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Wahlkampf im Internet: Tweets ohne Kraft

Alle Parteien führen ihren Wahlkampf auch im Internet. Doch nicht jeder Auftritt passt auch wirklich zum jeweiligen Kandidaten. Die Onlinemedien werden derweil zur Plattform für kritische Wähler.

Berlin - Das Internet ist längst ein fester Bestandteil eines jeden Wahlkampfes. Und die CDU in Nordrhein-Westfalen hat jüngst schmerzlich erfahren, wie einflussreich Onlinemedien geworden sind. Der Blog „Wir in NRW“, für den der ehemalige stellvertretende „WAZ“-Chefredakteur Alfons Pieper verantwortlich ist, hatte die Diskussion rund um den Sponsoringskandal mit angefeuert und interne Dokumente veröffentlicht, die Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in Erklärungsnot brachten. Auch Informationen über die fragwürdige Finanzierung von Rüttgers’ Wahlkampf im Jahr 2005 kamen aus dem Internet. Oliver Zeisberger, dessen Agentur den Onlineauftritt der NRW-SPD mitverantwortet, spricht von einem neuen Phänomen im deutschen Wahlkampf. Das Web 2.0 als Kampagnenplattform der Wählerschaft und Kritiker könne den Wahlkampf aktiv und basisdemokratisch beeinflussen.

Noch informiere sich allerdings nur ein Drittel der Bevölkerung online über den Wahlkampf, meint Thorsten Quandt vom Lehrstuhl für interaktive Medien- und Onlinekommunikation der Universität Stuttgart-Hohenheim. Dennoch könne sich keine Partei mehr erlauben, in Foren, Blogs und sozialen Netzwerken nicht vertreten zu sein.

Die Wählerschaft der Grünen ist besonders internetaffin. Bis zu 90 Prozent der Grünen-Wähler würden sich im Internet über das politische Tagesgeschehen informieren, sagt Sabine Brauer, Wahlkampfmanagerin der Grünen. Folgerichtig fahren die Grünen so ziemlich alles auf, was das Web 2.0 zu bieten hat. Es gibt sogar einen parteiinternen Videokanal namens „Grüntube“. Mit der Kampagne „Drei Tage wach“ wollten die Grünen vor der Wahl zudem bis zu 72 Stunden lang am Stück online eingehende Fragen von Wählern beantworten. Der Hauptgeschäftsführer der FDP in NRW, Ralph Sterck, gibt an, nach der Bundestagswahl habe man an nur einem Tag 1000 Beitritte meist junger Wähler übers Internet registriert. Daher sei es selbstverständlich, dass man online vertreten sei. Die FDP-Fraktion in Nordrhein-Westfalen bot diesmal auch sogenannte Apps für Smartphones an, die über die aktuellsten Entwicklungen der Landes-FDP informierten.

Dagegen kommt die Seite des CDU-Landesverbandes nicht besonders poppig und jugendlich daher, wie auch der stellvertretende Pressesprecher der Landtagsfraktion einräumt. Obwohl Ministerpräsident Jürgen Rüttgers 3340 Fans bei Facebook hat, hält sich die CDU beim Onlinewahlkampf zurück. Die digitale Präsenz müsse zum Kandidaten passen, betont SPD-Wahlhelfer Zeisberger. So könne sich etwa niemand vorstellen, dass SPD-Spitzenfrau Hannelore Kraft mit ihrem Smart Phone im Auto sitze und Tweets poste.

Künftig, da sind sich Insider wie der Branchenverband Bitkom sicher, werde das Internet wahlentscheidend sein. Bis dahin bleiben jedoch Fernsehen und Zeitung die Leitmedien im Wahlkampf.

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