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Politik: Wasch mir den Pelz

Von Dagmar Rosenfeld

Die Arbeitslosigkeit hat ein Gesicht bekommen, es hat zottelige gefärbte Haare, einen Vollbart und jede Menge Piercings an Nase und Ohren. Es ist das alte Gesicht von Henrico Frank.

Das Glück, eine Arbeitsstelle zu finden hat auch ein Gesicht bekommen, es hat einen Poposcheitel und es ist glattrasiert. Es ist das neue Gesicht von Henrico Frank. Die Folgen der äußeren Verwandlung des mittlerweile bekanntesten Hartz-IV-Empfängers Deutschlands, sie suggerieren auch, dass es vielleicht doch eine Lösung gibt für das Problem Arbeitslosigkeit. Ein Problem, das selbst durch ein gigantisches Reformprojekt nicht behoben werden konnte und über das eine Bundesregierung gestürzt ist.

„Waschen und rasieren sie sich erst mal, dann finden sie auch Arbeit“, hat Kurt Beck vor einer Woche zu Henrico Frank gesagt. Das hat Frank getan, und nun haben ihm acht Firmen eine Stelle angeboten. So einfach ist das also? Nein, immerhin sind in diesem Land nicht vier Millionen Menschen arbeitslos, bloß weil sie sich nicht waschen und rasieren. Natürlich, ein gepflegtes Äußeres ist von Vorteil, wenn man sich bewirbt. „Wie du kommst gegange, so wirst du empfange“, das gilt nicht nur in Rheinland-Pfalz.

Doch in dieser einen Woche ist mehr passiert, als dass ein Arbeitsloser beim Friseur war und danach gleich mehrere Jobangebote bekommen hat. Anfangs war es Kurt Beck, gegen den sich die öffentliche Empörung richtete. Darf ein sozialdemokratischer Ministerpräsident so mit einem Arbeitslosen umgehen? Darf er sagen, Henrico Frank habe nicht so ausgesehen, als habe er im Leben schon viel gearbeitet? Manche haben Becks Verhalten mit dem des zurückgetretenen Bremer Senators Peter Gloystein verglichen, der einen Arbeitslosen beleidigte, indem er ihm eine Flasche Sekt über den Kopf kippte.

Mittlerweile aber ist es Henrico Frank, über den sich die Öffentlichkeit empört. Faul und undankbar sei er, einer der die Arbeitslosen in diesem Land diskreditiere. Was ist passiert? Frank hat einen Termin bei Beck in der Staatskanzlei abgesagt, bei dem ihm der Ministerpräsident die Stellenangebote übergeben wollte. Beck habe den Termin nicht mit ihm abgesprochen, lautete die Begründung. Schon fordern die ersten Politiker, Frank solle das Arbeitslosengeld II gekürzt werden, weil er die Arbeit ablehne, die ihm angeboten werde.

Nur hat Frank das bisher gar nicht getan. Die Stellenangebote sind ihm am Montag von der Staatskanzlei zugestellt worden. Nun sollte man ihm auch die Möglichkeit geben, sich bei den Firmen vorzustellen, bevor über Leistungskürzungen diskutiert wird. Eine Diskussion, die zeigt, wie sehr die Geschichte aus dem Ruder gelaufen ist. Frank hat wohl nicht geahnt, welchen Medienrummel er auslösen würde, als er Beck auf dem Wiesbadener Weihnachtsmarkt für Hartz IV und seine Lage verantwortlich machte. Er hat ja keine Erfahrung im Umgang mit den Medien, und es wird offensichtlich, wie überfordert er ist.

Frank ist instrumentalisiert worden, gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen von seinen eigenen Leuten, der Wiesbadener „Hartz-4-Plattform“, bei der er sich engagiert. Deren Vorsitzende hat sich zu seiner Sprecherin gemacht und benutzt ihn offenkundig für ihre Sache. Sie will, dass Beck nicht allein Frank in seine Staatskanzlei einlädt, sondern außerdem Vertreter der Plattform. Aber auch Beck, erfahrener Medienprofi, hat die Situation genutzt, um den Schaden, den seine im Affekt geäußerten Worte hätten anrichten können, zu begrenzen. Das ist ihm gelungen. Dazu hätte eine öffentlichkeitswirksam inszenierte Übergabe der Jobangebote an Frank sicherlich beigetragen.

Inzwischen sind die Stellenangebote in dessen Briefkasten gelandet. Für Henrico Frank sind sie die große Chance, endlich eine Arbeit zu finden. Er kann sogar wählen, eine Möglichkeit, die die wenigsten Arbeitslosen in diesem Land haben.

Der eigentliche Gewinner aber ist Kurt Beck, so oder so. Bekommt Frank eine Arbeit, hat er das Beck zu verdanken. Lehnt er die Angebote ab – dann bestätigt er Becks Vorbehalte. Und zwar Vorbehalte, die viele in diesem Land mit ihm teilen.

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