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Das geht es lang. Merkel hat nach dem furchtbaren ersten Jahr der schwarz-gelben Koalition die Stammwähler gepflegt.

© REUTERS

Wahljahr 2011: CDU stärkt Abwehrkräfte

Angela Merkel ist erkältet, die Liebe zur FDP erkaltet – und die Grünen werden im Vielfach-Wahljahr als Hauptgegner ausgemacht.

Von Robert Birnbaum

Angela Merkel ist schwer erkältet und krächzt heiser, was ganz praktisch ist, weil sie sowieso nichts sagen will. Andere Parteien erfinden zu Jahresanfang à la SPD mal wieder den Fortschritt neu oder kämpfen à la FDP mal wieder gegen den Untergang. Die CDU-Spitze vermeidet jedes Aufsehen. Ein abgelegenes Hotel in einem Vorort von Mainz, ein unaufgeregtes Manifest und eine Kanzlerin und Parteichefin, die versichert, dass „Deutschland ein Industriestandort bleiben“ solle, was nicht mal neuzeitliche Anhänger des Kommunismus infrage stellen – fast könnte man denken, da werde im Vielfach-Wahljahr die alte Strategie der Wähler-Einschläferung neu aufgelegt. Das allerdings wäre ganz falsch zu glauben. Merkel hat nach dem furchtbaren ersten Jahr der schwarz-gelben Koalition systematisch ihre Stammwählerbasis gepflegt. Die ersten Erfolge sind zu erkennen. Und nichts soll diesen leisen Aufschwung stören.

Tatsächlich ist die Lage der CDU vor sieben Landtags- und Kommunalwahlen nicht richtig gut – die meisten dürfte sie verlieren, in Hamburg angefangen. Aber im Seelenleben von Parteien spielen Relativitätstheorien eine große Rolle. Im Vergleich zum vorigen Sommer geht es der CDU fast prima. Ihre Chefin ist als einzige der Koalitionsparteien unangefochten, ihr energischerer Ton in Partei und Regierung kommt bei den Anhängern gut an. Dass das jahrelange Werben um neue Wählerschichten damit erst einmal zu den Akten gelegt ist – selbst das Logo „Die Mitte“ ist in Mainz vom blauen Podium-Hintergrund verschwunden –, gehört zu den notwendigen Opfern.

Erfolgreich ist das insofern, als selbst Landesverbände wie die Bremer, die in einen völlig aussichtslosen Wahlkampf ziehen, bei der Klausur wenigstens positive Grundstimmung vermelden. Kontroverse Debatten blieben in Mainz ohnehin aus; auch deshalb, weil diese neue CDU-Führung nach dem Abgang der Roland Koch, Christian Wulff und anderer sich ganz neu sortieren muss. Beim Kampf um den Euro ist ebenfalls ein Aufatmen möglich; zumal Finanzminister Wolfgang Schäuble, berichten Teilnehmer, habe sehr erleichtert gewirkt.

Vor allem aber: Die Aussichten für die wirklich entscheidende Wahl, die im März in Baden-Württemberg, sind nicht mehr düster. Breit schmunzelnd legte Regierungschef Stefan Mappus am Freitagabend der CDU-Führung neue Umfragedaten vor: CDU bei 41 Prozent, mit massivem Zulauf nahe 50 Prozent bei den Alten über 60 – und den ganz jungen Wählern bis 24 Jahren. Den Umschwung bewirkt hat Heiner Geißlers Schlichtung für Stuttgart 21. Seither, sagt ein baden-württembergischer Spitzenmann, ist aus dem Bahnhofsstreit das Gift raus und, kleiner Nebeneffekt, der eigenwillige Ex-Generalsekretär resozialisiert: „Der gehört jetzt wieder zur Familie.“

Gewonnen ist das wichtigste Stammland damit noch nicht. „Zwischen totalem Machtverlust und absoluter Mehrheit ist alles drin“, sagt einer aus der Südwest-Parteispitze realistisch. Der Koalitionspartner FDP schwächelt immer noch. Aber Stützungsmaßnahmen sind nicht geplant, eher im Gegenteil. Die „Mainzer Erklärung“ – die, was das Zielpublikum angeht, viel richtiger Stuttgarter Erklärung heißen müsste – betont Industriepolitik, soziale Marktwirtschaft und Erhalt der Stärken des Wirtschaftsstandorts als Markenkern der CDU. Man kann das als wenig freundliche Attacke auf den letzten Rest von Kompetenz der FDP deuten. Aber in Merkels Strategie, jetzt erst mal die eigene Basis zu festigen, ist der Zug nur logisch: Die CDU will die Wähler zurückholen, die sie vor der Bundestagswahl in Guido Westerwelles Arme getrieben hatte. Entsprechend mitleidlos zeigen sich CDU-Führungsleute. Die FDP müsse sich schon selbst helfen. Ach ja, und was neue Rufe nach Steuersenkung angeht: „Wenn sich die Spielräume ergeben“, sagt Merkel, komme auch das Thema wieder auf die Agenda. Nur wann das sein werde, das könne derzeit „redlich“ niemand sagen.

Noch eine Zahl aus dem Südwesten freut die CDU. Die Grünen, vor einem halben Jahr noch bei 32 Prozent, sind auf 27 zurückgegangen. „Bei den Grünen blättert der Lack“, sagt Generalsekretär Hermann Gröhe; Merkel wiederholt sogar, dass es ein „Hirngespinst“ wäre, bei der Bundestagswahl 2013 auf Schwarz-Grün zu setzen. Gröhe gilt eigentlich als Freund dieses Farbenspiels, so wie viele in Merkels Umfeld. Aber angesichts einer grünen Partei, die als bürgerliche Konkurrenz im CDU-Lager zu wildern droht, geht derzeit die Abwehr vor. Und die CDU-Parole von der „Dagegen-Partei“ hat bei den Grünen einen Nerv getroffen. Dass sie für Alternativenergie seien, aber gegen jeden Meter der dafür notwendigen Hochspannungsleitungen, ist schließlich nicht ganz falsch. Die ehemaligen Mitglieder der schwarz-grünen „Pizza-Connection“ kennen die Seelenlage ihrer grünen Gegenüber ziemlich gut.

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