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Wahlkampf in Frankreich: "Der dritte Mann"

Neben den beiden Favoriten Royal und Sarkozy macht ein neuer Herausforderer von sich reden. Sein Stimmenanteil wächst täglich, auch weil er mit seinem "dritten Weg" außerhalb des erstarrten politischen Systems Frankreichs steht.

Paris - Sieben Wochen vor der französischen Präsidentenwahl sorgt ein Mann aus dem Südwesten für Wirbel im Kampf um die Nachfolge von Staatschef Jacques Chirac. Während sich die beiden Favoriten, der konservative Nicolas Sarkozy und die linke Ségolène Royal, aus ihren politischen Schützengräben heraus bekriegen, macht François Bayrou fast jeden Tag mehr von sich reden. Der 55-jährige Zentrumspolitiker legt von Umfrage zu Umfrage zu, hat den rechtsextremen Jean-Marie Le Pen längst überflügelt. Sein Rezept: Er verspricht, die klassischen Fronten von linkem und rechtem Lager aufzubrechen, kann sich große Koalitionen vorstellen - und auch einen linken Premier unter einem Staatschef Bayrou. Die Favoriten "Ségo" und "Sarko" macht das nervös.

Der geschickt taktierende Bauernsohn und Pferdezüchter aus der Pyrenäen-Region Béarn hat sich zu jenem "dritten Mann" profiliert, den sich etliche Franzosen, frustriert von der Politik der großen Parteien, herbeigesehnt haben. Seit der letzten Präsidentenwahl 2002 hat Bayrou seine kleine Zentrumspartei UDF (Union pour la Démocratie Française) mit ihren 30 Abgeordneten Schritt für Schritt von der übermächtigen Regierungsformation UMP emanzipiert und auch den Bruch - bei einer Etatabstimmung - nicht gescheut. Programmatisch ist der Titel seines Buches von 1999: "Jenseits der ausgetretenen Pfade". Jetzt sieht der gelernte Lehrer, mehrfache Bildungsminister und sechsfache Vater die Zeit gekommen, für Überraschungen zu sorgen.

"Große Koalition" gefragt

Auf seinem dritten Weg will Bayrou die Konfrontation und diesen "fortwährenden Krieg" zwischen Sozialisten und Neogaullisten hinter sich lassen "und Frankreich damit aus der Sackgasse herausbringen". Ihm schwebt vor, "die kompetenten Leute der verschiedenen politischen Lager zusammenarbeiten zu lassen". Immerhin 6,6 Millionen Zuschauer fand Bayrous eineinhalbstündige Präsentation in dieser Woche im Fernsehsender TF1. Sarkozy und Royal kamen bei ihren TV-Auftritten auf acht bis neun Millionen. Jeder Dritte gewönne nach einer Umfrage einer Art "Großen Koalition" etwas ab. Auf Höhenflug ist Bayrou, seit eine Befragung ihn als Sieger in einer Stichwahl gegen Sarkozy wie auch gegen Royal sah. Utopisch? Wahrscheinlich schon, aber sicher sein kann niemand.

Der Aufsteiger aus dem Stall des früheren Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing macht jedenfalls die anderen unruhig. Royal warnt schon vor einer "gefährlichen Konfusion", weil Bayrou die Franzosen davon abhalten wolle, "zwischen zwei Gesellschaftsmodellen und zwei politischen Visionen zu wählen, die sich gegenüber stehen". Das Land komme nicht voran, "indem man eine Prise Soziales in einen Ozean des Liberalismus wirft", erinnert Royal an die rechtsliberale Philosophie des "dritten Mannes", der jetzt soziale Töne anschlägt. Und die UMP von Parteichef Sarkozy berief sogar einen Ausschuss ein, der Bayrou und dessen Wahlkampf beobachten soll. Dieser sieht die Chance seines Politikerlebens, ganz weit zu kommen, also bis in den Elysée-Palast. (Von Hanns-Jochen Kaffsack, dpa)

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