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Politik: Was die Plakate sagen

Ole, Onkel Thomas, Rathouse Rock und eine FDP ohne Köpfe – Wahlwerbung in Hamburg. Eine Stilkritik von Michael Jürgs

Ole von Beust entspringt der CDU und brachte viele Jahre kein Bein auf die Erde, ob an der Alster oder im Michel, und im Rathaus erst recht nicht. Bis es vor zwei Jahren zusammen mit der SchillPartei und der FDP zu einer ziemlich großen Koalition reichte, weil eine ziemlich große Mehrheit in Hamburg den Wechsel wollte. Egal wie. Zur Not auch irgendwie. Weil nach Abbruch des Experiments und dem Ausbruch von Neuwahlen unter dem Motto „finito“ die SPD nicht ihren ehemaligen Bürgermeister Henning Voscherau gegen ihn antreten ließ, hat Ole von Beust ganz ohne eigenes Zutun Leuchtkraft gewonnen. Die schlichte Botschaft der CDU-Plakate mit seinem Kopf und der Zeile „Michel. Alster. Ole“ traf die Stimmung in der Stadt. Der durch glücklichen Zufall Schill-freie Bürgermeister galt plötzlich als Garant hanseatischer Lebensart, was nur mit der Art zu leben mancher seiner ehemaligen und derzeitigen Senatoren erklärt werden kann. Er wirkte, als habe er mit denen nie ein Wort gewechselt. Wahrscheinlich wäre die einzige Chance für den SPD-Kandidaten Mirow in den letzten Tagen ein intellektueller Konter auf dem von der CDU bereits erreichten Niveau mit anderen typischen Hamburgern gewesen. Vorschlag: Regen. Labskaus. Thomas.

Für die SPD sah es nicht so gut aus, obwohl ihr Spitzenkandidat so gut zu Hamburg passt wie der Spitzenmann der anderen. Die Plakate der SPD waren zuletzt zwar eine Klasse besser als diejenigen, die zu Beginn des Winters den Bürger verschreckten. Hemdsärmelig Thomas Mirow, flehenden Blickes, weil ihm Parteifreunde aus Wandsbek offensichtlich das Jackett geklaut hatten. Kontraproduktiv auch jene Aussage, dass unter dem Beust-Senat nur 42,8 Prozent der Straftaten aufgeklärt wurden, was ein flüchtiger Betrachter der SPD anlasten konnte, denn deren Signet stand auf dem Plakat. Statt sich in Kampagnensprache zu üben: Roger Kusch (Justiz, CDU) und Dirk Nockemann (Nachfolger Schills, Innensenator) erwischen nur jeden zweiten Ganoven. Später klang es besser. Mirow bürgt dafür. Keine schlechte „line“ bei einer Bürgerschaftswahl. Aber das alle Eltern bewegende Chaos mit den Kitaplätzen ist optisch vergeigt worden. Mirow saß auf dem Plakat hilflos lächelnd auf einem Spielzeugauto. Ein Kind neben ihm blickt, als habe man es gezwungen, seinen geliebten Laster an diesen fremden Mann abzutreten. Gleich wird es weinen. Da lachte die CDU.

Dass es Hamburg im Prinzip besser kann, behauptete einst in der Opposition schon die CDU. Dagegen ist wenig zu sagen. Die Frage lautet: besser als wer? Schlagwörter auf Wahlplakaten sind nicht geschützt, sondern geschnitzt. Manche in Holz, manche in Beton. Die GAL, Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen, hatte sich Texte ausgedacht, denen man mitunter die Mühe anmerkt, Sprache per Witz auszuloten. Sie waren dennoch mit Abstand die besten in der Spielklasse jener Parteien, die zwischen zehn und vierzig Prozent der Stimmen erwarten. „Rock the house“ auf ein Foto des Rathauses gedruckt oder „Mehr Kinder wagen“ auf eine Aufnahme leerer geparkter Kinderwagen getextet, war ziemlich gut. Die Kernaussage aber, die Zeile „Nie wieder Peinlichkeiten“ auf einem Foto der sich anlachenden Gesinnungsfreunde Schill und Beust beim Unterzeichnen des Koalitionsvertrages vor zwei Jahren, ist zu zahm. Wie hätte die bessere Headline lauten müssen? Klar: „Nie wieder solche Männerfreundschaften...“

Wer bei einer Splitterpartei wie der FDP „auf Nummer sicher“ gehen will, wie es ihr wichtigstes Wahlplakat suggerierte, sollte zuvor einen Notar aufsuchen. Gemeinsam mit den FDP-Kandidaten für die Bürgerschaft. Da die keiner kennt, auch ein Notar wie Henning Voscherau nicht, müssen sie alle ihre Ausweise mitbringen. Sonst könnte ja jeder kommen und sich als liberal ausgeben. Hatte man schon einmal nach der letzten Wahl, denn kein Mensch hätte es für möglich gehalten, dass ausgerechnet die Liberalen in Hamburg den Dilettanten und Querulanten von der damals noch einigen Barnabas-wir-folgen-dir-Partei aufs Pferd helfen und sich selbst an den Schweif klammern. Hauptsache, wir reiten mit. Egal wie. Das passte zum einzigen Senator, den die FDP stellte, dem für Schule und Kindergärten zuständigen Konteradmiral, der von Lehrern, Schülern und Parteifeinden nach allen Regeln der Kunst ausgekontert wurde, weil er sein Handwerk nicht verstand, bis ihn Ole von Beust entnervt von sich stieß. Die FDP hat seinen Nachfolger auf ein paar Plakate geklebt, aber da den an Hamburg-typischen nebligen Tagen noch nicht mal der Pförtner in seiner Behörde erkennt, blieb es bei der Zentralaussage ohne Köpfe. Um Rot-Grün zu verhindern, bitte FDP wählen. Klingt nach: Verzeiht uns den Fehltritt, holt uns wieder rein ins Rathaus.

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