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"Der Frank" gegen die "Meisterin des Ungefaehren"

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Wahlkampf-Kolumne: Skandal? Skandale!

Politik ohne Zukunft im Wahlkampf: Lutz Haverkamp, Ressortleiter Politik, über die tatsächlichen Skandale dieser Tage.

Von Lutz Haverkamp

Das Land eilt von Skandal zu Skandal, in einem Höllentempo. Aber kaum jemand empört sich, niemand tritt zurück, schon gar niemand entschuldigt sich. Ja, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wurden die Folterinstrumente gezeigt; sie darf vorerst einer Gruppe von Politikern nicht angehören, die sich als Kompetenzteam bezeichnet und Deutschland in die Zukunft führen will. Das war’s. Das war’s? Bis auf Weiteres.

Was ist ein Skandal? Ein Skandal ist, dass das Bundesverfassungsgericht der aktuellen Bundesregierung binnen weniger Tage zwei Mal verfassungswidriges Verhalten bescheinigt hat. Dabei ging es nicht um den Verstoß gegen die Anweisungen zur Nutzung von Dienstfahrzeugen, sondern um die Missachtung des Grundgesetzes. Beim ersten Urteil betraf es die rigide Informationspolitik der schwarz-roten Regierung im BND-Untersuchungsausschuss. Dieser Ausschuss befasste sich mit keiner geringeren Frage als der, inwieweit die Bundesrepublik aktiv am Krieg im Irak mitgewirkt hat. Bei der zweiten Entscheidung aus Karlsruhe ging es um die nachrichtendienstliche Überwachung von Bundestagsabgeordneten; was auch nicht gerade ein urdemokratischer Akt ist. Kann man als Politiker größere Schuld auf sich laden, als gegen die Verfassung zu verstoßen, die man zu verteidigen im Amtseid geschworen hat? Alle, die an, sagen wir mal zugespitzt, Verfassungsbrüchen beteiligt waren, sind noch im Amt, fahren Dienstwagen. Sie sind im Kompetenzteam der SPD oder organisieren an herausgehobener Stelle den Wahlkampf der Union. Kein Rücktritt, keine Entschuldigung.

Was ist ein Skandal?

Ein Skandal ist, dass die Bundesregierung ohne Not eine Rentengarantie beschlossen hat, um 20 Millionen Wähler gnädig zu stimmen. Ein Skandal ist, dass die Bundesrepublik auf einen Schuldenberg von 2000 Milliarden Euro zuläuft, ohne dass die Verantwortlichen Wege aufzeigen, wie es nachfolgenden Generationen gelingen soll, diese enorme Schulden- und Zinslast jemals wieder in den Griff zu bekommen, um auch in Zukunft finanzielle Mittel für politische Gestaltung zur Verfügung zu haben. Ein Skandal ist, dass die Hypo Real Estate (HRE) mit Milliardenaufwand verstaatlicht und saniert wird, ohne dass eine ausreichende parlamentarische Kontrolle dazu stattfindet. Ein Skandal ist, dass der dafür zuständige Untersuchungsausschuss Bundeskanzlerin Angela Merkel zu den Vorgängen bei der HRE nicht einmal als Zeugin befragen darf. Immerhin hat die Kanzlerin an der Entscheidung mitgewirkt. Ein Skandal ist, dass fünf Milliarden Euro Steuergelder für die viel gepriesene Abwrackprämie ausgegeben wurden, ohne Mindestanforderungen an Spritverbrauch oder Schadstoffausstoß zu stellen. Ein Skandal ist, dass in Deutschland noch Atomkraftwerke laufen, ohne dass nach jahrzehntelanger Diskussion auch nur annähernd die Frage nach einem sicheren Endlager für Atommüll beantwortet ist. Ein Skandal ist, dass in der deutschen Gesellschaft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, Vermögen aber so niedrig besteuert wird wie fast nirgendwo sonst auf der Welt. Ein Skandal ist, dass trotz Wirtschaftskrise und Rekordverschuldung weite Teile der Politik den Wählern weismachen wollen, dass sich die Deutschen nach der Wahl auf Steuersenkungen und stabile Sozialabgaben freuen können. All das sind Skandale.

Heute in acht Wochen wählen die Deutschen diejenigen, die das Land in den nächsten vier Jahren aus dem Tal der weltweiten Krise hinaus und in eine bessere Zukunft führen wollen. Der politische Wettstreit um die besten Wege, um die klügsten Ideen und die wirkungsvollsten Instrumente ist alles andere als bereits entbrannt. Es steht zu befürchten, dass das auch nicht mehr wirklich besser wird.

Und das ist – ein Skandal.

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