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Politik: Was haben Sie noch zu verlieren, Herr Höppner?

Würden Sie sich als Erfolgstyp bezeichnen?Als jemand, der kämpft, der gerne Probleme löst, der das Land voranbringen will, das nun mal mein Land ist, denn ich bin in Sachsen-Anhalt geboren und aufgewachsen.

Würden Sie sich als Erfolgstyp bezeichnen?

Als jemand, der kämpft, der gerne Probleme löst, der das Land voranbringen will, das nun mal mein Land ist, denn ich bin in Sachsen-Anhalt geboren und aufgewachsen. Und als jemand, der dabei durchaus Erfolge gehabt hat. Aber nicht unbedingt als ein Machtmensch, der die Macht haben will, weil er sie liebt oder in sie verliebt ist.

Was ist für Sie denn Erfolg?

Keiner hat uns 1994 zugetraut, dass wir Stabilität in dieses Land bringen könnten. Das haben wir geschafft, über acht Jahre lang. In dieser Zeit sind Grundlagen gelegt worden für die wirtschaftliche Entwicklung, über die ich mich freue, von der ich aber merke, dass sie nicht so wahrgenommen wird.

Gelohnt wird es Ihnen nicht?

Das ist einer der Sätze gewesen, die mir mein Bischof gesagt hat, als ich 1990 überlegt habe, ob ich antreten sollte: Machen Sie es, aber denken Sie daran, lohnen wird ihnen das keiner, so ist die Politik nicht.

Woran liegt es, dass die Wahrnehmung nicht so ist, wie Sie sich das wünschen?

Das hat mit der Befindlichkeit der Ostdeutschen insgesamt sehr viel zu tun. Die Menschen haben gedacht, mit einem Sprint ließe sich der Abstand aufholen. Nun stellen sie fest, das ist ein Marathonlauf, und da geht einem zwischenzeitlich die Puste aus. In einer solchen Phase sind wir. Deswegen ist auch der zwar schwierige, aber notwendige Aufruf zum langen Atem erforderlich.

Fühlen Sie sich in Ihrem Selbstwertgefühl getroffen, wenn Sie jetzt Kritik hören, offen oder hintenherum?

Jedenfalls habe ich noch nicht die dicke Haut entwickelt, die man einem Politiker ja gelegentlich nachsagt und die manchmal auch ganz hilfreich und schützend wäre. Ja, ich bin schon manchmal verletzt. Aber man kann, glaube ich, nicht gleichzeitig einen sensiblen Politiker haben und einen mit dickem Fell. Manche können sich zwischen beidem nicht entscheiden. Da gerät man gelegentlich auch zwischen Mühlsteine.

Sehen Sie sich herausgefordert? Oder ist das jetzt Wut?

Gelegentlich bin ich auch wütend. Meine Frau sagt, wenn ich wütend bin, bin ich am besten. Aber das sagt sie schmunzelnd. Herausgefordert bin ich schon, weil ich wirklich nicht vertragen kann, wenn mit Sprüchen Illusionen geweckt werden. Und wenn ich das sehe, ärgere ich mich, denn so werden nur Enttäuschungen produziert.

Haben Sie noch etwas zu verlieren?

Nicht schlecht, eine schöne Fangfrage. Meine Antwort: Ja.

Wenn das so ist: Macht Politik abhängig?

Das glaube ich nicht. Aber Politik ist in vielen Abhängigkeiten. Und manche Dinge, die einem angelastet werden, die standen gar nicht im eigenen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Also beispielsweise ist der Wahlkampf in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen eine besondere Herausforderung, weil eigentlich jeder weiß, die Rezession wird nicht im Land gemacht, auch in Deutschland nicht, sondern das ist ein Phänomen, das die Welt beschäftigt.

Auf wen waren Sie das letzte Mal wütend?

Ich war wütend, als uns die Opposition Lüge und Statistikfälschung vorwarf. Ich bin wütend, wenn zum Beispiel Arbeitgebervertreter in einer Besprechung mit mir Einmütigkeit demonstrieren und dann rausgehen und Presseerklärungen abgeben, die das Gegenteil beinhalten.

Ist Gerhard Schröder Ihnen Vorbild mit seinem Optimismus und der energischen Art?

Wir sind sehr unterschiedlich und verstehen uns trotzdem gut. Das liegt daran, dass wir 1998 ein bisschen Kräftemessen gespielt haben bei der Frage, welche Konstellation für Sachsen-Anhalt und im Blick auf die Bundestagswahl die beste wäre. Das hat uns gegenseitig eher Achtung verschafft, weil jeder seine Argumente hatte. Jedenfalls ist deutlich geworden, dass ich von der Stimmungslage Ost wirklich eine Menge verstehe.

Hat Schröder Ihnen im Nachhinein auch mal gesagt, Mensch, da hattest du Recht?

In dem Maße, wie man sich das untereinander sagt, schon.

Was sind denn die Eigenschaften, die Sie an Schröder bewundern und an sich vermissen?

In dieser Kombination ist das schwierig zu beantworten. Aber er hat ein großes Talent, auf die jeweilige Situation vor Ort einzugehen und ganz schnell nicht nur die Stimmung, sondern auch die Informationen aufzunehmen, die man anlässlich eines Besuchs bekommt. Dann schnell Schlüsse zu ziehen, daran anknüpfend Reden zu halten. Das finde ich gut, das ist aber kein unbedingter Gegensatz zu mir. Was ich sicherlich nicht so habe wie Gerhard Schröder: Mir merkt man immer an, in welcher Stimmung ich bin. Da kann ich schlecht aus meiner Haut.

Sind Sie logischer?

Dass ich Mathematiker bin und Seiteneinsteiger in die Politik, das merkt man schon noch bei vielen Entscheidungen und der Art, an die Probleme heranzugehen.

Man könnte aber auch sagen, Sie haben das Kräftemessen verloren. Denn an Ihnen, an Sachsen-Anhalt wäre zu zeigen, dass ein Zusammenspiel zwischen SPD und PDS zu Lasten der SPD geht.

Meine Einschätzung ist, dass die PDS eine relativ feste Wählerklientel hat. Sie liegt bei 20 Prozent, plus-minus. Der Stimmenaustausch passiert da auf Grund von Stimmungslagen, und zwar zwischen SPD und CDU. Das ist die gravierendere Bewegung bei allen Umfragen.

Müssen Sie konservativer werden?

Die SPD ist im Osten die Mitte und braucht das nicht zu diskutieren. Das ist ein bisschen anders als im Westen. Ich habe keine Veranlassung, da nach rechts oder links zu schielen.

Das würde Schröder auch sagen, aber zwischen Ihnen gibt es doch deutliche Unterschiede. Ist im Osten die Mitte weiter links?

Ich will das nicht in klassischen Kategorien definieren, sondern mit der Tatsache begründen, dass wir im Zweifel zwei Optionen für Koalitionen haben. Oder wenn die FDP mit ins Spiel kommt, sogar drei. Wenn man von allen Seiten Angebote bekommt, ohne dass die anderen eigentlich Partner haben, dann ist das schon eine Mitte-Position.

Wenn es nicht am Bündnis mit der PDS liegt, woran liegt es dann, dass Ihre Umfragewerte zur Zeit alles andere als berauschend sind?

Zunächst bin ich ganz froh darüber, dass wir eine deutliche Trendwende haben. Im Blick auf die Umfragen von Anfang des Jahres haben wir fünf Prozent zugelegt. Die Richtung stimmt. Aber eins ist auch ganz klar: Die Stimmung wie 1998, diese Kohl-muss-weg-Stimmung, die haben wir nicht.

Wo wird die Bundestagswahl gewonnen?

Ich glaube schon, dass sie im Osten wesentlich entschieden wird. Da ist die meiste Bewegung in der Wählerlandschaft. Zehn Prozent Veränderungen sind keine Seltenheit. So viel Bewegung gibt es in kaum einer Region im Westen.

Ist der Osten unstet, unberechenbar?

Das ist so. Da gibt es ja auch keine so langen demokratischen Traditionen. Offenbar ist der ostdeutsche Wähler ja auch für Meinungsforscher ein schwer durchschaubares Wesen. Wir im Osten haben schon eine Stimmungsdemokratie. Das ist ein Stück weit beunruhigende Realität.

Welche anderen Motive oder Entscheidungsgrundlagen hat der ostdeutsche Wähler?

Da spielen nicht nur Stimmungen eine größere Rolle, sondern auch Personen. Die absolute Mehrheit der CDU in Sachsen wäre ohne Biedenkopf nicht so deutlich. Wahrscheinlich spielt auch der Bauch eine größere Rolle. Außerdem verstehen viele Ostdeutsche den Mechanismus, in dem Politik stattfindet, ganz wenig. Das finde ich manchmal schon ärgerlich.

Haben Sie angesichts dieser Erfahrungen an sich Veränderungen festgestellt?

Ja. Inzwischen habe ich mühsam gelernt, dass man seine Arbeit auch verkaufen muss. Das lag mir nicht. Andererseits gibt es einiges, das ich nach wie vor nicht kann und nicht will: Was ich sage, muss stimmen. Leere Sprüche lasse ich nicht durchgehen. Ich muss freilich nicht alles sagen, was ich denke. Dazu ist keiner verpflichtet.

Sehen Sie sich selber schon in einer Riege mit Vogel oder Biedenkopf?

Ich sehe nicht, dass ich ein Nachfolgeproblem habe.

Gemeint ist: Sie in Ihrer Rolle und Funktion für das Land Sachsen-Anhalt.

Ich glaube, diese dominante Rolle als Landesvater, die habe ich nicht. Die passt auch nicht zu meiner Person. Ich werde kein König Kurt.

Welcher Begriff passt zu Ihnen?

Ich bin wohl eher der Kümmerer, der die Probleme der Menschen kennt und bei der Bewältigung hilft.

Aber nicht der Knecht?

Nein, das nicht. Das ist ja das Merkwürdige: Die Menschen erwarten von den Politikern alles, halten von ihnen nichts, aber aufschauen wollen sie auch ganz gerne. In der Hinsicht soll man kein Knecht sein.

Wollen die Ostdeutschen Führung? Eher als Leitung und Moderation?

Ja, das wollen sie. Die Erziehung in einem sehr zentralistischen Staat hat sich ausgewirkt. Man erwartet im Zweifelsfalle, dass die oben es für einen tun. Neulich ist mir ganz vehement vorgetragen worden, die Regierung solle endlich für eine gute Stimmung unter den Leuten sorgen. Die Kompetenzübertragung an die Regierung kennt gelegentlich keine Grenzen. Ich bin aber nicht dafür zuständig, dass die Menschen glücklich sind. Ihr Leben müssen sie schon noch alleine gestalten. Ich kann mich wirklich nur um die Rahmenbedingungen kümmern.

Sie wollen nur das sagen, was Sie verantworten können. Braucht der Osten in der Rezession noch einmal weitere Milliarden?

Zusätzliche Milliarden bringen uns nicht wesentlich weiter. Es kommt darauf an, die Milliarden so effektiv einzusetzen, dass wir die Lücke zwischen Ost und West schließen. Schwerpunkte müssen wir setzen, zum Beispiel Forschungsinstitute, Großforschungsanlagen in den Osten holen. Und Arbeitsplätze schaffen. Zehn sind gut, 1000 großartig. Eines ist sicher: Es ist ein langer Weg.

Ostdeutsche wollen Führung - Edmund Stoiber ist einer, der führt. Im Osten ist das Wählerpotenzial unstet. Bedeutet das nicht, dass die Wähler auf die Idee kommen könnten zu sagen: Schröder hat uns uns nicht geholfen, Höppner auch nicht, wählen wir andere?

Das kann schon sein. Gelegentlich merke ich, dass die Ostdeutschen so einfach nach dem Motto "Probieren wir mal" auch wählen. Hier gibt es nur ein Rezept: dagegenhalten, aufklären. Das ist im Blick auf Stoiber nicht besonders schwierig, denn im Osten ist er gut bekannt durch die Klage gegen den Länderfinanzausgleich und gegen den Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen. Im Zweifelsfall denkt er nur an die bayerischen Interessen.

Steht der Osten auf der Kippe?

Der Osten steht nicht auf der Kippe. Von Absturzgefahr kann nicht die Rede sein, höchstens von der Frage, wie lange es noch dauert. Das ist eine Generationenaufgabe. Der Solidarpakt, der letzte, den es so geben wird, ist nicht umsonst bis 2019 gemacht.

Aber die Stimmung ist auf der Kippe?

Die ist im letzten Jahr ein bisschen gekippt, hin zu Resignation und Mutlosigkeit. Da brauchen wir eine Gegenbewegung.

Würde es Sie reizen, Bundespolitik als Minister zu machen?

Nein.

Können Sie die Macht jederzeit loslassen?

Ich kann loslassen, wohl wissend, dass Loslassen, egal an welcher Stelle, Arbeit ist. Aber jetzt noch nicht. Ich habe noch etwas zu tun - als Ministerpräsident.

Haben Sie ein Beispiel?

Die Nordverlängerung der A 14.

Und da werden Sie sich durchsetzen?

Die Kunst politischer Führung ist, das, was man will, tatsächlich möglich zu machen. Gelegentlich braucht man dafür Argumente, die man nicht auf dem offenen Markt austrägt.

Nennen Sie mal eins.

Manchmal haben sie mit dem Appell an Eigennutz zu tun.

Würden Sie sich als Erfolgstyp bezeichnen?

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