zum Hauptinhalt
Blumen für Hannelore Kraft in Berlin – nachträglich zum 49. Geburtstag.

© dpa

NRW: Drohung mit der Minderheit

Die SPD in Nordrhein-Westfalen will zunächst aus der Opposition heraus Politik bestimmen – die CDU reagiert gelassen.

Jürgen Rüttgers hat ein neues Argument. Als er noch einmal eindringlich gefragt wurde, warum er denn nicht zurücktritt und damit den Weg für eine stabile Regierung und eine große Koalition frei macht, berief er sich auf das höchste Gesetz. „Das verbietet die Landesverfassung“, sagte der geschäftsführende Ministerpräsident des größten Bundeslandes, nachdem er sich mit Rechtskundigen beraten hatte. Auf diese Weise versuchte er die für ihn unangenehme Debatte zu beenden und fügte dann noch an, dass seine geschäftsführende Regierung jetzt versuchen werde, „zum Wohle des Landes“ weiterzuarbeiten.

Natürlich haben ihn die Fachleute längst darüber aufgeklärt, dass sein Spielraum jetzt eingeschränkt ist und er zum Beispiel durch eine andere Mehrheit im Parlament politisch getrieben werden kann. Er weiß inzwischen, dass ihn Sozialdemokraten und Grüne zum Beispiel auffordern werden, die Studiengebühren abzuschaffen, und damit ein Herzstück seiner schwarz-gelben Mehrheit zurückzudrehen versuchen. „Aber jede Opposition muss sagen, woher das Geld kommt“, ruft er allen Veränderungswilligen im Landtag deshalb zu. Damit deutet er an, dass er nicht bereit sein wird, alles umzusetzen, was demnächst im Düsseldorfer Landtag eine Mehrheit findet.

Hannelore Kraft weiß das und hat deshalb ebenfalls schon Juristen auf die Sache angesetzt. Sie will genau wissen, was eine nur noch geschäftsführende Regierung darf und nicht darf. „Die Lage ist hier nicht wie in Hessen“, wiederholt sie deshalb vor allem außerhalb von Nordrhein-Westfalen, wo sie ständig auf die hessische Situation und das Duell zwischen Koch und Ypsilanti angesprochen wird. „Wir haben eine eigene rot-grüne Mehrheit, damit kann ich bis auf den Haushalt vieles durchsetzen, sogar ohne die Linke“, hat Hannelore Kraft etwa dem eigenen Parteivorstand in Berlin erklärt und außerdem darauf hingewiesen, dass Rüttgers im Gegensatz zu Koch nur noch geschäftsführend im Amt ist – was bestimmte Einschränkungen bedeutet.

Während Jürgen Rüttgers in seiner Rolle kaum gestalten kann, denken Sozialdemokraten und Grüne darüber nach, mit welchen Themenfeldern sie ihren Widersacher zuerst traktieren. Nach Lage der Dinge werden sie mit jenen Reformen beginnen, die keine Änderungen im Haushalt nach sich ziehen. „Wir werden dafür sorgen, dass Nordrhein-Westfalen wieder das Mitbestimmungsland Nummer eins wird“, lautete die Formel, mit der Kraft im Wahlkampf über die Dörfer gezogen ist. Jetzt will man das Personalvertretungsgesetz wieder ändern und die schwarz-gelben Einschnitte bei der Mitbestimmung zurücknehmen. Kein Geld kostet die Veränderung der Gemeindeordnung, wo die Stadtwerke wieder die alte Freiheit für geschäftliche Aktivitäten erhalten sollen. Auf der Wunschliste der Gewerkschaften ganz oben steht auch das Tariftreuegesetz, das sowohl Kraft als auch Sylvia Löhrmann von den Grünen wieder einsetzen werden.

Sowohl in der eigenen Partei, aber auch gegenüber den Grünen hatte Hannelore Kraft im übrigen einigen Erklärungsbedarf in Hinsicht auf eine mögliche Minderheitsregierung. Im Moment hat sie das ausgeschlossen, was nicht nur bei den Grünen für kritische Nachfragen gesorgt hat. „Wir können uns das vorstellen“, hatte Sylvia Löhrmann mehrfach gesagt und Enttäuschung durchblicken lassen, dass die Partnerin Kraft ihr dabei nicht folgt. „Ich habe mit ihr gesprochen und es erklärt“, sagt Hannelore Kraft dazu und stellt klar, dass sie natürlich alles tun werde, wenn zum Beispiel im Bundesrat wichtige Entscheidungen anstehen und die Stimmen Nordrhein-Westfalens entscheiden könnten. „Dann denken wir neu nach“, hat sie sowohl Löhrmann wie dem eigenen Parteivorstand in Berlin versprochen. „Aber ich glaube nicht, dass diese Bundesregierung im Moment irgendetwas hinbekommt“, hat sie hinzugefügt. Da hat ihr in diesem Kreis niemand widersprochen.

Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Norbert Römer, sieht in einer Minderheitsregierung „keine Dauerlösung, sie ist die Ultima Ratio“. „So weit sind wir heute aber noch nicht“, sagte Römer. Die Legislaturperiode beginne gerade erst, und sofort mit einer Minderheitsregierung zu starten, hält er „nicht für zielführend, um einen Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen erfolgreich zu gestalten“.

Die CDU geht gelassen an die Situation heran, ohne parlamentarische Mehrheit regieren zu müssen. „Die Regierung ist handlungsfähig, der Haushalt bis zum Jahresende bewilligt“, sagte CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid. „Genauso wie die SPD wird auch die CDU parlamentarische Mehrheiten für ihre Projekte suchen und finden.“ Man wolle „auf betroffene gesellschaftliche Gruppen zugehen und sie eng einbinden“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false