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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bei der Kommunalwahl eine herbe Schlappe erlitten.

© REUTERS

Wahlfiasko für Präsident Macron: Frankreichs Städte werden grün

In Frankreich formiert sich nach der Kommunalwahl ein grün-linkes Bündnis. Es könnte Macron bei der Präsidentschaftswahl 2022 gefährlich werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Emmanuel Macron wusste, was ihn erwartet, als die Franzosen am Sonntag in knapp 5000 Kommunen in einer Stichwahl über Bürgermeister und Gemeinderäte entschieden. Die Partei des französischen Präsidenten hat bei der Kommunalwahl eine krachende Niederlage erlitten, die sich schon im ersten Wahlgang im März abzeichnete. Mehr noch: Die Wahlen markieren eine weitere Umwälzung in der Parteienlandschaft im Nachbarland.

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Zu denken gibt zunächst die historisch niedrige Wahlbeteiligung, die gerade einmal bei 40 Prozent lag. Dies lässt sich nicht alleine auf die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus in den Wahllokalen zurückführen. Zwar konnte die Öko-Partei „Europa-Ökologie – Die Grünen“ in den großen Städten, wo die Stichwahlen am Sonntag in erster Linie stattfanden, ihre Wähler mobilisieren. Dies führte zu einer „grünen Welle“ in Bordeaux, Straßburg, Lyon, Poitiers und Besançon. Aber breitere Bevölkerungsschichten in den ärmeren Viertel der Städte blieben zu Hause. Und selbst die Anhänger der Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM) hatten Besseres zu tun, als ihre Stimme abzugeben.

Für Macron wurden bei der Kommunalwahl zwei Dinge zum Verhängnis. Da ist zum einen die mangelnde Verankerung von LREM in der politischen Landschaft Frankreichs. Die aus der 2016 gegründeten Bewegung „En Marche“ hervorgegangene Regierungspartei kann zufrieden sein, wenn sie nach der endgültigen Auszählung 10.000 von den landesweit insgesamt 530.000 Gemeinderäten stellt.

Das Misstrauen gegenüber dem Staatschef sitzt tief

Zum anderen hat Macron mit einem tief sitzenden Misstrauen bei breiten Schichten der Bevölkerung zu kämpfen. Erst bekam er das Etikett des „Präsidenten der Reichen“ umgehängt, dann entlud sich der Protest im Aufstand der „Gelbwesten“. Und während der Pandemie, die im Nachbarland zu rund 30.000 Todesfällen führte,  wurde den Franzosen angesichts des Vergleichs mit Deutschland bewusst, dass Macron als oberster Krisenbekämpfer alles andere als glücklich agierte. 

Gleichzeitig hat im politischen Spektrum Frankreichs eine Verschiebung stattgefunden, die Macron bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2022 noch zu schaffen machen könnte. Die Grünen, die am Sonntagabend bei der Bekanntgabe der Ergebnisse einen Triumph nach dem anderen feierten, sind in den letzten Jahren deutlich nach links gerückt. Die junge, urbane Wählerschaft, die Macron noch bei der Präsidentschaftswahl von 2017 mehr oder weniger erfolgreich umgarnen konnte, ist unterdessen bei der Kommunalwahl zu den Grünen übergelaufen.

Heiße Sommer in Frankreichs Städten - ein Grund für den Erfolg der Grünen

Das hat leicht greifbare Gründe. So hat auch der letzte Sommer vielen Franzosen wieder vor Augen geführt, wie schnell hohe Temperaturen das Leben in den Städten zur Qual machen. Jetzt stehen überall in den Metropolen im Nachbarland Begrünungspläne, der Ausbau von Fahrradwegen und die Verbannung von Autos hoch im Kurs. Es ist genau jene Politik, mit der die in Paris wiedergewählte sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo bei den Wählern ankommt.

In der Praxis macht Macron eine konservative Politik

Macron trat 2017 noch mit dem Anspruch an, „weder links noch rechts“ zu sein. In der Praxis hat er sich in den vergangenen drei Jahren in seiner Amtsführung indes mit einer eher konservativen Politik profiliert. Für die kommenden Präsidentschaftswahlen, die nach wie vor einen beherrschenden Einfluss auf das gesamte politische Geschehen haben, muss das für Macron angesichts seiner überwiegend älteren Anhängerschaft strategisch nicht unbedingt ein Nachteil sein. Aber der 42-Jährige, der vor drei Jahren das Parteiensystem noch kräftig durcheinanderwirbelte, muss nun seinerseits zuschauen, wie sich links der Mitte ein neues Bündnis formiert.

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Für die Präsidentschaftswahl 2022 strebt Sozialisten-Chef Olivier Faure nach dem überraschenden Wahlsieg der Grünen ein Bündnis mit der Öko-Partei an. Mit anderen Worten: Es ist denkbar, dass Frankreichs Grüne, die bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich bislang noch nie eine entscheidende Rolle spielten, in knapp zwei Jahren nach dem höchsten Amt im Staat greifen.

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