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Wahlkampfdebatte: Merkel nimmt Kritik auf

Die CDU hat rund zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl eine kritische Wahlkampf-Bilanz gezogen, sich aber demonstrativ hinter die Parteivorsitzende Angela Merkel gestellt.

Berlin - Übereinstimmend berichteten Teilnehmer der mehrstündigen Wahlkampf-Analyse am Montag in Berlin, dass zwar kontrovers diskutiert wurde, von einem «Scherbengericht» aber keine Rede sein könne. Als eine der Konsequenzen des erheblichen Stimmenverlustes bei der Wahl am 18. September kündigte Merkel eine Überarbeitung des Grundsatzprogramms der Partei an. Damit solle das inhaltliche Profil der CDU geschärft werden.

«Dann werden wir es wieder schaffen, breitere Bevölkerungskreise anzusprechen», sagte Merkel nach der Sitzung. Es würden aber auch in Zukunft - bei den anstehenden Wahlkämpfen für die Landtagswahlen des Jahres 2006 - «ehrliche Wahlkämpfe» geführt. «Die Diskussion hat eindeutig gezeigt, dass der Wahlkampf der Ehrlichkeit ein richtiger Wahlkampf war», sagte die Parteivorsitzende.

Die in den vergangenen Tagen parteiintern heftig kritisierte Wahlkampf-Bilanz, die auf Wunsch Merkels erst nach Übernahme der Regierungsverantwortung vorgenommen wurde, sei mehr als eine Pflichtübung gewesen. In der Wahrnehmung der Menschen habe die CDU den Wahlkampf so geführt, als sei sie bereits Regierungspartei. Um Vertrauen bei den Menschen zu gewinnen, dürften im Wahlkampf nicht Erwartungen geweckt werden, denen Enttäuschungen folgten, sagte Merkel. «Das Verhältnis von Erwartungen und tatsächlichen Erfolgen müssen wir wieder in Balance bringen.» Bei der Bundestagswahl hatte die Union mit 35,2 Prozent ihr drittschlechtestes Ergebnis erzielt.

Zum Auftakt der Vorstandssitzung war der bisherige Fraktionsvize der Union, Ronald Pofalla, einstimmig zum neuen Generalsekretär benannt worden. Er soll auf einem kleinen CDU-Parteitag in der ersten Jahreshälfte 2006 formell gewählt werden. Der 46-jährige Pofalla ist Nachfolger des neuen Fraktionsvorsitzenden der Union, Volker Kauder.

Der niedersächsische Regierungschef und CDU-Bundesvize Christian Wulff sagte nach der Debatte, aus gemeinsam gemachten Fehlern müsse für die Zukunft gelernt werden. Es sei im Wahlkampf vor allem nicht gelungen, Zuversicht der von der SPD geschürten Angst gegenüberzustellen. Im CDU-Vorstand kam es ungeachtet der demonstrativen Einigkeit nach dpa-Informationen zu einer kontroversen Debatte über die Konsequenzen aus dem schwachen Wahl-Ergebnis. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen nahm Merkel die Kritik auf, verteidigte aber das Wahlprogramm als insgesamt richtig.

Unter anderen hatte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bemängelt, dass sich die Union nicht auf der Höhe der intellektuellen Debatte bewege. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller wiederholte seine Kritik an der Wahlkampfführung. Er wie auch Rüttgers hoben die Notwendigkeit einer Debatte hervor, wie die CDU in der großen Koalition ihre «Identität und Erkennbarkeit» gewährleisten könne.

Philipp Mißfelder, Vorsitzender der Jungen Union, hatte im Bayerischen Rundfunk unterstrichen, dass für den Wahlkampf und das bescheidene Ergebnis alle im Vorstand verantwortlich seien. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer sagte nach der Präsidiumssitzung, er halte nichts davon, die Schlachten von gestern zu schlagen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch warnte davor, nun die programmatischen Aussagen in Frage zu stellen. «Eine Partei darf nicht jeden Tag über die Inhalte nachdenken», sagte Koch. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sagte in Kiel: «Wir wollen mit der Analyse kein Scherbengericht veranstalten, wir wollen auch nicht nach hinten blicken.» (tso/dpa)

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