zum Hauptinhalt

Politik: Warum zu großer Optimismus für den Osten eher unangebracht ist

Gregor Gysi hatte aufgepasst. Und weil es um die Situation in den neuen Bundesländern ging, war es auch nicht verwunderlich, dass der Chef der PDS-Bundestagsfraktion genüsslich den Finger in die Wunde legte.

Von Antje Sirleschtov

Gregor Gysi hatte aufgepasst. Und weil es um die Situation in den neuen Bundesländern ging, war es auch nicht verwunderlich, dass der Chef der PDS-Bundestagsfraktion genüsslich den Finger in die Wunde legte. Schröder, bemängelte Gysi, habe gesagt, in den neuen Bundesländern funktioniere die Ausbildung noch nicht, weil es dort nicht so viele Betriebe wie bei uns gebe, die ausbilden. Gysi störte dieses "wie bei uns" und sagte zu Schröder gewandt: "Das sollten Sie nicht noch einmal sagen. Der Osten gehört dazu." Doch viel weitere Angriffsfläche bot der Kanzler beim Thema Aufbau Ost nicht. Weil er das Thema mied. Optimistisch ist man zwar schon in der Bundesregierung, und Schröder geht auch davon aus, dass vom Konjunkturaufschwung insbesondere der Osten profitieren werde. Doch noch sieht es eben nicht gerade rosig in den neuen Ländern aus, und deshalb wollte Schröder dann doch lieber im Detail nicht auf die Situation eingehen. So war es der PDS vorbehalten, einen "Fahrplan für den Aufbau Ost sowie für die Angleichung von Löhnen, Gehältern und allen Sozialleistungen einschließlich der Renten" zu fordern.

Bisher ist nicht so recht erkennbar, woher die rot-grüne Regierung ihren Optimismus nimmt. Denn auch zehn Jahre nach der deutschen Einheit zeigt sich der Osten Deutschlands noch immer wachstumsresistent. Während die Konjunktur in den alten Bundesländern im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent zulegen konnte, dümpelte Ostdeutschland eher träge mit 1,1 Prozent hinterher. Da bleibt wenig Hoffnung darauf, dass die Regionen zwischen Rostock und Suhl an der konjunkturellen Wachstumsphase, in die Westdeutschland gerade eintritt, in ähnlichen Maße teilhaben werden. Glaubt man den Wirtschaftsforschern, dann wird es den Ostdeutschen in Zukunft nur mit ganz kleinen Schritten gelingen, die Leistungsfähigkeit ihrer Wirtschaft von derzeit 60 auf 100 Prozent des westdeutschen Niveaus anzuheben.

Die Gefahr, Schiffbruch zu erleiden

Wen wundert es angesichts eines solchen Bildes, dass sich Bundespolitiker nur ungern mit der so genannten ostdeutschen Frage beschäftigen. Denn: Im Osten kann man mit großer Politik nur Schiffbruch erleiden. Zu sehr unterscheiden sich die Wirtschaftsstrukturen im Osten von denen in den westlichen Bundesländern, als dass die politischen Konzepte für Deutschland auch gleichzeitig durchschlagenden Erfolg im Osten zeitigen würden. Und zu unterschiedlich ist darüber hinaus der Entwicklungsstand innerhalb der östlichen Bundesländer selbst. Was in Dresden richtig ist, lockt in der Lausitz Niemanden hinterm Ofen vor.

Finanziell ruhig stellen und im Brandfall schnelle Eingreiftruppen bilden - so sah das Ost-Konzept der vergangenen Bundesregierung spätestens seit Mitte der neunziger Jahre aus. Genau so versucht sich die rot-grüne Koalition aus der Affäre zu ziehen. Denn im Osten steckt das Dilemma im Detail: Regionen wie der sächsischen Landeshauptstadt, Jena, Leipzig und Teilen des Chemiedreiecks gelingt es sehr wohl, beachtliche Entwicklungsfortschritte zu erzielen. Hier entstehen moderne Industriebetriebe und Dienstleister, die ihre Produkte in alle Welt exportieren und Arbeitsplätze schaffen. Dass über weiten Teilen der Baubranche das Konkursschwert hängt, fällt hier nicht ganz so sehr ins Gewicht. Die Arbeitslosigkeit liegt im Schnitt gut fünf Prozent unter den Sorgenregionen des Ostens.

In Vorpommern, dem Rand Brandenburgs und in Sachsen-Anhalt helfen auch keine noch so wohlklingenden Politikrezepte aus Berlin. Hier gilt es, durch flexible Regionalpolitik Entwicklungspotenziale zu heben und durch Transferzahlungen die schlimmsten sozialen Auswirkungen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu lindern.

Zur Startseite