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Wahlkampf: Nachrichten aus der Provinz

Zwei Berliner Firmen bringen den Wahlkampf von CDU und SPD auf das Handy. Jeder kann mitmachen.

Berlin - Die digitale Deutschland-Karte der SPD ist mit 225 Pins gespickt. Hinter jedem versteckt sich ein Stück Wahlkampf. Klickt man auf einen Pin im Norden, öffnet sich ein Bild des Kandidaten Keno Borde mit einer ostfriesischen Weinkönigin, im Süden zum Beispiel ein Foto des SPD-Standes auf dem lesbisch- schwulen Straßenfest in Nürnberg. So sieht er aus, der Handy-Wahlkampf der Sozialdemokraten. Alle Schnappschüsse haben Wahlkampfreporter, also SPD-Anhänger mit Kamerahandys, auf das mobile Onlineportal hochgeladen. Auch die CDU hat so ein Portal, auf dem sie Handybesitzer mit Informationen zum Wahlkampf versorgt: Nachrichten, Videos und Twitter-Mitteilungen. Nach dem Internet haben die Parteien nun auch das Mobiltelefon als Kommunikationsmittel entdeckt.

Es sind zwei Berliner Firmen, die diese Angebote technisch möglich machen. „Wir haben schon bei der vergangenen Bundestagswahl den Wahlkampf der CDU über das Handy unterstützt“, sagt Dirk Kraus, Vorstandschef der Yoc AG. „Damals ging es allerdings primär um den Versand von SMS. Heute sind wir wesentlich flexibler und können viel mehr anbieten.“ Das liegt zum einen daran, dass die Endgeräte immer mehr können und längst zu kleinen Taschencomputern geworden sind, und zum anderen an den schnelleren Übertragungsraten in den Mobilfunknetzen sowie an günstigeren Tarifen und Daten-Flatrates. Die Nutzer müssen somit nicht mehr befürchten, nach dem mobilen Surfen eine horrende Rechnung zu bekommen. „Auch die Inhalte werden immer besser“, sagt Kraus. Etliche 1000 Nutzer gebe es bereits auf dem mobilen Portal der CDU. Die Einführung des Designhandys iPhone von Apple habe sehr geholfen. „Es ist kein Geheimnis, dass iPhone-Besitzer das mobile Internet am meisten nutzen.“

Drei verschiedene mobile Angebote – je nachdem, welches Handy man nutzt – hat A & B Face2net für die SPD realisiert. Neben dem Wahlkampfreporter kann man zum Beispiel auf das iPhone Unterstützerstimmen für die Partei hochladen oder anhören. „Auf dem iPhone macht das ganze natürlich am meisten Spaß, weil es das innovativste Handy ist“, sagt Geschäftsführer Dietrich Boelter. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier habe selbst eins. „Er kontrolliert ganz gut, was wir dort machen“, sagt Boelter. Es ist mittlerweile der dritte Bundestagswahlkampf in dem A & B Face2net die SPD begleitet. Noch sei die Nutzerzahl im mobilen Portal im Vergleich zum stationären Internet relativ gering, gibt Boelter zu. „Aber 6000 Leute haben die Applikation für das iPhone schon heruntergeladen“, sagt er. „Wenn man sich die alle in einer Halle versammelt vorstellt, dann ist das schon eine ganz schöne Wahlkampfveranstaltung.“

Auf ihre Wahlkampf-Innovationen sind die Parteien mächtig stolz. „Beim mobilen Portal setzt die CDU ganz auf die neue Online-Philosophie, weg vom reinen Informationskanal hin zu einem modernen Mobilisierungsportal“, erklärte die Union zum Start. Bei der SPD heißt es: „Ziel ist es, eine Verbindung zwischen Online- und Offline-Wahlkampf herzustellen und zum Mitmachen anzuregen.“

Wandeln die deutschen Volksparteien also auf den Spuren von Barack Obama? Dessen moderne Kommunikationsstrategie galt als Schlüssel zum Erfolg bei den US-Präsidentschaftswahlen. Carsten Reinemann ist skeptisch. „Der mobile Wahlkampf hat hier längst nicht die Breitenwirkung wie in den USA“, sagt der Professor für Politische Kommunikation von der Ludwig-Maximilians-Uni in München. Das liege nicht zuletzt daran, dass man in den USA leichter an Personendaten komme, um Menschen gezielt anzusprechen.

Zu CDU und SPD dagegen müssen die Menschen aktiv hinsurfen. „So erreicht man nur die, die ohnehin interessiert sind, also die eigenen Anhänger“, sagt Reinemann. Neue Wähler gewinne man so nicht, zumal die inhaltlichen Botschaften dürftig seien. Der Handywahlkampf sei lediglich ein Mittel, um sich als moderne Partei zu inszenieren und die eigenen Wahlkämpfer zu motivieren. In den USA stand dagegen das Spendensammeln im Vordergrund. D. Gratzla/C. Visser

Mit dem Handy online gehen:

http://mobil.cdu.de

http://mobil.spd.de

D. Gratzla, C. Visser

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