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Wahlkampf-Kolumne: Verkehrt, verkehrt und zur falschen Zeit

Strategie im Wahlkampf: Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff über die Fehler der Sozialdemokraten.

Eine Partei, die womöglich vor allem aus einem Grund gewählt wird: aus Mitleid. Weil es nicht sein kann, was wegen der politischen Hygiene nicht sein darf, dass sie nämlich ganz und gar eingeseift wird. Das gibt es nicht? Gibt es doch. Die Partei heißt SPD. Sozialdemokratischer Patient Deutschlands.

Anders sind ihre Fehler in der Wahlkampfführung bald nicht mehr zu erklären. Obwohl, Wahlkampfführung … Wer führt den eigentlich? Was die SPD als Partei vorführt, ist jedenfalls an sich schon eine Verballhornung – wahrscheinlich in der Hoffnung auf eine Qualkampfrührung beim Wähler.

Die bis gestern, bis zur Teamvorstellung, geltende Grundlage ihrer Überlegungen war schon immer falsch: zu denken, dass es wieder einen „Ich-will-haben-dass“-Kanzler Schröder bräuchte, einen, der es für sie „reißt“, der es „stemmt“. Erstens hat die SPD so einen gar nicht mehr. Zweitens hat sie Steinmeier, und der war nie Schröders Mund, sondern immer sein Gehirn, um es mal so zu sagen. Er hat die Agenda 2010 erdacht, sie nicht auf den Marktplätzen verkauft. Er hat Regierungspolitik gemacht, keinen auf großen Staatsmann. Ach je, SPD. Als sie Schröder hatte, trauerte sie Lafontaine nach. Jetzt, da sie keinen Schröder mehr hat, denkt sie, es ginge nur so, wie er es gemacht hat? Verkehrt, verkehrt, und das zum falschen Zeitpunkt.

Die SPD, immer mal wieder abgelenkt, lenkt permanent den Wähler von der Sache ab, so dass sie, logisch, nicht zur Sache kommen kann. Weder so noch so. Verbunden mit der neuen und alten Mitte, wo Wahlen gewonnen werden, geht es nach Schröder aber nur mit neuer Bescheidenheit und althergebrachten Werten. Mit Solidität, mit Seriosität, mit Glaubwürdigkeit. Mit der Macht von 150 Jahren. Das wirkt vielleicht nicht glamourös, aber nachhaltig.

Wenn es aber darum geht (oder zumindest auf der Zielgeraden des Wahlkampfs für die SPD noch gehen soll), dann ist jetzt endlich Vertrauen das wichtigste Wort. Vertrauen beim Wähler wiederzugewinnen muss für sie vorrangig sein. Von wegen „versprochen, gehalten“: Nach all den Wahlen und den vorher nicht angekündigten folgenden Kursänderungen – „Reformen“ genannt, mit Hartz als nur einem Stichwort – ist doch ziemlich viel Misstrauen in die Worte der SPD gewachsen.

Deshalb ist die Behandlung des Falles Ulla S. auch so falsch, die Reaktion ja geradezu verheerend. Entweder ist alles richtig, was die Bundesministerin getan hat, dann gehört sie ins Wahlkampfteam des Kandidaten; oder es war falsch, dann eindeutig nicht. Aber ein „bis auf weiteres nicht“ klingt wie eine Misstrauenserklärung gegenüber der Ministerin und wie eine Misstrauensprovokation beim Wähler.

Mit klaren Entscheidungen hätte es „Ich-würde-gerne-haben-wollen-wenn ich-könnte“-Kanzlerkandidat Steinmeier auch einfacher, für sich und sein Team das nötige Vertrauen zu schaffen. Die Sache noch zu stemmen, das Ding doch noch zu reißen. Für seinen Mix aus Jünger und Älter, Frauen und Männern, Bekannten und Unbekannten hätte sich Steinmeier durchaus auch noch gegen den einen oder die andere stellen müssen; nur schon, weil ja offenkundig nicht alle gegenwärtigen Minister für die Zukunft taugen. In der es vor allem darum geht, ein Ziel zu erreichen: Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Halt das, was der Amtseid vorgibt – Staat zu machen. Da hilft kein Mitleid.

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