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Politik: Was der Stoff kostet

Die CDU vertagt die Entscheidung über die Herointherapie – scheitert sie deshalb am Geld?

Eine Anhörung wurde beschlossen, aber kein Termin, heißt es knapp im Büro des Gesundheitsausschusses. Der hat sich am Mittwoch erstmalig mit dem Gesetzesentwurf der Opposition zur heroingestützten Behandlung von Suchtkranken befasst. Der Antrag von FDP, Grünen und Linkspartei sieht vor, die Therapie mit Heroin in die Regelversorgung aufzunehmen. Die Opposition will noch vor der Sommerpause eine Anhörung zum Thema, denn die Zeit drängt: Ende Juni läuft der Modellversuch aus, danach können die Kommunen ihre Patienten nicht mehr mit Heroin behandeln, es fehlt die gesetzliche Grundlage. Wer weitermachen will, muss beim Bundesamt für Arzneimittel eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Bisher hat nur Frankfurt am Main diesen Antrag gestellt; er wurde im April genehmigt. Alle anderen Städte hoffen bisher noch auf den Gesetzgeber.

Doch die Union lässt sich Zeit. Sie will das Thema in den September vertagen. Damit würde eine Abstimmung über den Antrag in weite Ferne rücken. Ein Spiel auf Zeit? Von der Opposition will das niemand kommentieren, auch die SPD schweigt dazu: Die strittige Terminfrage wurde schließlich im nichtöffentlichen Teil der Sitzung erörtert. In der Union hält man die Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens für unproblematisch. „Es gibt keine zeitliche Bedrängnis“, sagte deren drogenpolitische Sprecherin Maria Eichhorn dem Tagesspiegel. Schließlich sei keine Heroinambulanz gezwungen zu schließen. „Es steht den Kommunen frei, mit einer Ausnahmegenehmigung die Behandlung fortzusetzen.“

Das ärgert den Karlsruher Bundestagsabgeordneten Johannes Jung (SPD). Er verweist auf die Kosten, die auf die Städte zukommen, wenn sie das Projekt „auf eigene Kappe“ fortsetzen müssen. 1,8 Millionen Euro, rechnet Jung vor, habe die Stadt Karlsruhe seit Beginn des Modellversuchs investiert, andere Kommunen hätten noch weit mehr Geld eingesetzt. Mit dem Ende des Modellversuchs entfalle jetzt noch die Kostenbeteiligung des Bundes.

Die Städte sind im Dilemma: „Ein Abbruch der Behandlung würde für einzelne Patienten akute Lebensgefahr bedeuten“, erklärt eine Sprecherin der Stadt Bonn. Deshalb habe man sich nun entschlossen den Antrag auf Ausnahmegenehmigung zu stellen und schweren Herzens 250 000 Euro für das Projekt bereitgestellt. Anders als in Frankfurt will man den Kreis der Patienten nicht erweitern: Das könne sich Bonn nicht leisten. Und länger als zwei Jahre könne man das auch nicht durchhalten. „Kein Dauerzustand“, klagt auch Frankfurt am Main. Eichhorn sieht dagegen kein Problem für die Kommunen: „Sie können entscheiden, ob sie das finanziell leisten wollen.“ Schließlich hätten sie ja stets damit argumentiert, dass es darum gehe, Menschenleben zu retten.

Für die Suchtkranken heißt das: Über ihre Therapie entscheidet ihr Wohnort. Möglicherweise ist das auch verfassungsrechtlich ein Problem. Zu diesem Schluss kommen die Staatssekretäre der Bundesministerien für Gesundheit und Justiz: Der Ausschluss von Patienten von dieser Behandlung sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, heißt es in einem Schreiben an die Regierungsfraktionen, das dem Tagesspiegel vorliegt. Dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit müsse der absolute Vorrang eingeräumt werden. Eine Lösung über Ausnahmeerlaubnisse lehnen die SPD-geführten Ministerien ab, sie halten es für geboten, die Behandlung jetzt auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.

Nach der sieht es nicht aus: Die Union bereitet sich in aller Ruhe auf die Anhörung vor, die SPD hält sich an die Spielregeln der Koalition, die Opposition hat keine Mehrheit. SPD-Mann Jung gibt sich trotzdem optimistisch: Zwar bewege sich nichts, aber er glaube an den Parlamentarismus und auch an die geplante Anhörung. „Sie bietet die Chance, die Gegner der Heroinversorgung doch noch zu überzeugen.“

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