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Politik: Wahlhilfe aus Berlin

Die Aussöhnung mit den Gegnern des Irak-Krieges könnte Bush auch zu einer zweiten Amtszeit verhelfen

Freundlichkeit in der Politik besteht oft darin, dass man etwas in Aussicht stellt. Deutschland stellt nun in Aussicht, dass man einen Nato-Einsatz im Irak nicht blockieren werde, wenn dieser als Beitrag zur Stabilisierung unter UN-Mandat geplant und von einer legitimen irakischen Führung gewünscht werde. Mehr noch: Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am Mittwoch im Auswärtigen Ausschuss, unter diesen Bedingungen sei auch die Entsendung eines Medevac-Airbusses der Bundeswehr denkbar. Denn das fliegende Lazarett sei humanitäre Hilfe, kein militärisches Engagement.

Dennoch wären damit deutsche Soldaten im Irak im Einsatz. Bislang sind GSG-9-Beamte in Bagdad. Verteidigungsminister Peter Struck hatte gerade erst bekräftigt: „Kein deutscher Soldat hat im Irak etwas verloren.“ Irakische Offiziere werde Berlin gern ausbilden, aber eine militärische Präsenz der Bundeswehr im Irak bleibe ausgeschlossen.

Meist antworten Politiker nicht auf hypothetische Fragen. Was wäre, wenn es eine neue Regierung in Bagdad gäbe, wenn zudem ein neues UN-Mandat bestünde, wenn dann auch noch die Nato als Schutztruppe gebraucht würde? Dass Schröder jetzt eine solche Kette von Hypothesen annimmt, um darauf ein deutsches Minimal-Angebot zu setzen, hat wenig mit der Tagespolitik und dem Irak zu tun – aber viel mit den USA.

Denn der Irak ist noch immer eine Belastung des transatlantischen Verhältnisses. Da ist es bedeutsam, dass auch die Führung in Washington Berlin etwas in Aussicht stellt. Nämlich die Beteiligung an Wiederaufbau-Aufträgen für den Irak. Eigentlich wollte George W. Bush Kriegsgegner von solchen Töpfen vertreiben. Gegenüber Kanada wurde nun eine Ausnahme gemacht, weitere hat Bushs Umfeld bereits angekündigt. Dass Deutschland nicht dabei ist, gilt als unwahrscheinlich.

Medevac für den Irak, Aufträge für Deutschland: Dies sind zwei Facetten einer forcierten Entspannung. Washington betreibt sie, weil in den USA der Wahlkampf begonnen hat. Drei zentrale Themen will Bush den Demokraten stehlen. Eines, den Freihandel, hat er bereits. Denn die US-Demokraten gebärden sich unmittelbar vor ihren ersten Vorwahlen so protektionistisch wie selten. Umgekehrt kündigt Bushs Handelsbeauftragter Bob Zoellick US-Konzessionen an, um die Doha-Runde der Welthandelsorganisation neu zu beleben. Freihandel: Das ist ein Thema, das Big Business an die Republikaner bindet. Das zweite Thema, Einwanderung und Aufenthaltsrechte für bislang Illegale, ist gut für Bushs Ruf unter Amerikas Spanischsprachigen. Die dritte Bush-Initiative besteht darin, den Demokraten ihre wichtigste Irak-Kritik unmöglich zu machen. Denn die rügen vor allem, Bush habe seine Alliierten verprellt. Nähern sich Berlin und Washington nun an, kann Bush seinen Gegnern sagen: Wir teilen die Irak-Verantwortung doch genau so, wie ihr dies stets verlangt!

„2004 ist das Jahr, in dem wir Gegnern des Irakkriegs die Möglichkeit geben wollen, an einen gemeinsamen Tisch zurückzukehren“, hat ein hoher Bush-Berater gerade gesagt. Im Kanzleramt mehren sich derweil Stimmen, die fordern, auf die Option Obstruktion zu verzichten. Es liege in Berlins Interesse, sich auf die wahrscheinliche Wiederwahl Bushs einzustellen. Das Treffen zwischen Bush und Schröder in den USA Ende Februar soll diese klammheimliche Deckung der Interessen besiegeln. So profitieren Schröder und die deutsch-amerikanischen Beziehungen vom US-Wahlkampf.

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