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Politik: Was der Staat sich leisten kann

Heftige Debatte über Mitnahme-Mentalität / CDU-Vize Böhr warnt vor Moralpredigten

Berlin Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat mit seinem Vorwurf, in Deutschland gebe es eine Mitnahmementalität bei Sozialleistungen eine heftige Debatte ausgelöst. Während der Deutsche Gewerkschaftsbund, Vertreter der SPD- Linken wie auch CDU-Chefin Angela Merkel den Vorwurf zurückwiesen, bekam Schröder vor allem aus der Wirtschaft und aus den eigenen Reihen Recht.

SPD-Chef Franz Müntefering bezeichnete Schröders Äußerungen als „richtige Ermahnung“, dass mit dem zur Verfügung stehenden Geld „mit Bedacht“ umgegangen werden müsse. Die Grünen-Finanzpolitikerin Christine Scheel argumentierte ähnlich. „Was kann der Staat sich leisten, und was ist seine Aufgabe“, fragte Scheel im Tagesspiegel. Darüber müsse angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen und der angespannten Finanzen des Bundes präziser nachgedacht werden. Scheel sagte: „Es geht nicht darum, dass man Leuten, die bedürftig sind, ihre Ansprüche absprechen will.“ Aber die Mentalität „lasst mich in Ruhe, aber ich nehme alles mit, was der Staat mir bietet“, sei in Deutschland tatsächlich weit verbreitet. Darüber hinaus sieht Scheel aber vor allem in Steuerrecht die Notwendigkeit „Mitnahmemöglichkeiten“ zu begrenzen.

Als Beispiel nannte sie Vermietungen und Verpachtungen, die deutschlandweit gesehen derzeit dank großzügiger Abschreibungsregelungen insgesamt ein Verlustbringer sind. „Da sollte man sich über die Abschreibungsbedingungen Gedanken machen“, sagte Scheel. Allerdings brauche Rot-Grün für jede Änderung im Steuerrecht die Zustimmung des unionsbeherrschten Bundestags. Zwar forderte CDU-Chefin Angela Merkel am Wochenende, die Regierung solle ihre Arbeit ordentlich machen. Allerdings hat Scheel Zweifel, ob es dafür von der Union auch tatsächlich Unterstützung gibt, wenn es darum geht, Subventionen im Steuerrecht zu streichen.

CDU-Vize Christoph Böhr sagte dem Tagesspiegel, es führe in die Irre, wenn Politiker glaubten, den Menschen neue Moral und Anstand predigen zu müssen. „Das wird misslingen, gerade aus unserem Mund“, sagte Böhr. Die Politik habe in den vergangenen Jahrzehnten selbst viel zu oft Gesetze und Regelungen erlassen, die zur Mitnahme von Leistungen anreizten. Die Menschen hätten dadurch immer wieder die Erfahrung gemacht, „dass der Anständige der Dumme ist“. Böhr forderte ein Umdenken in der Gesetzgebung mit dem Ziel, Anreize für positives, dem Gemeinwohl dienliches Verhalten zu schaffen. Es müsse belohnt werden, wenn ein Mensch sich um Arbeit bemühe und damit auf staatliche Leistungen verzichte. Das sei keine „ausgabenträchtige sozialpolitische Spinnerei“, sondern werde auf Dauer für den Staat billiger.

Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Karl Heinz Däke, forderte Schröder auf, bei seiner Kritik die Politiker nicht außen vor zu lassen. Schließlich hätten sich die Parlamentarier eine großzügige Altersversorgung genehmigt, zu der sie keinen Cent beitragen müssten. „Von einer solchen Luxusversorgung kann ein normaler Rentner nur träumen“, sagte er der Chemnitzer „Freien Presse“. bib/deh/ddp

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