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Das Wahlrecht muss nochmals geändert werden - das Verfassungsgericht will es so.

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Wahlrecht: Bundestag macht sich an die Reform

Die Fraktionen beginnen an diesem Dienstag ihre Gespräche zum künftigen Umgang mit Überhangmandaten. Die Zeit eilt, im kommenden Jahr wird gewählt. Liegt die Lösung in der Vermehrung der Listensitze?

Die Gespräche über ein neues Wahlrecht könnten zügiger verlaufen als bisher absehbar war. Die Union wird an diesem Dienstagnachmittag schon inhaltliche Vorstellungen in die Runde aller Bundestagsfraktionen einbringen. Dabei geht es um Varianten für den Umgang mit Überhangmandaten. Die Überlegungen laufen darauf hinaus, die Zahl der Listenmandate im Bundestag zu erhöhen. Im Gespräch ist offenbar eine Zahl um die 50. Bisher war man im Bundestag davon ausgegangen, dass es zunächst nur um Termin- und Verfahrensfragen gehen wird. Wie weit sich die Oppositionsfraktionen bei dem ersten Treffen schon auf die Überlegungen und Berechnungen der Union einlassen, ist allerdings unklar. Ebenso ist unsicher, ob der kleine Koalitionspartner FDP sich den Auffassungen der Union vollständig anschließt.

Der Bundestag muss das Wahlgesetz ändern, weil das Bundesverfassungsgericht im Juli die schwarz-gelbe Reform – die wiederum auf ein Karlsruher Urteil von 2008 zurückging – verworfen hat. Dabei ist Eile geboten, weil die nächste Bundestagswahl im September 2013 stattfindet und zur Kandidatenaufstellung möglichst bald ein neues Wahlgesetz stehen muss. In ihrer Entscheidung hatten die Richter verlangt, dass Überhangmandate nur in einem Ausmaß anfallen dürfen, das den „Grundcharakter der Verhältniswahl“ nicht aufhebe. Das Gericht bezifferte die Grenze des Hinnehmbaren mit etwa 15 Überhangmandaten. Diese Mandate fallen an, wenn eine Partei in einem Bundesland über die Erststimmen mehr Direktsitze erringt, als ihr gemäß ihrem Zweitstimmenanteil an Mandaten in diesem Land eigentlich zustünden. Diese Überhangmandate werden bisher weder mit Landeslisten verrechnet noch mit zusätzlichen Mandaten ausgeglichen.

Während die SPD eine Ausgleichslösung favorisiert, fordern Grüne und Linke die Verrechnung. Beides lehnte Schwarz-Gelb bislang ab. Offenbar ist man in der Koalition nun zu der Meinung gelangt, dass sämtliche Varianten eines Ausgleichs von Überhangmandaten wieder vor dem Verfassungsgericht scheitern würden. Der Grund: Es würde wieder das Phänomen des negativen Stimmgewichts auftreten, das die Karlsruher Richter als unzulässig erachten. Negatives Stimmgewicht bedeutet, dass mehr Stimmen für eine Partei zu weniger Mandaten führen können oder umgekehrt. Der SPD-Vorschlag, die Zahl der Direktwahlkreise zu verringern (und dadurch mehr Listenmandate zu schaffen, wodurch weniger Überhangmandate anfielen), lässt sich für 2013 nicht mehr umsetzen. Ein Neuzuschnitt der Wahlkreise in so kurzer Zeit ist unmöglich.

Die Lösung scheint nun aus Sicht der Union darin zu liegen, die Zahl der Listenmandate um eine bestimmte Zahl zu erhöhen (die Zahl der Wahlkreise bliebe bei 299). Damit würde sich die Zahl der Überhangmandate automatisch verringern. Allerdings liegen noch keine Details dazu vor. Nach einer internen Berechnung auf der Grundlage des Wahlergebnisses von 2009 würde eine Erhöhung der Sitzzahl auf 650 noch 15 Überhangmandate ergeben (nach dem alten Wahlrecht waren es 24). Insgesamt wären es also 665 Sitze. Nach dem SPD-Ausgleichsmodell wären es 666 Sitze. Unklar ist vorerst, ob im Modell der Union auch eine Verrechnung von Mandaten möglich wäre.

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