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Politik: Waren die Terroristen britische Muslime?

London rätselt über Herkunft der Attentäter / Innenminister Clarke warnt vor weiteren Anschlägen

London - Nach der Bombenserie von London prüfen die Ermittler vor allem zwei Theorien: Entweder es handelte sich um eine ausländische Terrorzelle – oder der Anschlag wurde von einer neuen Generation in Großbritannien selbst rekrutierter und ausgebildeter Täter verübt. Innenminister Charles Clarke sagte, es werde in viele Richtungen ermittelt, und warnte vor weiteren Attentaten: „Bis wir die Bande aufgespürt haben, fürchten wir natürlich weitere Anschläge.“

Diese Befürchtung wird von Ermittlern aus Madrid geteilt, die ihre Kollegen in London unterstützen. Denn auch der Bombenanschlag auf vier Vorortzüge in Madrid am 11. März 2004 sollte für die Terroristen nur der Anfang sein. Die Parallelen gelten nicht als zufällig. In beiden Fällen wurden vier Ziele des öffentlichen Nahverkehrs im Berufsverkehr angegriffen. Es wurden mehrere Taschen- oder Rucksackbomben benutzt, unter den Sitzen oder in der Gepäckanlage abgestellt. In Madrid war es Dynamit. Die Bomben wurden mit Zeitzündern zur Explosion gebracht. Die Täter waren offensichtlich keine Einzeltäter, sondern in beiden Fällen offenbar eine gut organisierte, womöglich international vernetzte Terrorgruppe.

Ob diese nun eingereist ist oder aus dem Lande selbst stammt, es dürfte sich bei den Attentätern vom Donnerstag um bisher nicht auffällig gewordene Personen handeln – die aber von einem erfahrenen Dschihadisten angeleitet und mit technischem Know-how versorgt wurden. Dafür spricht nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitskreise, dass die Sprengsätze nach Auskunft der Londoner Polizei „hochexplosives Material“ waren und keine einfachen, selbst gebastelten Bomben, jede habe nur etwa 4,5 Kilogramm gewogen. Das spreche für die Beteiligung eines Al-Qaida-Bombenprofis an der Vorbereitung der Anschläge.

Die Spekulationen der britischen Presse konzentrierten sich auf den untergetauchten marokkanischen Islamisten Mohammed Garbusi. Seit bekannt ist, dass die drei U-Bahn-Sprengsätze fast sekundengenau koordiniert waren, denken die Fahnder auch verstärkt an den Drahtzieher der Madrider Zuganschläge, den 45-jährigen Mustafa Setmariam Naser. Als weiterer Verdächtiger wird zudem der im Mai in Pakistan verhaftete Zeeshan Hyder Siddiqui genannt – einer von zahlreichen in Großbritannien geborenen Muslimen, die in Al-Qaida-Lagern in Afghanistan in der Herstellung von Sprengsätzen ausgebildet wurden. Deutsche Sicherheitskreise betonen, bisher führe keine Spur nach Deutschland oder in den Irak. Man halte es ebenfalls für nicht ausgeschlossen, dass die Täter aus dem Kreise der radikalisierten pakistanischen Gemeinschaft stammen. Dabei verweisen die Experten auf den vereitelten Versuch einer militanten Aktion britischer Muslime pakistanischer Abstammung in Israel 2004.

Die Annahme, dass die Anschläge von Briten im eigenen Land geplant und ausgeführt wurde, birgt den größten Schrecken für die Londoner. Bis zu 3000 Personen könnten durch Trainingslager Osama bin Ladens gegangen sein, vermutet zum Beispiel der ehemalige Scotland- Yard-Chef Lord John Stevens. 10000 Briten hätten an Konferenzen extremistischer Muslimorganisationen teilgenommen – oft Einzelgänger, die unzufrieden mit ihrer gesellschaftlichen Position sind und in Clubs oder an Hochschulen angeworben werden.

Nun wird in Großbritannien über den bisherigen Umgang mit islamistischen Extremisten und Asylbewerbern diskutiert. Die Briten werden seit langem, vor allem von französischer Seite, wegen ihrer zu laxen Haltung gegenüber Muslimen kritisiert. So zitierte die „Sunday Times“ einen Beamten des französischen Verteidigungsministeriums: „London zahlt nun den Preis dafür, dass es all diesen radikalen Organisationen von Saudis bis Pakistanis erlaubt hat, sich hier einzurichten, Rundbriefe herauszugeben, Anhänger zu rekrutieren und Gelder zu sammeln, um diese Aktivitäten zu finanzieren.“

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