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Wahlkampf: Hubertus Heil: General von Porta Westfalica

Hubertus Heil spielt im Wahlkampf nur noch eine Nebenrolle – der Generalsekretär sieht für sich trotzdem eine Zukunft in der SPD.

Die Sonnenschirme der SPD bleiben drin. Draußen regnet es hartnäckig. Im Festsaal zur „Schönen Aussicht“ in Porta Westfalica schmücken sie den Raum und auf den Stehtischen haben die Genossen Taschentücher-Packungen mit der Aufschrift „Nicht weinen, wählen – SPD“ ausgelegt. Der SPD-Ortsverein Porta Westfalica feiert das Jubiläum eines Friedrich-Ebert-Gedenksteins, und sie haben einen Ehrengast: Hubertus Heil, der Generalsekretär. Er spricht über Ebert, über Schumacher, über Brandt. Auch über Müntefering. Ehrennadeln muss er SPD-Jubilaren, die bei dieser Feier für ihre lange Parteimitgliedschaft geehrt werden, anstecken. Es ist die Welt des Hubertus Heil. Seine neue. Eigentlich wollte er Wahlkampfmanager werden, Linien und Strategien entwickeln. Das aber machen seit der Rückkehr von Franz Müntefering auf den Chefposten der SPD andere. Heil ist jetzt für Porta Westfalica verantwortlich. Hier soll er das sozialdemokratische Herz erwärmen.

Den Genossen gefällt’s. Immer wieder stecken die meist älteren und meist männlichen Zuhörer ihre Köpfe zusammen. „Der wirkt so ganz anders als im Fernsehen“, murmeln einige. Bissig sei er da zwar, aber auch etwas steif. Der Mann mit der strengen Frisur wirkt für viele wie jemand, der schon immer mit Aktenkoffer unterwegs war. Mit seinen 37 Jahren wirkt er deutlich älter, als er ist. Arriviert, einige sagen altklug. Es mag daran liegen, dass er als Kind schon Verantwortung übernehmen musste, weil sein Vater früh die Familie verließ. Biografisches allein erklärt aber nicht, warum er nicht in die Rolle des frischen, aufstrebenden Jungpolitikers passt. Es hat auch etwas mit der SPD zu tun. Viele der jüngeren sind schon lange dabei, haben viele Gremiensitzungen auf dem Buckel und es immer mit „den Alten“ zu tun – Anpassungsprozesse bleiben da nicht aus. Heil kennt das Problem. „Ich hoffe, dass ich mich irgendwann einhole“, sagt er.

In kleiner Runde kann er durchaus witzig sein. Ein guter Stimmenimitator ist er, ein Filmfan. Wenigstens das kann er zurzeit etwas auskosten – im Auto auf dem Weg quer durch Deutschland. Denn Heil muss raus. In die Partei, auf Wahlveranstaltungen. Im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD, ist er weitestgehend abgemeldet. Die Gemengelage dort ist kompliziert. Berater für Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier gibt es viele. Mit dem bisherigen stellvertretenden Regierungssprecher Thomas Steg kommt nun ein weiterer hinzu. Heil pflegt zu beiden ein freundschaftliches Verhältnis, Einfluss hat er aber keinen mehr. Das liegt weniger an Steinmeier als an Franz Müntefering. Das Verhältnis zum SPD-Chef ist gestört.

Als Müntefering im Oktober 2005, in seiner ersten Amtszeit als SPD-Chef, seinen Vertrauten Kajo Wasserhövel als neuen SPD-Generalsekretär gegen Andrea Nahles durchsetzen wollte, scheiterte er auch am Netzwerk, einem Zusammenschluss junger Abgeordneter. Deren Sprecher Heil setzte sich in Telefonkonferenzen für die Wahl von Nahles ein, die im Parteivorstand auch eine Mehrheit bekam. Müntefering trat daraufhin zurück, Matthias Platzeck wurde Vorsitzender, Heil Generalsekretär. Es blieb nicht der letzte Konflikt der beiden. Als im vergangenen Jahr zwischen dem damaligen Parteichef Kurt Beck, der Platzeck folgte, und Müntefering der Machtkampf um die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I tobte, stellte sich Heil hinter Beck. Wieder unterlag Müntefering, wieder zog er sich zurück – diesmal aus dem Ministeramt ins Private. Als Beck im Herbst gestürzt wurde und Müntefering wieder ins Willy-Brandt-Haus einzog, war klar, was das für Hubertus Heil bedeuten würde. Er wurde entmachtet. Heil umschreibt es so: „Es war politisch und menschlich eine bewegende Zeit.“ Müntefering inthronisierte Kajo Wasserhövel als Bundesgeschäftsführer, der dem Generalsekretär formal untergeordnet ist, aber eben nur formal. Heil war isoliert. Man müsse in der Parteizentrale alles neu aufbauen, wurde kolportiert; Müntefering-Leute beschrieben die Organisation im Willy-BrandtHaus als „schockierend“.

Offene Kritik an ihm gibt es dagegen nicht. Über Heil regt sich keiner auf. Das kann in der SPD, die diskursiv denkt und streitbare Personen mag, ein gefährliches Zeichen sein. Heil ist loyal, begreift sich als Vermittler. Er ist der dienstälteste Generalsekretär der SPD, wenngleich es dieses Amt erst seit 1998 bei den Sozialdemokraten gibt. Davor übernahm der Bundesgeschäftsführer diese Aufgaben. Heil hat mit Platzeck, Kurt Beck, dem Interimschef Steinmeier und nun Müntefering schon vier Vorsitzende erlebt. Zu allen war er loyal. Er passte sich an. Für einige zu viel. Viele hätten sich gewünscht, dass er vor allem im Streit um das Arbeitslosengeld I standhafter geblieben wäre. Schließlich war es auch ein symbolischer Kampf um den Umgang mit der Agenda-Politik. „Ich fand das ein richtiges Signal und kein Aufweichen der Substanz der Arbeitsmarktreform“, sagt er heute.

Auch gegenüber Wasserhövel ist er wieder loyal. Ihr Verhältnis ist schwierig, auf keinen Fall freundschaftlich, aber es funktioniert. Leute, die Heil lange kennen und immer wieder beobachtet haben, berichteten davon, dass es ihm nicht gut gegangen ist zu dieser Zeit, im Frühjahr.

Mittlerweile hat er sich arrangiert. Als er Anfang dieser Woche eine familienpolitische Kampagne mit der TV-Super- Nanny Katharina Saalfrank in Berlin vorstellte, scherzte er wieder. Sogar seine Krawatte legte er ab. Es scheint, als habe er seine Nische gefunden. So grotesk es klingt, der Europawahlkampf, ein Desaster für die SPD, war im Nachhinein nicht schlecht für Heil. Ging doch diese Niederlage auf die Rechnung derer, die wirklich die Fäden ziehen im Willy-Brandt-Haus. Heil, der General, zählt nicht mehr dazu.

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