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Politik: Was die Menschen umtreibt

DEMOS FÜR DEN FRIEDEN

Von Gerd Appenzeller

500000 Menschen. Friedlich, diszipliniert, entschlossen. Kinder, Jugendliche, Erwachsene jeden Alters. 500000 Menschen alleine in Berlin, die gestern Nein gesagt haben zu einem Krieg gegen den Irak und eine deutsche Beteiligung daran. Die vielen, teilweise fast unbeholfen handgemalten Plakate, die mitgeführt wurden, waren Ausdruck der Spontanität dieser Manifestation und der Nachdrücklichkeit des Anliegens.

Es war die dritte große Friedensdemonstration in Deutschland innerhalb der letzten 20 Jahre. Die erste, am 10. Oktober 1981 in Bonn, richtete sich gegen die Raketennachrüstung der Nato. Die zweite, am 28. Januar 1991, ging unter dem Motto „Kein Blut für Öl“ gegen einen IrakFeldzug nach dessen Besetzung des Nachbarstaates Kuwait. In beiden Fällen scheiterten die Demonstranten mit ihren Anliegen. Die Bundeskanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl setzten die Nachrüstung durch und leisteten damit einen entscheidenden Beitrag zum Zusammenbruch des Ostblocks und der Sowjetunion. Der Golfkrieg beendete die irakische Besetzung Kuwaits und ahndete damit einen eklatanten Bruch des Völkerrechts durch den Irak.

Ob die gestrige Demonstration – vergleichbare Aufzüge gab es ja in vielen Städten der Welt – letztlich erfolgreich sein wird? Die Sitzung des Sicherheitsrates am Freitag hat den Gegnern eines Krieges noch einmal Auftrieb gegeben. Dies wird die Regierung Schröder in ihrer Politik genauso bestärken wie die Kundgebung selbst. Denn das war ja das eigentlich Sensationelle an dieser Demonstration der Friedensbewegung: Es war eine Massenkundgebung für, nicht gegen die Politik der Bundesregierung. Das unterscheidet den 15. Februar 2003 grundlegend vom 28. Januar 1991 und vom 10. Oktober 1981.

Den Kanzler, der sich in den USA mit dem Vorwurf des billigen Antiamerikanismus konfrontiert sieht, trieb sogar die Sorge um, solche Töne bei der Manifestation könnten ihm angelastet werden. Deshalb war ihm die Teilnahme dreier Minister seines Kabinetts so unangenehm. Die Reden von Friedrich Schorlemmer und Frank Bsirske haben gezeigt, dass Schröder Grund zur Sorge hatte. Da waren hoch emotionale, böse Töne zu hören. Auf diesem Klavier kann man schrille Musik machen, und eine große Menschenmasse ist genau der Resonanzboden, den Populisten brauchen – und damit die Menschen missbrauchen.

An der Ernsthaftigkeit des Anliegens der 500000 ändert das nichts. Aber werden die weltweiten Demonstrationen die Amerikaner beeindrucken? Ist Krieg unwahrscheinlicher geworden? Leider nein. Die UN-Resolution 1441 ist keine Gebrauchsanweisung für ein großes Räuber-und-Gendarm-Spiel, in dem die Inspektoren Saddam Hussein beim Begehen einer Straftat erwischen müssen. Die im Weltsicherheitsrat einstimmig angenommene Resolution verpflichtet den Irak, sämtliche Massenvernichtungswaffen offen zu legen. Bislang ist das nicht geschehen. Die USA sind fest entschlossen, es zu erzwingen – und die Uno kann bei allem Friedenswillen nicht darauf verzichten, ohne unglaubhaft zu werden. Zwischen diesen Polen muss die Bundesregierung ihren Weg finden. Der gestrige Tag hat daran nichts geändert.

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