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TV-Duell von BK Merkel und Steinmeier

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Wahlkampf-Kolumne: Sieger ist die Politik

Die Medien und der Wahlkampf: Redaktionsdirektor Gerd Appenzeller fand das TV-Duell weder langweilig noch inhaltsleer.

Ein Wattebäuschchen-Duell würde das werden und ziemlich langweilig, sah, hörte und las man im Vorfeld des Fernsehabends mit Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und vier Journalisten. Nach 90 Minuten ist die Bilanz klar: Von Langeweile keine Spur, es gab durchaus heitere Elemente und unterschiedliche Positionen, kaum wolkige, sondern recht präzise Antworten von Kanzlerin oder Vizekanzler. Es war wieder ein Straßenfeger, der Millionen Menschen fesselte, ein Beleg dafür, dass die Bürger sich sehr wohl für Politik interessieren. Wer freilich erwartet hatte, dass zwei Politiker, die über Jahre hinweg eine nicht ganz erfolglose Koalition gemeinsam geführt haben, nun übereinander herfallen würden, bringt einfach falsche Vorstellungen von den Umgangsformen zivilisierter Menschen mit.

Sowohl Angela Merkel als auch Frank-Walter Steinmeier können durchaus kokett sein. Aber in keinem von beiden steckt so viel von den selbstgefälligen Charakterzügen eines Edmund Stoiber oder Gerhard Schröder, dass sie sich gegenseitig oder durch die fragenden Journalisten hätten aus der Haltung bringen lassen. Wenn hier jemand anderen ins Wort gefallen ist, dann waren es die vier Fernsehmoderatoren, die immer wieder auch da unterbrachen, wo ein Einschreiten wegen vermeintlich zu langatmiger Politikergirlanden überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Wie dann Kanzlerin Merkel und ihr Außenminister den Journalisten gemeinsam die Welt zu erklären suchten, das hatte schon was. Und wenn beide sich auf die Frage, ob sie nervös seien, kurz anschauen und prustend los lachen, spürt man ganz genau, dass die beiden auch noch vier weitere Jahre miteinander regieren würden.

Es gab Differenzen, ja doch. Bei der Atomenergie zum Beispiel. Wenn Steinmeier da sagt, es müsse beim Ausstieg bleiben, und Merkel von einer Brückentechnologie spricht, bedeutet das zwar vielleicht das Gleiche, aber man ahnt, dass Merkels Brücke ziemlich lang ist. Oder beim Mindestlohn, den die Kanzlerin eher mit zusammengekniffenen Lippen akzeptiert, von dem ihr Vize aber deutlich mehr haben will. Oder bei den Managergehältern und der Reglementierung der Akteure auf den Finanzmärkten, damit sie nicht wieder das gleiche verantwortungslose Spiel wie vor einem Jahr hinter unserem Rücken anfangen. Auch das vielleicht wahlentscheidende Thema der sozialen Gerechtigkeit wurde von Steinmeier anders, fordernder intoniert als von Merkel, die hier nur wenige Defizite im Jetztzustand erkannte. Im Wahljahr 2002 hatte Schröder gegen Stoiber mit einem klaren Nein zu einer deutschen Beteiligung an einem Irakkrieg gepunktet. Steinmeier ließ sich jetzt beim Thema Afghanistan nicht vergleichbar in Stellung bringen.

Diese 90 Minuten hatten keinen ganz klaren Sieger. Merkel war wärmer, zugewandter als Steinmeier, aber der wiederum war gut in den Fakten und längst nicht so technizistisch, wie er gesehen wird. Vor vier Jahren, damals mit Gerhard Schröder und Angela Merkel, hat sich danach der Trend gedreht. Der „Professor aus Heidelberg“ als Schreckgespenst kostete die Union massiv Stimmen. Auch jetzt sind es noch 14 Tage bis zur Wahl. Ein zweiter Kirchhof tauchte am Sonntagabend nicht aus den Kulissen auf. Im Gegenteil – eigentlich können die beiden ganz gut miteinander, haben wohl viele Zuschauer gedacht.

Gerd Appenzeller

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