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Wahlkampf-Kolumne: Das billige Anti-EU-Gefühl

Europapolitik im Wahlkampf: Politikredakteur Albrecht Meier erklärt, was hinter dem Streit in der Union steckt.

Europa – das Thema ist wichtig, und natürlich sind wir dafür, wenn Europa immer enger zusammenwächst. So lautete das Credo  vieler deutscher Politiker, jahrelang. Nur hörte es sich leider oft eher wie ein Lippenbekenntnis an. Denn tatsächlich galt und gilt Europa zwar als wichtig, aber auch als ein wenig unspannend. Der Beweis: Politiker, die im Bundestag etwas werden wollen, meiden die Europapolitik. Sie gilt nicht als „sexy“, ergo nicht als förderlich für die Karriere. Das ist das Dilemma der EU: Einerseits ist sie zur Selbstverständlichkeit geworden. Andererseits scheuen viele Politiker die Mühe, sie richtig zu erklären.

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag, das die Karlsruher Richter Ende Juni gefällt haben, könnte sich daran etwas Grundlegendes ändern.  Das Verfassungsgericht hat dem Bundestag ins Stammbuch geschrieben, dass er nicht schlafen darf, wenn in Brüssel Politik gemacht wird. Dass er sich einmischen muss, wenn der Europäischen Union – wie der Lissabon-Vertrag dies möglich macht – weitere Kompetenzen übertragen würden. Unter dem Tagesordnungspunkt „Europa“ würden im Bundestag dann nicht nur  Lippenbekenntnisse abgehandelt, sondern echte Debatten geführt. Dies wäre, wenn es denn so käme, der gute Teil der Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist,  dass die CSU, die nach dem Spruch der Karlsruher Richter  mit der CDU in einen heftigen Streit über die EU-Politik geraten ist, wahrscheinlich  mehr will als nur eine getreuliche Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils. Je mehr sich  die Auseinandersetzung innerhalb der Union hinzieht, umso stärker gerät die CSU in einen bösen  Verdacht: Dass sie nicht nur die Mitspracherechte des Bundestages und Bundesrates in der EU-Politik stärken, sondern vor allem im Wahlkampf ein allgemeines Anti-EU-Gefühl auf ihre Mühlen lenken will.

Horst Seehofer hat bislang wenig unternommen, um diesen Verdacht zu entkräften. Fatalerweise muss sich der CSU-Chef durch den Erfolg seiner Partei im Europawahlkampf bestätigt fühlen, bei dem anti-europäische Ressentiments ebenfalls kräftig bedient wurden. Seehofer sollte sich bei dem Streit, bei dem es vordergründig nun um die Neufassung des Begleitgesetzes zum Lissabon-Vertrag geht, davor hüten, sein europapolitisches  Spielchen vom Frühjahr zu wiederholen. Oder sollte er ernsthaft wollen, dass der Lissabon-Vertrag ganz am Ende noch kippt – ausgerechnet wegen Deutschland?

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