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Annalena Baerbock und Robert Habeck, das Führungsduo der Grünen.

© AFP

Was die Ökopartei vorhat: Die Grünen nehmen die SPD ins Visier

Die Grünen wollen mit sozialen Themen punkten und gleichzeitig mit der Industrie reden, um mehr Akzeptanz zu schaffen. Bewährungsprobe wird die Wahl in Hamburg.

Die Grünen machen sich im Jahr 2020 auf einen Langstreckenlauf gefasst: Seit Monaten liegt die Partei in den Umfragen stabil bei 20 Prozent. Doch die Grünen-Führung weiß, dass es bis zur nächsten Bundestagswahl noch bis zum Herbst 2021 dauern kann.

Für die Partei geht es in diesem Jahr also einerseits darum, die guten Umfragewerte zu halten, was keineswegs sicher ist. Es geht aber auch darum, für Wahlkampfzeiten gerüstet zu sein, unter anderem mit mehr Personal in der Parteizentrale. Allein 20 Stellen sollen in diesem Jahr zu den vorhandenen 65 Stellen hinzukommen.

Zur ersten Bewährungsprobe wird die Hamburg-Wahl im Februar, bei der sich ein knappes Rennen zwischen SPD und Grünen abzeichnet: Die bisherige grüne Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank will in der Hansestadt Erste Bürgermeisterin werden – und damit nach dem Baden-Württemberger Winfried Kretschmann die zweite grüne Regierungschefin überhaupt.

Auch um sie zu unterstützen, verlegten die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck kurzerhand die Klausur des Bundesvorstands, die am Montag beginnt, von Berlin nach Hamburg. Schließlich weiß das Duo, dass ein Überraschungs-Erfolg in der bisherigen SPD-Hochburg auch über Hamburg hinaus wirken könnte.

Thematisch stellt sich die Ökopartei breiter auf. Auf der Tagesordnung des Bundesvorstands stehen zum Jahresbeginn vor allem zwei Themen: die Frage nach der Zukunft des Industriestandorts Deutschland sowie der soziale Zusammenhalt in diesem Land. Mit Unternehmern wollen die Grünen bei der zweitägigen Klausur darüber diskutieren, wie die deutsche Industrie künftig klimaneutral produzieren kann. Als Gast ist unter anderem der Chef des Aluminiumherstellers Trimet eingeladen und damit ein Vertreter einer der energieintensivsten Branchen überhaupt.

Ohnehin wollen die Bundes-Grünen das „wahlkampfarme“ Jahr nutzen, den Dialog mit denen zu suchen, die von den Plänen der Grünen betroffen wären. Bis auf die Hamburg-Wahl stehen in diesem Jahr lediglich Kommunalwahlen in verschiedenen Bundesländern an.

Die SPD reagiert pikiert

Zuletzt hatte die Bundestagsfraktion einen Wirtschaftsbeirat und einen Sozialbeirat eingerichtet, in dem Vorstandschefs großer Konzerne sowie Gewerkschafter und Sozialverbände mit Grünen debattieren. Darüber hinaus soll es nun weitere Gespräche mit Betroffenen geben, etwa zu der Frage, welche politische Flankierung notwendig ist, wenn Produktionsprozesse künftig klimaneutral werden – oder was die Umbrüche in der Industrie für die Arbeitsplätze bedeutet. Mit solchen „Stakeholder“-Gesprächen, hofft man in der Fraktion, könne man auch mehr Akzeptanz für Veränderungen schaffen, oder zumindest ein gewisses Verständnis.

Bei der Klausur des Bundesvorstands soll es aber auch um soziale Fragen gehen, konkret um den „Niedriglohnsektor als Armutsfalle“. Trotz guter Konjunktur und steigender Beschäftigung gehe die Armut in Deutschland nicht zurück, heißt es in einer Beschlussvorlage. Ein Grund hierfür sei der im internationalen Vergleich große Niedriglohnsektor.

Um dessen Ausweitung entgegenzuwirken fordern die Grünen unter anderem, die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns besser zu kontrollieren. Außerdem solle dieser „sofort“ von 9,35 Euro auf zwölf Euro pro Stunde angehoben werden – „damit Vollzeiterwerbstätige von ihrer Arbeit leben können“. Die öffentliche Hand solle außerdem Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben, die einem Tarifvertrag angehören oder vergleichbare Löhne zahlen.

Mit der Betonung des Sozialen machen die Grünen auch der SPD verstärkt Konkurrenz. Nach Wahrnehmung vieler Grüner reagieren Sozialdemokraten zunehmend gereizt auf die derzeitige Kräfteverschiebung zwischen beiden Parteien. So sorgte SPD-Fraktionschef Ralf Mützenich für Kopfschütteln, als er den Grünen im letzten Herbst vorwarf, in der Klimapolitik „neoliberal“ zu handeln.

„Wir können die gar nicht so viel zurück lieben, wie die uns hassen“, hieß es daraufhin in der Grünen-Bundestagsfraktion. Und auch in Hamburg pokert SPD-Regierungschef Peter Tschentscher hoch, um zu verhindern, dass seine Partei hinter den Grünen landen könnte. Die SPD, sagte er vor Kurzem, werde kein Junior-Partner der Grünen.

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