ist gemeinhin die Koalition zwischen den beiden stärksten Parteien“, erläutert Bartsch – und wenn etwas ausgeschlossen ist, dann das Bündnis zwischen CDU und Linkspartei.

Mindestens mit letzter Feststellung liegt Bartsch zweifellos richtig. Aber wenn er behauptet, dass die politische Landschaft vielgestaltiger geworden ist, dann gilt das nur mit einer Einschränkung: Auch anno 2011, 21 Jahre nach der Wiedervereinigung, will die SPD partout keinen linken Ministerpräsidenten zulassen. Das betrifft jetzt Sachsen-Anhalt. Aber auch nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin im Herbst ist zwar Rot-Rot denkbar, nicht aber ein Regierungschef der Linken. In beiden Ländern scheitert es an den Kräfteverhältnissen: Laut Umfragen liegt die Linkspartei klar hinter der SPD.

So kann Reiner Haseloff, CDU-Spitzenkandidat und designierter Regierungschef, in Magdeburg ziemlich entspannt daran gehen, die Wiederauflage der schwarz-roten Koalition vorzubereiten – aus der Wahl war seine Partei mit 32,5 Prozent als stärkste Kraft hervorgegangen. Die Linke landete laut vorläufigem amtlichen Endergebnis mit 23,7 Prozent vor der SPD, die auf 21,5 Prozent kam. Die „gute Koalition“ mit der SPD solle fortgesetzt werden, sagt der bisherige Landeswirtschaftsminister Haseloff, als er am Montag eintrifft bei den Spitzengremien der CDU in Berlin. Und der bundesweit bisher wenig bekannte Politiker betätigt sich bereits als Ratgeber für die Unionsfreunde im Westen. Die müssten „sehr, sehr landesspezifische Themen formulieren“, rät er mit Blick auf die Wahlen am Sonntag in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Mit annähernder Sicherheit steht auch Jens Bullerjahn für die Neuauflage der Koalition bereit, SPD-Spitzenkandidat, Finanzminister, bisher und wohl auch künftig Vize-Regierungschef. Seine Partei vermeidet zwar – so wie schon Bullerjahn am Wahlabend – eine Koalitionsaussage. Es gebe „keinen Automatismus“, heißt das bei Generalsekretärin Andrea Nahles. Parteichef Sigmar Gabriel betont, „zum Nulltarif“ werde die SPD nicht zu haben sein.

Der SPD-Landesvorstand stimmte am Montagabend einstimmig für exklusive Sondierungsgespräche mit dem bisherigen Koalitionspartner CDU, die am Freitag stattfinden sollen. Je nach Verlauf sollen dann Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufgenommen oder doch noch Sondierungsgespräche mit den Linken geführt werden. Doch Spielraum hat die SPD nicht mehr wirklich, will sie sich an ihre Ansage aus dem Wahlkampf halten, nach der es die Wahl eines linken Regierungschefs nicht geben wird. Denkbar wäre Rot-Rot geworden, hätte die SPD die Linke doch noch überrundet. Nun aber pocht die Linkspartei auf die Spielregeln. Gregor Gysi, Fraktionschef im Bundestag, meint, ein solcher Handel wäre Betrug an den Wählern. „Das werde ich schon deshalb nicht machen, weil ich damit den Wählerinnen und Wählern sagte, es ist ganz egal, wie stark ihr uns wählt. Die SPD stellt sowieso immer den Ministerpräsidenten.“ Wulf Gallert, Spitzenkandidat der Linken für das Amt des Regierungschefs, versichert, noch habe er die Chance nicht aufgegeben: „Die Möglichkeit, dass die Linke den Ministerpräsidenten stellt, besteht nach wie vor.“ Schließlich habe eine „klare Mehrheit“ in seinem Bundesland „für gesellschaftliche Veränderungen“ votiert.

Intern aber sieht die Linke die Sache als gelaufen an. In einer ersten Analyse schreiben der Leiter der Strategieabteilung in der Berliner Parteizentrale, Horst Kahrs, und der Linken-Reformer Benjamin-Immanuel Hoff, selbst ein Politikwechsel mit einem SPD-Ministerpräsidenten an der Spitze müsste „in nicht unerheblichem Maße“ gegen den Willen der sozialdemokratischen Anhänger durchgesetzt werden. Die Größe der inhaltlichen Schnittmengen sei noch kein ausreichender Grund, um eine bestimmte Koalition zu präferieren. Um die Wähler in eine rot-rote Koalition mitzunehmen, „müssen also jenseits politischer Ziele liegende Akzeptanzprobleme gelöst werden“. Vom „verabsolutierten Führungsanspruch“ der SPD in einem Linksbündnis ganz zu schweigen.

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