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Wahlkampf-Endspurt: Parteien schwören Anhänger auf letzte Stunden ein

Kurz vor der Wahl mobilisieren die Parteien die letzten Kräfte: Die Kanzlerin feuert ihre Anhänger an, Kontrahent Steinmeier fordert "Wahlkampf bis zur letzten Sekunde".

Es ist der Höhepunkt des Superwahljahres 2009: 62,2 Millionen Bürger sind am Sonntag zur Wahl des neuen Bundestags aufgerufen. Auch in Schleswig-Holstein und Brandenburg wird gewählt. Den Umfragen zufolge hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch immer beste Chancen, im Amt zu bleiben. Unsicher aber ist, welche Koalition sich aus der Wahl ergibt.

Jüngste Umfragen sehen den Vorsprung von Schwarz-Gelb deutlich schwinden. Die Kanzlerin rief deshalb am Samstag ihre Anhänger zum Wahlkampf bis zur letzten Minute auf. "Es lohnt sich, heute noch bis in die späten Abendstunden mit jedem Nachbarn und Freund noch ein Wort zu reden", rief Merkel ihren Anhängern bei einer CDU-Veranstaltung im Berliner Bezirk Treptow zu. Es komme jetzt auf jede Stimme an.

Um aus Wirtschaftskrise herauszukommen, sei politische Stabilität vonnöten, sagte Merkel wenige Stunden nach ihrer Rückkehr vom Weltfinanzgipfel in Pittsburgh. Diese Stabilität gebe es nur mit einer schwarz-gelben Koalition. Allerdings müsse die Union darin auch stark genug sein, sagte Merkel und warnte ihre Anhänger vor "taktischen Spielchen". Die Union benötige beide Stimmen, weil sie als einzige verbliebene Volkspartei für soziale Marktwirtschaft stehe.

Auch ihr Kontrahent, SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier, forderte von seinen Genossen, "den fulminanten Wahlkampf" bis zur letzten Sekunde fortzusetzen. "Das Wahlergebnis wird ein ganz anderes sein, als es vor Wochen vorhergesagt wurde", sagte Steinmeier am Samstag in Dresden. "Die Union fällt in sich zusammen wie ein nasser Karton." Steinmeier warnte erneut vor einem "sozialen Kahlschlag", sollte es zu einer Koalition zwischen Union und FDP kommen.

Demoskopen gehen davon aus, dass derzeit noch 40 Prozent der Wähler unentschlossen sind. Die meisten Institute erwarteten zuletzt eine knappe Mehrheit für ein Bündnis von Union und FDP. Die SPD kann darauf hoffen, sich nochmals als Juniorpartner in eine große Koalition zu retten. Alle anderen Bündnis-Varianten gelten als wenig wahrscheinlich. Um die rund 600 Abgeordnetensitze im 17. Deutschen Bundestag bewerben sich insgesamt mehr als 3500 Bewerber aus 28 Parteien.

Entscheidend könnten die Überhangmandate werden: Im Extremfall könnten Union und FDP selbst 45 Prozent der Stimmen reichen, um eine Mehrheit zu bekommen. Überhangmandate gibt es dann, wenn eine Partei in einem Bundesland direkt in den Wahlkreisen mehr Mandate gewinnt als ihr nach den Zweitstimmen zustehen. Davon könnte diesmal vor allem die CDU profitieren.

Laut einer Umfrage von Forsa kamen CDU/CSU zuletzt auf 33 Prozent, zwei Punkte weniger als noch Anfang dieser Woche. Die SPD verlor einen Punkt und lag bei 25 Prozent. Die FDP stieg in der Wählergunst um einen Punkt auf 14 Prozent. Auch die Linke legte weiter zu, um zwei Punkte auf 12 Prozent. Die Grünen verloren einen Punkt auf 10 Prozent. Union und FDP lagen demnach gemeinsam bei 47 Prozent - und damit gleichauf mit SPD, Grünen und Linkspartei.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle zeigte sich beim offiziellen Wahlkampfabschluss der Liberalen am Samstag siegessicher. Die FDP befände sich in den "letzten Stunden der Opposition", sagte er in Köln. Mit der Bundestagswahl werde eine Politik beendet, "die mit immer höheren Steuern und Abgaben, mit immer mehr Bürokratie das Leben der Bürger unbezahlbar" gemacht habe. Einer Ampel-Koalition mit SPD und Grünen erteilte Westerwelle erneut eine klare Absage. "Kein Ministerposten ist so schön, dass wir bereit sind, das Wort, das wir vor der Wahl gegeben haben, zu brechen."

Bei der Landtagswahl in Brandenburg gilt SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck als klarer Favorit. Sowohl die bisher mit ihm als Juniorpartner in einer großen Koalition regierende CDU als auch die Linkspartei bieten sich der SPD als Koalitionspartner an. In Schleswig-Holstein entscheiden die Wähler, ob CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen im Amt bleibt oder von seinem SPD- Herausforderer Ralf Stegner abgelöst wird. Den Umfragen zufolge kann die CDU trotz absehbarer Verluste wieder damit rechnen, stärkste Partei zu werden. Offen ist, ob es für ein schwarz-gelbes Bündnis reicht.

Bundespräsident Horst Köhler rief trotz der weit verbreiteten Politikverdrossenheit zur Stimmabgabe auf: "Zur Wahl gehen, das heißt mit dafür sorgen, dass die Wahl im Ergebnis wirklich den Willen des Volkes ausdrückt", schrieb er in Bild am Sonntag. "Denken Sie daran: Die Nichtwähler sind in den Parlamenten nicht vertreten", fügte er hinzu. "Wenn Sie nicht wählen, haben Sie niemanden, der Ihre Anliegen im Parlament vertritt. Und vielleicht stärken Sie sogar diejenigen, die nicht in Ihrem Sinne handeln."

Bei der Bundestagswahl 2005 hatte die Wahlbeteiligung einen historischen Tiefstand von 77,7 Prozent erreicht. Damals erreichten CDU/CSU 35,2 Prozent der Stimmen, die SPD 34,2 Prozent, die FDP 9,8 Prozent, die Linke 8,7 Prozent und die Grünen 8,1 Prozent.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa

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