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Oh Gott, die Mehrheit! Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (rechts) und Vize Löhrmann regieren seit einem Jahr mit Minderheit. Die Linke hat als Stütze erst einmal ausgedient.Foto: dapd

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Politik: Walzer links herum, Walzer rechts herum

Krafts Minderheitsregierung in NRW setzt in der Schulpolitik jetzt auf Verständigung mit der CDU

Sylvia Löhrmann will sich ihren Optimismus nicht nehmen lassen. Obwohl die Wochen vor dem ersten Jahrestag der rot-grünen Minderheitsregierung in Düsseldorf alles andere als erfreulich verliefen, versprüht die Vize-Ministerpräsidentin Zuversicht. „Ich glaube, wir können da etwas gemeinsam mit der Opposition schaffen“, schrieb sie jetzt an die lieben Freundinnen und Freunde, nachdem sie mehrere Stunden neben Regierungschefin Hannelore Kraft mit CDU-Parteichef Norbert Röttgen und Oppositionsführer Karl Josef Laumann um einen Kompromiss in der Schulpolitik verhandelt hat. Dass dieses Urteil nicht völlig falsch sein kann, bestätigen führende Köpfe der Opposition.

Nach einem Jahr ist die Düsseldorfer Minderheitsregierung damit an einer wichtigen Wegmarke angelangt. Schaffen es Regierung und CDU, den seit bald vier Jahrzehnten währenden Schulstreit zu entschärfen und sich auf Grundlinien für eine gemeinsame Linie zu verständigen, wäre das ein erstaunliches Signal. Eigentlich sind die Beziehungen zwischen der Minderheitsregierung und der Opposition aus unterschiedlichen Gründen auf dem Nullpunkt angekommen, entgleisen die Debatten im Landtag nicht selten.

Die Christdemokraten haben ihren Machtverlust nach nur einer Legislaturperiode längst nicht verarbeitet. In Partei und Fraktion belauert man sich: Parteichef Norbert Röttgen bleibt als Bundesumweltminister auf Distanz zur Landespolitik, im Landtag rangeln Fraktionschef Karl Josef Laumann und sein Stellvertreter Armin Laschet um die Deutungshoheit. Laumann hat schon den einen oder anderen Kompromiss mit der Regierung durchgesetzt, Laschet wiederum punktete mehrfach mit harten Attacken. Zuletzt hat er es geschafft, die Regierung bei der West-LB-Abstimmung vorzuführen und in die Defensive zu bringen. Eigentlich hatte sich die CDU mit ihrem Nein zum Rettungspaket für die angeschlagene Bank völlig isoliert, weil es federführend von Wolfgang Schäuble ausgehandelt worden war. Weil die Sozialdemokraten aber im Landtag die Absprache brachen und versuchten, mit einer eigentlich krank gemeldeten Abgeordneten eine Mehrheit zu sichern, geriet das Verhalten der CDU völlig in den Hintergrund.

Zumal der Fall West-LB den Eindruck verstärkte, wichtige Mitstreiter der Ministerpräsidentin beherrschten ihr Handwerk nicht. Es war nicht das erste Mal: Krafts Wissenschaftsministerin Schulze hat zwar mit der Abschaffung der Studiengebühren gepunktet, sich aber bei der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zu angeblich verloren gegangenen Atomkugeln in der Forschungsanlage Jülich so verheddert, dass sie nun vor einem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen muss. Krafts Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger musste sich mehrfach fragen lassen, ob und wo er öffentlich stattfindet; erst seit die Regierungschefin das Thema Wirtschaft und Energie selbst besetzt, fühlen sich die Unternehmer an Rhein und Ruhr wieder wahrgenommen.

Bei jeder Abstimmung im Landtag fehlt Rot-Grün eine Stimme. Im ersten Regierungsjahr stand die Linke häufig zur Verfügung; das war auch deshalb der Fall, weil man die Leitprojekte der schwarz-gelben Vorgänger abwickelte. Wie versprochen wurden die Studiengebühren abgeschafft, das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei gestellt und die Mitbestimmungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst zur Zufriedenheit der Gewerkschaften verbessert. Doch ausgerechnet in der Schulpolitik will man nicht auf die Linke zurückgreifen, sondern einen Kompromiss mit der CDU und eine Lösung finden, die über eine Legislaturperiode hinaus hält.

Rein sachlich wäre das möglich: Auch viele CDU-Bürgermeister wollen die Hauptschule abschaffen. Dieses Zugeständnis will man auf Landesebene aber mit einer Garantie für das Gymnasium und die Realschulen verkoppeln, was Rote und Grüne ablehnen. Ob die Union am Ende zu diesem Schritt bereit ist, ist nicht ausgemacht. Geht sie auf Rot-Grün, stabilisiert sie die ungeliebte und schwächelnde Minderheitsregierung. Sagt sie nein, gibt es im Herbst Neuwahlen.

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