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Politik: Warum die Statistik keine Affäre kennt

Berlin - „Da steht Aussage gegen Aussage“, sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete Michaela Noll. Am Montag hatte sie Außenminister Joschka Fischer im Visa-Ausschuss ins Kreuzverhör genommen, als es um das Thema Zwangsprostitution ging.

Von Matthias Meisner

Berlin - „Da steht Aussage gegen Aussage“, sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete Michaela Noll. Am Montag hatte sie Außenminister Joschka Fischer im Visa-Ausschuss ins Kreuzverhör genommen, als es um das Thema Zwangsprostitution ging. Dessen Argumentation: Ein Zusammenhang zwischen Visamissbrauch in der Ukraine und einem Anstieg des Menschenhandels sei nicht nachzuweisen. Im Gegenteil: Lageberichte des Bundeskriminalamtes und Informationen von Hilfsorganisationen für Prostituierte belegten, dass die Zahl der Opfer sogar rückläufig sei.

Tatsächlich hatte die Berliner Beratungsstelle Ban Ying („Haus der Frauen“) Fischer schon Ende Februar einen Brief geschrieben, in dem sie den Zusammenhang zwischen Menschenhandel und den Reiseschutzpässen verneint. „Je legaler und unabhängiger eine Frau nach Deutschland einreisen kann, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie Opfer von Menschenhandel wird“, argumentiert die Organisation. „Fatal wäre es, wenn mit dem Argument des Menschenhandels eine restriktivere Visapolitik durchgesetzt werden soll.“ Unumstritten ist diese Einschätzung aber nicht. Der Verein Solwodi mit Sitz in Boppard, der sich ebenfalls seit Jahren der Opfer von Menschenhändlern annimmt, meint, für die Beratungsstellen sei es „unmöglich, aussagekräftige Zahlen anzugeben“. Lea Ackermann von Solwodi sagte am Dienstag dem Tagesspiegel, es sei „Quatsch“, wenn Fischer einen Rückgang behaupte. Viel zu groß sei die Dunkelziffer in diesem Bereich. Ackermann beruft sich auf EU-Studien, nach denen jährlich 500000 Frauen und Kinder nach Europa gehandelt würden und davon 70000 bis 250000 nach Deutschland.

Das Bundeskriminalamt veröffentlicht jährlich ein „Lagebild Menschenhandel“ – das aber erfasst nur die bei Razzien ermittelten Opfer. Das waren 2003 gerade mal 1235, davon 103 aus der Ukraine. Die Zahlen zur Ukraine sind in der Tat rückläufig – 1999, noch vor dem neuen Visa-Erlass, waren 174 Fälle registriert worden. Ackermann wie auch die CDU-Politikerin Noll erklären diesen Trend in den BKA- Akten so: Die Polizei habe nur weniger kontrolliert.

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