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Politik: Warten auf Einsicht

Die Europaabgeordneten wollen, dass sich Italiens Regierungschef gegenüber Parlamentspräsident Cox entschuldigt

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ist sich des Umstandes bewusst, dass er eine Weile mit dem „enfant terrible“ der europäischen Politik, dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, leben muss. Am Morgen, nachdem Berlusconi den deutschen Sozialdemokraten und Europaparlamentarier Martin Schulz mit einem KZ-Aufseher verglichen hatte, sagte Prodi daher auf die Frage, wie man mit dem Eklat im Europaparlament umgehen solle: „Indem ich jetzt nichts dazu sage.“ Denn schon am Donnerstagabend – genau zu dem Zeitpunkt, als Berlusconi gegenüber Bundeskanzler Gerhard Schröder sein Bedauern über die verbale Entgleisung zum Ausdruck brachte – trafen alle EU-Kommissare in Rom mit Berlusconi zu einem Abendessen zusammen.

Nach der Entschuldigung Berlusconis richtet sich das Interesse nun darauf, wie der italienische Regierungschef sein Verhältnis zum Europaparlament wieder kittet. Der Präsident des Europaparlamentes, der Liberale Pat Cox, reagierte schon am Mittwoch trotz der aufgeheizten Stimmung im Europaparlament sehr dosiert auf den verbalen Ausfall Berlusconis. Er dürfte an die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit dem italienischen Regierungschef gedacht haben, als er in seiner unmittelbaren Reaktion den Vorfall bedauerte und die Bemerkung aus dem Protokoll streichen ließ. Der Vizepräsident Ingo Friedrich (CSU) lobte das besonnene Verhalten von Cox. „Die Arbeit und die Effizienz der Institutionen dürfen jetzt nicht beeinträchtigt werden“, sagte Friedrich.

Doch die Sozialisten im Europaparlament, Schulz’ Fraktion, wollen nicht lockerlassen. Der Fraktionsvorsitzende Enrique Baron erklärte den Streit zum Institutionenkonflikt. „Wir sind Abgeordnete, und er ist der Präsident des Rates. Dies ist kein Problem zwischen uns und Berlusconi, sondern zwischen dem Parlament und dem Rat“, sagte er. Schulz selbst erwartet inzwischen keine persönliche Entschuldigung Berlusconis mehr. „Wenn Berlusconi sich beim (EU-)Parlament entschuldige, reicht mir das“, sagte der Abgeordnete am Donnerstagabend. Da neben den Sozialisten auch die Liberalen und Grünen im Europaparlament auf eine Entschuldigung Berlusconis warten, beauftragte die Konferenz der Vorsitzenden, eine Art Ältestenrat im Europaparlament, deshalb Cox, sich mit dem Europäischen Rat in Verbindung zu setzen – das heißt mit Berlusconi.

Die Konservativen dagegen wiegeln ab. „Die EVP-Fraktion hat zwei Stunden offen und fair mit Berlusconi diskutiert, schließlich hat er seine Äußerungen bedauert“, berichtete der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Hans Gert Pöttering. Die Konservativen im Europarlament hoffen, dass er dieses Bedauern auch gegenüber Cox zum Ausdruck bringen wird. Der Institutionenkonflikt wäre damit aus der Welt geschafft.

Nach der Entschuldigung Berlusconis gegenüber Schröder zeigten sich alle Seiten bemüht, wieder zum Tagesgeschäft zurückzukehren. Der Kanzler sagte am Donnerstagabend in Berlin, die im Oktober beginnende Regierungskonferenz zur Verabschiedung der EU-Verfassung müsse ein Erfolg werden. Zuvor hatte schon Prodis Sprecher, der Berlusconis Äußerung als einen „schweren Zwischenfall“ bezeichnet hatte, betont: „Die Kommission wird in den nächsten sechs Monaten dennoch eng mit den übrigen EU-Institutionen, dem Ratspräsidenten Berlusconi, dem Parlament und den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten.“ Ganz leicht dürfte das nicht werden. Denn Prodi hegt keine Sympathien für Berlusconi. Er soll einmal über Berlusconi gesagt haben, verglichen mit dem Medienmagnaten sei Hitlers Propagandaminister Goebbels ein Waisenknabe gewesen.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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