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Politik: Was ist das für eine Wirtschaft?

VOR DEN GIPFELN

Von Ursula Weidenfeld

Erst Petersburg, dann Evian. Alle Blicke richten sich darauf, wie sich George Bush, Gerhard Schröder, Jacques Chirac und Tony Blair nach dem IrakKrieg gegenübertreten werden, der die westlichen Bündnis-Beziehungen erschüttert und die einzigartige Vorrangstellung der Weltmacht USA unterstrichen hat. Die Petersburger Begegnungen werden zeigen, ob man politisch wieder zusammenrücken kann. Das Treffen der G8, der acht mächtigsten Wirtschaftsnationen, im französischen Evian zwingt zum Blick nach vorn. Dort steht die Wirtschafts- und Finanzpolitik auf der Tagesordnung. Droht der Welt eine Rezession? Eine deflationäre Spirale? Ein Handelskrieg? Eine Verschärfung der Gegensätze zwischen industrialisierter und nicht industrialisierter Welt? Drohen dramatische Wechselkursturbulenzen?

Das Treffen und die lange vorbereiteten Abschlusspapiere der G8 werden so tun, als ob diese Fragen nicht so wichtig seien. Als ob alle den gleichen Interessen und einem gemeinsamen Mandat zum Handeln folgen würden. Als ob nur der Gegensatz zwischen entwickelten und den weniger entwickelten Ländern zu überwinden sei. Dabei ist allen klar: Die Gegensätze in der Weltwirtschaft sind längst nicht auf die zwischen den entwickelten und nicht entwickelten Ländern beschränkt. Die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Interessenkonflikte zwischen den USA, Japan und Europa wachsen. Und wie in der Irak-Krise sind auch sie bestimmt von der Dominanz der USA – und einem problematischen Trend zum Unilateralismus in der Weltwirtschaft.

In der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist das zwar keine ganz neue und völlig überraschende Erkenntnis. Schließlich stehen die USA allein für mehr als ein Viertel der Weltwirtschaft. Auf den Weltfinanz-, Öl- und anderen Rohstoffmärkten ist der Dollar die Währung, in der abgerechnet wird. Dazu kommt, dass die USA auch die Sanktionsinstrumente dominieren: Sie haben das Sagen im Internationalen Währungsfonds – und bestimmen damit über die Strategien, die Entwicklungsländern verordnet werden. Der Dollar bestimmt den Kurs der europäischen Einheitswährung – und nicht umgekehrt. Ohne die Wall Street tut sich an den europäischen Börsen nichts. Und die Rating-Agenturen, die über die Bonität hunderttausender von Unternehmen auch auf dem europäischen Kontinent bestimmten, haben ihren Sitz ebenfalls in den USA.

So nimmt die US-Regierung den jüngsten Dollarverfall mit großer Gelassenheit zur Kenntnis. Finanzminister John Snow beschleunigt ihn sogar noch, wenn er öffentlich sagt, dass er den Kurssturz überhaupt nicht Besorgnis erregend findet. Womöglich tut der Finanzminister das sogar ohne jeden Arg: Schließlich weiß er, dass sich die Weltwirtschaft auf Amerika als Konjunkturlokomotive verlässt. Japan ist längst, Europa inzwischen auch als Anschubpartner ausgefallen – und es sieht gar nicht so aus, als würde sich das bald ändern. Also zahlen die Euroländer im Prinzip nur eine Startfinanzierung für die Belebung der Weltwirtschaft und damit eine Art Friedensdividende an die USA, kalkulieren US-Volkswirte.

Dass die Europäer diese Rechnung problematisch finden, darf ihnen niemand verdenken. Sie wollen in Evian über die Stabilisierung der Wechselkurse reden. Nur: Solange die USA kein Interesse an einem stärkeren Dollar haben, wird auch nichts passieren.

Im Augenblick sieht es so aus, als würden die unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessenlagen die großen Industrieländer eher auseinander treiben als zusammenführen. Dabei hätten die USA allen Grund, die Europäer zu drängen, wieder aus eigener Kraft wachstumsfähig zu werden. Dazu müssten Europas Kernländer ihre Sanierungsprogramme für den Staat endlich durchsetzen. Europa und Japan dagegen müssten angesichts der Staats- und Auslandsverschuldung und der Abwertungspolitik der USA auch Alarm rufen. Die Gefahr für die Großen Acht ist, dass sie die Gefahren auf die leichte Schulter nehmen – oder sie unter den Teppich kehren, weil ihnen die Suche nach einer Strategie zu anstrengend geworden ist. Damit aber riskieren sie, dass auch die gemeinsamen Grundsätze – Freihandel, stabile Finanzmärkte, das Interesse an einer verlässlichen internationalen Wirtschaftsordnung – künftig wieder in Frage gestellt werden.

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